Für eine erfolgreiche Energiewende ist der zügige Ausbau von Photovoltaik (PV) eine Grundvoraussetzung. Auch wenn der Ausbau der Solarenergie derzeit besser als unter früheren Regierungen läuft, bleibt die Zielerreichung bis 2030 eine erhebliche Herausforderung.
Großes ungenutztes Potenzial beim Mieterstrom*
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Für eine erfolgreiche Energiewende ist der zügige Ausbau von Photovoltaik (PV) eine Grundvoraussetzung. Auch wenn der Ausbau der Solarenergie derzeit besser als unter früheren Regierungen läuft, bleibt die Zielerreichung bis 2030 eine erhebliche Herausforderung.
Große Potenziale bleiben ungenutzt. Insbesondere auf Dächern von Mehrfamilienhäusern werden zu wenige neue PV-Anlagen installiert. Ein zentrales Hemmnis stellen die Regelungen zum Mieterstrom dar. Ohne umfassende Reformen, die über das Solarpaket 1 hinausgehen, wird sich an dem Nischendasein des Mieterstroms nichts ändern.
2023 wurde ein Rekordzubau an Photovoltaik-Leistung erreicht. Trotz der zusätzlichen 14 GW liegt vor Deutschland noch ein steiler Weg zur Erreichung der Klimaschutzziele bis 2030 (BSW Solar, 2024). Bis Ende 2023 wurden etwa zwei Drittel der installierten Leistung auf Dächern verbaut (Ritter/Wingenbach, 2024). Auf neu errichteten Gebäuden gilt in etlichen Bundesländern bereits eine Solardachpflicht für Nichtwohngebäude, zunehmend auch für Wohngebäude, bundesweit soll laut Koalitionsvertrag jede geeignete Dachfläche für Solarenergie genutzt wer-den. Der große Hebel liegt aber nicht im Neubau, sondern im Bestand. Hier hat der Ausbau auf Dächern von Ein- und Zweifamilienhäusern, die in der Regel von den Eigentümern selbst bewohnt werden, in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen, insbesondere in Süddeutschland (KfW, 2024). Bei Mehrfamilienhäusern im Geschosswohnungsbau kommt der Ausbau hingegen kaum voran, was vor allem an divergierenden Eigentümer- und Mieterinteressen liegt, die durch die jetzigen Regelungen des Mieterstroms kaum zusammengebracht werden können.
Funktionsweise des Mieterstroms
Unter Mieterstrom versteht man die Bereitstellung von Strom für Mieter oder auch Selbstnutzer in einem Mehrparteienhaus, einer Wohnanlage oder einem Wohnquartier, der in unmittelbarer räumlicher Nähe produziert und nicht über die öffentlichen Netze geleitet wird. Dieser Strom wird meistens mit Photovoltaikanlagen auf dem Dach des Gebäudes erzeugt. Das Mieterstrommodell ermöglicht es Mietern, ihren Strom direkt vom Vermieter zu beziehen. Seit dem Jahr 2017 wird Mieterstrom durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit 1,65–2,64 Cent/KWh gefördert (§ 19 ff. EEG i.V.m Energiewirtschaftsgesetz, § 42a EnWG). Mit dem EEG 2023 wurden wichtige Verbesserungen verabschiedet – die Obergrenze für die maximale installierte Leistung wurde von 100 kWp auf 1000 kWp angehoben, was für bis zu ca. 350 Wohneinheiten reicht.
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Aktuelle Hemmnisse
Installiert ein Immobilieneigentümer oder ein gewerblicher Betreiber eine PV-Anlage auf einem Mehrfamilienhaus und speist die dort gewonnene Energie vollständig ins öffentliche Netz, dann können bei der aktuellen Einspeisevergütung von 10,79–12,87 Cent/kWh keine ausreichenden Erträge für eine nennenswerte Rendite erzielt werden. Bei der Vermarktung des Lokalstroms in einem Mieterstrommodell können jedoch Erträge bis zu 90 Prozent des in dem jeweiligen Netzgebiet geltenden Grundversorgungstarifs erzielt werden. Dies kann sowohl für Vermieter ein gewinnbringendes Geschäftsmodell sein als auch kostensparend für Mieter. Hierfür fehlen jedoch in vielen Bestandsgebäuden im Geschosswohnungsbau die Voraussetzungen. Technisch erfordert die sogenannte Drittbelieferung eine verbrauchsbezogene Abgrenzung zwischen eigenem PV-Strom und zusätzlich benötigtem Strom aus dem Netz. Um dies zu gewährleisten, sollen in Zukunft virtuelle Summen-zähler und Smart Meter die Regel sein. Wenn sich die Zähler in alten Gebäuden auf der jeweiligen Etage in den einzelnen Wohnungen befinden, werden zudem teure Umbaumaßnahmen erforderlich. Standards in der Zählermethode, eine vereinheitlichte Abrechnung und standardisierte Meldeprozesse bei den über 900 verschiedenen Netzbetreibern sind bisher bundesweit nicht gegeben und werden daher von verschiedenen Marktakteuren gefordert.
Als Folge dieser Hemmnisse wird Mieterstrom in vielen Häusern nicht angeboten. Die aktuelle Anzahl der für Mieterstrom gemeldeten Anlagen liegt im Mai 2024 laut Marktstammregister bundesweit bei knapp 9.000. Speziell bei Gebäuden mit wenigen Mietparteien gilt Mieterstrom als nicht wirtschaftlich, auch weil die Mieter bei der Wahl zur Abnahme des Mieterstroms nach dem sogenannten Kopplungsverbot Vertragsfreiheit genießen und sich gegen die Abnahme entscheiden können. Dadurch ergibt sich für den Mieterstromanbieter das Risiko erheblicher Ertragseinbußen.
Großes Marktpotenzial
Jedes Dach auf einem Mehrfamilienhaus in Deutschland sollte, wenn es dafür geeignet ist, in den nächsten Jahren mit einer PV-Anlage ausgerüstet werden, da hierfür nicht zusätzliche Flächen wie bei Windparks oder PV-Freiflächenanlagen notwendig sind und der Strom direkt vor Ort genutzt werden kann. Dabei müssen die steigenden Systemkosten durch Anreize für die netzdienliche Einspeisung der „Prosumer“ im Blick gehalten werden. Eine BMWK-Studie aus dem Jahr 2017 kommt auf 370.000 für Mieterstrom geeignete Wohngebäude mit rund 3,8 Millionen Wohnungen. Dieses Potenzial ist aber konservativ geschätzt, inzwischen haben sich sowohl am Markt als auch regulatorisch Änderungen ergeben. Aktuell ist es dank einer florierenden Start-Up-Szene möglich und lukrativ, den kompletten Bereich der Mehrfamilienhäuser abzudecken. Nach Neuberechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft unter Berücksichtigung der verbesserten regulatorischen Vorgaben bei Eigentümergemeinschaften ist das Maximalpotenzial deutlich nach oben zu korrigieren. Von den insgesamt 19 Millionen Mieterhaushalten in Mehrfamilienhäusern könnten bis zu 14,3 Millionen in 1,9 Millionen Gebäuden von Mieterstrom profitieren (Abbildung). Selbst wenn man Gebäude mit Eigentümergemeinschaften herausrechnet, liegt das Potenzial bei etwa 934.000 Gebäuden. Die Studie aus dem Jahr 2017 bezifferte das Zubaupotenzial auf 14 TWh. Durch die höhere Anzahl an Gebäuden ist das Potenzial für die Stromerzeugung mit 43 TWh zu veranschlagen. Angesichts der gesamten PV-Stromerzeugung von 61 TWh im Jahr 2023 (Fraunhofer ISE, 2024), wird das gesamte Potenzial des Mieterstroms und seine große Bedeutung für eine erfolgreiche Energiewende bewusst.
Erforderliche Reformen
In den letzten Jahren gab es einige Verbesserungen, die Mieterstrom attraktiver machen. Hierzu gehören insbesondere die Befreiung von der Umsatzsteuer auf Montage und Material der Solarpaneele, keine Einkommensteuer auf die Erträge aus der Einspeisevergütung sowie der Wegfall der EEG-Umlage im Jahr 2023. In den nächsten Jahren wird die ab 2026 geltende Pflicht für den Einbau fernablesebarer Stromzähler (Heizkostenverordnung) die technischen Voraussetzungen für die Realisierung von Mieterstrom deutlich verbessern. Liegt ein sogenannter Smart Meter Gateway vor, können die Betreiber zwei unterschiedliche Stromtarife (für PV- und Reststrom) anbieten, und so ihr Risiko einer zu geringen Leistungsfähigkeit der PV-Anlage minimieren. Eine bundesweit einheitliche Abwicklung der Prozesse zwischen Mieterstromanbietern, Netzbetreibern und Messstellenbetreibern ist jedoch weiterhin essenziell. Die Planung von Mieterstrom darf kein maßgeschneidertes Projekt sein, sondern sollte standardisiert und bundesweit einheitlich umsetzbar sein. Grundsätzlich sollte auch die Vergütungslogik umgekehrt werden – eine Volleinspeisung wird im Moment höher entlohnt als die Überschussteileinspeisung. Dadurch werden in Mieterstromprojekten kleinere Anlagen als möglich gebaut und wertvoller Platz auf Dachflächen verschenkt.
Ein großes Potenzial stellt in diesem Zusammenhang die Regulatorik dar, die für alle Parteien in einem Gebäude klarere Verhältnisse schaffen sollte. Die größte Herausforderung ist im Mehrfamilienhaus-Segment der Entscheidungsprozess. Wichtig ist, dass Wohnungseigentümergemeinschaften den Strom aus der PV-Anlage auf dem eigenen Dach direkt an die Bewohner im Gebäude weitergeben können. Großes Risiko resultiert hierbei unter anderem geringen Mitmachquoten im Haus. Das Modell der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung sollte hier der Standard werden, da der bürokratische Aufwand durch den Wegfall der Lieferantenpflicht sinkt. Um die Transaktionskosten des Wechselprozesses weiter zu senken und die Mitmachquoten der Mieter zu erhöhen, sollte die Vertragsfreiheit zukünftig auf Basis der Widerspruchslösung bestehen.
*Die Veröffentlichung entstand im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne, welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird (https://ariadneprojekt.de).
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