Kurzfristig sind neue Schulden beim Bund nicht zu vermeiden, sagt Tobias Hentze, Experte für Finanzpolitik des Instituts der deutschen Wirtschaft im Interview mit dem SWP.

Schuldenbremse: „Richtig reagiert“
Das IW hat schon vor der Corona-Krise gefordert, der Bund solle die Schuldenbremse aufgeben und viel mehr investieren. Gilt das auch in Corona-Zeiten?
Vor der Krise ging es darum, Schulden zu erlauben, damit der Staat mehr investieren kann, was das IW für dringend erforderlich hält. Jetzt in der Krise ist das Motiv ein anderes: kurzfristig Unternehmen zu helfen und die Wirtschaft in Gang zu bringen, etwa durch die Senkung der Mehrwertsteuer, und so eine tiefe Rezession zumindest abzuschwächen.
Ist das auch der richtige Weg?
Der Staat hat in den vergangenen Monaten absolut richtig reagiert. Er ist eingesprungen für die Marktkräfte, die ausgefallen sind. In einer so außergewöhnlichen Situation ist das vermutlich der einzige Weg, der funktioniert. Wichtig ist aber: Wenn sich die Wirtschaftslage wieder halbwegs normalisiert, muss der Staat diese kurzfristigen Hilfen auch wieder beenden.
Scholz will die zusätzlichen Schulden ab 2023 tilgen. Ist das zu schaffen, oder muss er zu viel sparen?
Voraussetzung ist, dass es wieder ein ordentliches Wirtschaftswachstum gibt. Der Arbeitsmarkt muss florieren und dadurch die Steuereinnahmen wieder deutlich wachsen. Dann sollte es das ambitionierte Ziel der Regierung sein, die Tilgungsversprechen auch einzuhalten.
Ist die Schuldenbremse grundsätzlich sinnvoll, oder hätte man auf sie besser verzichtet?
Die Schuldenbremse hat zwei Seiten. Einerseits hat sie zu einer Disziplinierung der Politik beim Geldausgeben geführt, auch auf Ebene der Bundesländer. Andererseits ist sie sehr starr ausgestaltet. Das ist die Schattenseite: Sie erlaubt es nicht, flexibel zu reagieren. Es wäre sinnvoll gewesen, flexiblere Elemente einzubauen, um insbesondere mehr Investitionen zu ermöglichen. Das sollte geändert werden.
Manche meinen, der Staat könne sich unbegrenzt verschulden, gerade angesichts der Niedrigzinsen. Sehen Sie das auch so?
Auch in Zeiten von Minizinsen darf man nicht vergessen, dass Schulden zurückgezahlt werden müssen. Daher sollten sie nur für sehr elementare Dinge aufgenommen werden. Wenn man investiert, sollte es auch Rückflüsse geben. Dann machen Schulden Sinn.
Zum Interview auf swp.de
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