Das Statistische Bundesamt hat heute neue Zahlen zum Verdienstunterschied von Frauen und Männern für die Jahre 2018 und 2019 vorgelegt. Die durchschnittliche Entgeltlücke hat sich demnach kaum verändert. Viel aussagekräftiger ist allerdings ein Blick auf die Struktur der Entgeltlücke.

Entgeltunterschied von Frauen und Männern: Zusammensetzung der Verdienstlücke entscheidend
Alle vier Jahre wird die sogenannte Verdienststrukturerhebung durchgeführt – zuletzt für das Jahr 2018. Das Statistische Bundesamt hat auf Basis dieser Daten die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern berechnet: Sie liegt bei rund 20 Prozent und hat sich damit in den vergangenen Jahren nur wenig geändert. Allein der Blick auf diese eine Zahl hat jedoch wenig Sinn, da der Lohnunterschied viele Ursachen haben kann.
Berufs- und Branchenwahl entscheidet
Da die Erhebung viele lohnbezogene Informationen bereitstellt, hat das Statistische Bundesamt auch eine Zerlegung der Entgeltlücke vorgenommen. Diese gibt einerseits Auskunft über die Zusammensetzung der Lohnlücke und zeigt auf, wie viel die einzelnen Merkmale dazu beitragen. Demnach wäre die Lohnlücke deutlich geringer, wenn sich Frauen und Männer unter anderem bei der Berufs- und Branchenwahl, dem Beschäftigungsumfang und der Vertretung in Führungspositionen nicht unterscheiden würden.
Zum anderen zeigt die Zerlegung die verbleibende oder bereinigte Entgeltlücke. Diese gibt an, wie groß die Lücke wäre, wenn sich Frauen und Männer bei den lohnrelevanten Merkmalen gerade nicht unterscheiden würden. Laut Statistischem Bundesamt beträgt die bereinigte Lohnlücke etwa sechs Prozent im Jahr 2018 und fällt demnach etwas höher aus als die zuletzt vom IW im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. ermittelte (bereinigte) Entgeltlücke, die auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels berechnet wurde. Sie beträgt 5,3 Prozent.
Kein verlässlicher Indikator für Benachteiligung
Die bereinigte Entgeltlücke ist aber letztlich kein verlässlicher Indikator für eine mögliche Benachteiligung. Je mehr lohnbestimmende Informationen zur Verfügung stehen, desto geringer dürfte diese Lücke ausfallen. Da jedoch nicht alle denkbaren Faktoren vorliegen oder erfasst werden können, könnten beispielsweise auch fehlende Details zu Tätigkeitsanforderungen, Führungspositionen oder Erwerbsunterbrechungen eine Rolle spielen – oder auch unterschiedliche Verhandlungsstrategien in Gehaltsgesprächen oder Präferenzunterschiede bei berufsbezogenen Merkmalen. Um die Entgeltlücke zu reduzieren, empfiehlt es sich daher, den Fokus auf die Struktur der Entgeltlücke zu richten - und damit auf jene Faktoren, die nachweisbar einen Einfluss haben.

Streiks: „Wir haben hier keine französischen Verhältnisse“
Im Moment werde in Deutschland mehr und spürbarer gestreikt, sagt IW-Experte für Tarifpolitik Hagen Lesch im Gespräch mit dem WDR. Es handele sich aber nicht um französische Verhältnisse, sondern um ganz normale Tarifauseinandersetzungen.
IW
Tarifpolitischer Bericht 2. Halbjahr 2022: Konzertiert gegen die Lohn-Preis-Spirale
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen durch die hohe Inflation verlief das erste Halbjahr 2022 vergleichsweise harmonisch (Lesch, 2022a). Dieser Trend setzte auch im zweiten Halbjahr fort.
IW