Lange war die Hauptstadt im Vergleich zur restlichen Republik ein wirtschaftlicher Bremsklotz. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass das nicht mehr der Fall ist: Im vergangenen Jahr erwirtschafteten die Berliner rund fünf Prozent mehr als der Bundesschnitt.

„Arm, aber sexy“ war einmal
Anfang des Jahrtausends schuf der damalige Berliner Oberbürgermeister Klaus Wowereit mit dem Satz „Wir sind zwar arm, aber trotzdem sexy“ einen Werbeslogan für die Hauptstadt. Eine neue IW-Studie zeigt, dass das zumindest im deutschlandweiten Vergleich seit 2018 nicht mehr zutrifft. Im vergangenen Jahr betrug das BIP pro Kopf, also der Betrag, den jeder Berliner durchschnittlich zur Wirtschaftskraft beiträgt, knapp über 42.000 Euro. Damit lag die Wirtschaftskraft der Berliner um mehr als fünf Prozent über dem Bundesschnitt. Grundlage für die Berechnung sind Daten des Statistischen Bundesamtes und der statistischen Ämter der Länder.
Früher ein Underperformer
Die rasante wirtschaftliche Entwicklung wird bei einem Blick in die jüngste Vergangenheit deutlich. Lange galt Berlin zwar als attraktiv und kulturell dynamisch, doch wirtschaftlich erfolgreich waren die Hauptstädter nie. Im Jahr 2017 wäre das BIP pro Kopf für Gesamtdeutschland sogar höher ausgefallen, hätte man die Berliner aus der Rechnung gestrichen. Mit Blick auf andere europäische Hauptstädte hat Berlin damit schon immer eine Sonderrolle eingenommen: Stockholm, Lissabon, London, Kopenhagen oder Paris etwa sind wirtschaftliche Zugpferde ihrer Volkswirtschaften. Zwar hat auch die Corona-Pandemie den Aufwärtstrend nicht gestoppt: Vor allem das Baugewerbe in Berlin boomte auch während der Lockdowns und stabilisierte so die Entwicklung. Trotzdem wird Berlin noch lange nicht die Bedeutung erlangen, die vielen europäischen Hauptstädten an der Spitze ihrer Volkswirtschaften traditionell zukommt.
Hessen ist in Reichweite
Mit Hamburg, Bayern, Bremen, Baden-Württemberg und Hessen liegt noch immer eine ganze Gruppe vor Berlin. Hessen, das zuletzt ein BIP pro Kopf von 44.800 Euro erzielte, rückt jedoch zunehmend in Reichweite. Die jüngste Berliner Erfolgsstory geht dabei weit über den besonders gefragten Bausektor hinaus: „Es ist nicht die eine Branche, die für das starke Wachstum verantwortlich ist“, sagt IW-Direktor Michael Hüther. „Vielmehr basiert das deutsche Geschäftsmodell auf vielen unterschiedlichen Säulen. Dass die Hauptstadt nun ihre untergeordnete Rolle ablegt, zeigt, wie vielseitig sich die Wachstumskerne der deutschen Wirtschaft entwickeln.“

Berliner Wirtschaftskraft: resilient und sexy?
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

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