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Christian Oberst / Michael Voigtländer IW-Kurzbericht Nr. 89 27. Juli 2020 Gewerbemieten trotzen bislang der Corona-Pandemie

Der Gewerbeimmobilienmarkt zeigt sich bislang unbeeindruckt von der Krise, ein Preiseinbruch blieb im 1. Halbjahr aus. Gleichzeitig setzt sich der Trend fort, dass sich die Märkte weiter ausdifferenzieren. Dies zeigen die Daten des GIMX (Gewerbeimmobilienindex von ImmoScout24 Gewerbe und IW) für das 1. Halbjahr 2020.

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Gewerbemieten trotzen bislang der Corona-Pandemie
Christian Oberst / Michael Voigtländer IW-Kurzbericht Nr. 89 27. Juli 2020

Gewerbemieten trotzen bislang der Corona-Pandemie

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Der Gewerbeimmobilienmarkt zeigt sich bislang unbeeindruckt von der Krise, ein Preiseinbruch blieb im 1. Halbjahr aus. Gleichzeitig setzt sich der Trend fort, dass sich die Märkte weiter ausdifferenzieren. Dies zeigen die Daten des GIMX (Gewerbeimmobilienindex von ImmoScout24 Gewerbe und IW) für das 1. Halbjahr 2020.

Während sich die Mietpreise auf dem Büromarkt stabil entwickeln, gibt es im Einzelhandelsmarkt sehr unterschiedliche Bewegungen. Ursächlich für die bisherige Stabilität des Mietangebots von Gewerbeimmobilien könnte unter anderem das Angebotsverhalten der Vermieter sein.

Insgesamt deutlich eingetrübter ist die Lage im Einzelhandelsmarkt. Hier setzt sich der Trend fort, der bereits vor der Corona-Pandemie zu sehen war. In Köln, Leipzig und München sind die Einzelhandelsmieten im 1. Halbjahr um mehr als 6 Prozent zurückgegangen, und auch in Berlin lag der Zuwachs unter 1 Prozent. Andererseits liegt das Wachstum der Einzelhandelsmieten in Hamburg, Frankfurt und Dresden mit etwa 6 Prozent (annualisiert) über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Besonders auffällig im letzten Halbjahr ist die Entwicklung in Düsseldorf. In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt legten die Mieten im Einzelhandel um 14,5 Prozent zu. Dabei dürfte es sich vor allem um Nachholeffekte bzw. Anpassungen zu Preisreduktionen in den Vorjahren 2018 und 2019 handeln. Zudem ist auffällig, dass die Zahl der Angebote im Vergleich zu den Vorjahresquartalen gesunken ist, was generell die Volatilität in unterjährigen Betrachtungen erhöht. Insbesondere in Stuttgart, Hannover, Dortmund und Essen hat sich Zahl der angebotenen Einzelhandelsobjekte im Vergleich zum Vorjahr reduziert. Die Punktschätzer für die prozentuale Veränderung für Einzelhandelsimmobilien im letzten Halbjahr wurde für diese Standorte nicht mit abgebildet, da die Beobachtungsanzahl im Vergleich zu den anderen untersuchten Standorten geringer ausfällt und sich insbesondere die Varianz bei zentralen erklärenden Variablen reduziert hat. Grundsätzlich lässt sich jedoch festhalten, dass die Mieten der angebotenen Einzelhandelsobjekte in Stuttgart deutlich gestiegen sind und diese sich auf zentrale Lagen fokussieren. In Essen sind die Angebotsmieten nach unterdurchschnittlichen Anstiegen in der Vergangenheit zuletzt wieder etwas stärker gewachsen. In Hannover und Dortmund ist das angebotene Mietniveau hingegen geringfügig gesunken.

Infolge der Corona-Pandemie, so prognostiziert das IW, sinkt das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr voraussichtlich um deutlich mehr als 6 Prozent, die Arbeitslosenquote dürfte von 5 auf rund 6,5 Prozent steigen (siehe etwa die IW-Konjunkturprognose im Mai von Bardt et al., 2020). Wie sich diese Entwicklung konkret auf die Immobilienmärkte auswirkt, bleibt abzuwarten. Insbesondere bei Bestandshaltern von Gewerbeimmobilien ist die Stimmung zuletzt deutlich eingetrübt gewesen, so rechnen die meisten von ihnen mit Preisrückgängen innerhalb der nächsten zwölf Monate (Voigtländer, 2020a). Im ersten Halbjahr 2020 blieben die angebotenen Gewerbemieten an den zwölf untersuchten führenden Standorten aber weitestgehend stabil.

Dies gilt insbesondere für den Büromarkt. An neun Standorten gab es Zuwächse von mehr als 2 Prozent. Besonders stark ausgeprägt waren diese in Köln (+7,1 Prozent), Leipzig (+5,8 Prozent) und München (+4,6 Prozent). In Dresden dagegen stagnierte das Mietniveau bei einer geschätzten Preisentwicklung von 0,2 Prozent und auch der Standort Düsseldorf weist mit 1,3 Prozent eine vergleichsweise moderate Entwicklung auf. Ausgenommen von der positiven Entwicklung ist Dortmund. Hier sind die Büromieten im 1. Halbjahr 2020 geringfügig um 1,2 Prozent gesunken.

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Betrachtet wird jeweils das halbjährliche Wachstum der Büromieten. Rechnet man dies auf ein Jahr hoch, würde sich für neun der zwölf betrachteten Städte ein stärkeres Mietpreiswachstum als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre ergeben. Auch wenn man nur das 2. Quartal betrachtet, ändert sich die Bewertung nicht grundlegend. Allerdings weisen dann Stuttgart, München und Hamburg leichte Rückgänge der Mieten auf, in Düsseldorf, Köln und Dortmund stagnierten die Mieten. In Dortmund erfolgte demnach eine Preisanpassung im 1. Quartal 2020 nach deutlichen Anstiegen im 2. Halbjahr 2019. Insgesamt zeigt eine Quartalsauswertung, dass die hohen Zuwächse im 1. Halbjahr vor allem durch das starke 1. Quartal getragen werden. Im 2. Quartal entwickelten sich die Angebotsmieten dagegen wesentlich moderater, aber zumeist nicht negativ. Ein Einbruch durch die Folgen der Corona-Pandemie ist demnach noch nicht erkennbar.

Die Ergebnisse können angesichts der Stärke des wirtschaftlichen Einbruchs überraschen und widersprechen auf den ersten Blick auch Szenario-Analysen wie von Voigtländer (2020b) für den Büromarkt. Die mittel- und langfristigen Entwicklungen im Immobilienmarkt bleiben aber abzuwarten und werden erst in den kommenden Monaten beginnen, sich zu zeigen. Positiv kann sich auswirken, dass zumindest kurzfristig der Flächenbedarf aufgrund der Abstandsregeln hoch bleibt. Längerfristig können Insolvenzen insbesondere den Einzelhandelsmarkt bedrohen, gerade wenn Kurzarbeiterregelungen auslaufen. Im Büromarkt könnten durch Digitalisierung Stellen abgebaut und zumindest teilweise ins häusliche Arbeitszimmer verlagert werden. In welchem Umfang dies geschieht, muss sich aber erst noch zeigen. Außerdem ist zu beachten, dass Angebotspreise dem Immobilienzyklus im Abschwung vermutlich hinterher hängen. Schließlich werden Eigentümer zunächst versuchen, die Immobilien zu möglichst hohen Mieten zu inserieren, gegebenenfalls bei einer konkreten Verhandlung aber mietfreie Monate, zusätzliche Investitionen oder andere Incentives anbieten. Erst im letzten Schritt werden Vermieter dann auch zu geringeren Mieten inserieren.

Die Ergebnisse geben dennoch Hoffnung, dass der Gewerbeimmobilienmarkt besser durch die Krise kommt, als vielleicht zunächst vermutet. Entscheidend für die Eigentümer wird es sein, nicht nur den konjunkturellen Einbruch zu verkraften, sondern die Nutzbarkeit der Immobilien bei strukturellen Veränderungen wie der fortschreitenden Digitalisierung (Online-Handel, Home­office) unter Beweis zu stellen.

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Der GIMX ist ein Gemeinschaftsprojekt der Immobilien Scout GmbH und dem Institut der deutschen Wirtschaft. Der GIMX Index basiert auf dem methodischen Vorgehen von Deschermeier et al. (2014) und zeichnet die Preisentwicklung unter Anwendung der hedonischen Methode nach, die sich als gängiger Standard der Immobilienpreisbeobachtung etabliert hat. Dabei werden mittels Regressionsverfahren qualitätsbedingte Preisveränderungen ausgeschlossen. Zu Beginn des Jahres 2020 wurde das hedonische Preismodell des GIMX erstmals in Form des räumlich-ökonometrischen Spatial Durbin Error Modells (SDEM) geschätzt (Oberst/Voigtländer, 2020). Im SDEM werden neben individuellen Objekteigenschaften auch die räumliche Lage der erklärenden Variablen, also die durchschnittlichen Objekt- und Lageeigenschaften von benachbarten Gewerbeimmobilien, und ein räumlicher Fehlerprozess, also der durchschnittliche Prognosefehler bei benachbarten Gewerbeobjekten, berücksichtigt. So wird das SDEM den spezifischen Anforderungen an die kleinteiligen räumlichen Nachbarschafts- und Lageeffekte auf den Immobilienmärkten besser gerecht. Datengrundlage für die Analyse sind inserierte Gewerbeobjekte, wodurch im GIMX im Vergleich zu anderen Datenangeboten auch der kleinteiligere Gewerbeimmobilienmarkt Berücksichtigung findet. Aufgrund möglicher Präferenzverschiebungen infolge der Corona-Krise haben wir uns darüber hinaus entschieden, die hedonischen Modelle für den GIMX jeweils für benachbarte Perioden separat zu schätzen (Adjacent-Period-Methode, Triplett, 2006, die auch beim Industrieimmobilienindex IWIP genutzt wird, Henger et al., 2018).

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Oberst, Christian / Voigtländer, Michael: Gewerbemieten trotzen bislang der Corona-Pandemie

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