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Hubertus Bardt IW-Kurzbericht Nr. 52 8. August 2019 Energieintensive Branchen in Europa unter Druck

Die steigenden Anforderungen an einen effizienten Umgang mit Energie und der Druck zur Reduktion von Treibhausgasemissionen betrifft in der Industrie insbesondere die energieintensiven Branchen. Die kostenseitige Verschlechterung der Standortbedingungen und die steigenden Unsicherheiten treffen die Branchen in Zeiten des Umbruchs und bei teilweise globalen Überkapazitäten. Höhere Kosten oder Kostenrisiken setzen sie weiter unter Druck. Schon in den letzten Jahren ist der Kapitalstock energieintensiver Branchen in vielen europäischen Ländern deutlich gesunken.

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Energieintensive Branchen in Europa unter Druck
Hubertus Bardt IW-Kurzbericht Nr. 52 8. August 2019

Energieintensive Branchen in Europa unter Druck

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die steigenden Anforderungen an einen effizienten Umgang mit Energie und der Druck zur Reduktion von Treibhausgasemissionen betrifft in der Industrie insbesondere die energieintensiven Branchen. Die kostenseitige Verschlechterung der Standortbedingungen und die steigenden Unsicherheiten treffen die Branchen in Zeiten des Umbruchs und bei teilweise globalen Überkapazitäten. Höhere Kosten oder Kostenrisiken setzen sie weiter unter Druck. Schon in den letzten Jahren ist der Kapitalstock energieintensiver Branchen in vielen europäischen Ländern deutlich gesunken.

Klimaschutz ist eine weltweite Aufgabe, weil alle globalen Treibhausgasemissionen zum Klimawandel beitragen. Die Kosten der Klimaschutzanstrengungen fallen daher vor Ort an, während der Nutzen sich weltweit verteilt. Ein ausreichendes Maß an Klimaschutz, von dem alle Länder profitieren, kann nur durch ein gemeinsames Vorgehen erreicht werden. Das Pariser Klimaschutzabkommen soll dazu beitragen, insbesondere von den wesentlichen Emittenten wie China, den USA und der EU Zusagen für anspruchsvollen Klimaschutz zu erreichen.

Auch wenn die prinzipiellen, langfristigen Klimaschutzziele festgeschrieben sind, werden die Maßnahmen unkoordiniert auf nationaler (oder europäischer) Ebene festgelegt. In der Konsequenz stehen unterschiedliche nationale Anspruchsniveaus, unterschiedliche Instrumente und unterschiedliche Preissignale nebeneinander. Damit werden für die Emission von Treibhausgasen unterschiedliche Kosten fällig, je nachdem, wo diese Emissionen entstehen. Unternehmen können damit den Anreiz bekommen, die Produktion entsprechend der Klimakosten zu optimieren und dort zu produzieren, wo diese relativ günstig sind. Unter Klimagesichtspunkten ist der Ort der Emission jedoch nicht relevant, für die jeweiligen Volkswirtschaften ist er hingegen von hoher Bedeutung.

Um eine Verschiebung der Produktion zu vermeiden, wurden bei vielen klimapolitischen Maßnahmen Vorkehrungen für besonders energieintensive Branchen getroffen, die im starken internationalen Wettbewerb stehen. Zu nennen sind insbesondere reduzierte Sätze bei Energiesteuern und EEG-Umlage, der kostenlosen Zuteilung von CO2-Zertifikaten und der Ausgleich für durch den Emissionshandel gestiegene Strompreise. Diese Maßnahmen und der in der Vergangenheit niedrige Preis für CO2-Zertifikate haben dazu geführt, dass keine systematische Abwanderung von energieintensiven Unternehme zu beobachten war. Empirische Analysen zeigen für die ersten Jahre des Emissionshandels auch keine entsprechenden Verlagerungen (aus dem Moore u.a., 2019; Koch / Bassa Mama).

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Betrachtet man die Entwicklung der energieintensiven Branchen in verschiedenen europäischen Ländern, ist vielfach ein Rückgang des Kapitalstocks zu verzeichnen. In Deutschland ist dieser Effekt zudem überdurchschnittlich stark. OECD-Daten zeigen für Deutschland einen Rückgang des Bruttoanlagevermögens in den energieintensiven Branchen um sieben Prozent zwischen 2010 und 2015. Lediglich Finnland hatte einen deutlicheren Rückgang des Kapitalstocks zu vermelden. Ein ähnliches Abschmelzen des Kapitalstocks wie in Deutschland gab es auch in Tschechien, während der Rückgang in Dänemark und dem Vereinigten Königreich deutlich niedriger war. In der Slowakei und Österreich stieg das Bruttoanlagevermögen der energieintensiven Branchen sogar an. Für die anderen europäischen Länder liegen keine vergleichbaren Daten für die gesamten energieintensiven Branchen vor.

In Finnland ist der negative Effekt vor allem auf den Rückgang der Papierindustrie um 19 Prozent zurückzuführen, was dort den größten Teil der energieintensiven Branchen ausmacht. Tschechien zeichnet sich durch Verluste bei der Metallerzeugung aus. In Deutschland gab es hingegen zweistellige Rückgänge in der Papier- und Baustoffindustrie. Aber auch in der Chemie und der Metallerzeugung sank der Kapitalstock um rund fünf Prozent.

In allen beobachteten Ländern haben sich die energieintensiven Industrien schwächer entwickelt als die gesamte Industrie. Der Abstand ist in den Ländern besonders groß, in denen sich der Kapitalstock der nicht-energieintensiven Branchen besonders positiv entwickelt hat. Aber auch in Deutschland, wo die nicht-energieintensiven Branchen mit einem Anstieg von einem Prozent gerade einmal einen stabilen Kapitalstock verzeichnen könnten, lag der Abstand der energieintensiven bei acht Prozentpunkten.

Die schwache Kapitalstockentwicklung der Branchen, die besonders viel Energie verbrauchen und die daher besonders von den Anforderungen der Energie- und Klimapolitik betroffen sind, ist kein rein deutsches Phänomen. Die Branchen, die wichtige Bestandteile der deutschen Wertschöpfungsketten sind, stehen aus verschiedenen Gründen unter Druck, der durch die klima- und energiepolitischen Vorgaben verstärkt wird (Heilmann / Kleibrink / Zoglauer, 2015).

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Hubertus Bardt: Energieintensive Branchen in Europa unter Druck

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