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Nachhaltige Energie. Solar- und Windkraftanlagen. Nachhaltige Ressourcen. Solar, Windkraft. Erneuerbare Energie. Nachhaltige Entwicklung. Photovoltaik-Panel. Ökostrom. Alternative Stromquelle.
Michael Hüther / Ottmar Edenhofer auf ZEIT online Gastbeitrag 28. Januar 2025

Klimapolitik: Klimaschutz hilft dem Standort!

Die Klimaziele zu hinterfragen, ist ein schwerer Fehler: Die Unternehmen haben ihre Strategien längst daran ausgerichtet. Ein Plädoyer von IW-Direktor Michael Hüther zusammen mit Ottmar Edenhofer, Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung für ZEIT online.

Anders als vor drei Jahren steht im Bundestagswahlkampf 2024 das Thema Klimapolitik nicht im Vordergrund. Die anhaltende Stagnation der deutschen Volkswirtschaft macht einen strukturellen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit unübersehbar. Zugleich vergrößern sich die Schäden eines ungebremsten Klimawandels gewaltig: Waldbrände, Dürren, Überschwemmungen sind lediglich die medial sichtbarsten Wirkungen. Weniger offenkundig sind die gewaltigen Produktivitätseinbrüche, die durch steigende Mitteltemperaturen hervorgerufen werden. Der Klimawandel selbst ist ein Wohlstandsrisiko geworden. Angesichts dessen ist die entscheidende Frage: Wie kann der Wohlstand gesichert und zugleich eine nachhaltige wirtschaftliche Dynamik entfaltet werden?

Es geht um einen Strukturwandel per Termin – zur Mitte des Jahrhunderts. Das deutsche Klimagesetz, die europäischen Regeln und das Pariser Abkommen setzen Zeitziele und Grenzwerte. Darüber sollte kein neuer parteipolitischer Streit entbrennen. Die Größe der Herausforderung ergibt sich aus der historischen Dimension: Nach zweihundert Jahren Industrialisierung auf Basis der fossilen Energieträger geht es um den Umstieg auf eine klimaneutrale soziale Marktwirtschaft. Aber: Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Transformation zur Klimaneutralität müssen Hand in Hand gehen.

Der CO₂-Preis muss Leitinstrument bleiben

Die Orientierungslosigkeit in der Klimapolitik und damit verbundene Unsicherheit in der Wirtschaft ergeben sich aus der vermeintlich scharfen Gegensätzlichkeit einer Politik nach dem Grundsatz "der CO₂-Preis regelt alles" sowie industriepolitischen Ansätzen. Darin muss aber kein Widerspruch angelegt sein, vielmehr die Frage, was ordnungspolitisch die angemessene Rahmung für die notwendige Industriepolitik ist: Dabei sollte der CO₂-Preis das Leitinstrument sein, weil er Emissionen effektiv reduziert und zugleich Einnahmen generiert, die dafür verwendet werden können, die Verlierer des Strukturwandels zu kompensieren.

Die Transformation der deutschen Wirtschaft wird aber nicht ohne Strukturbrüche und Zumutungen stattfinden können. Ein Weiter-So führt sichtbar zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung, da die Nachfrage nach konventionellen Produkten aus Deutschland sinkt. Zugleich verändern grüne Technologien die internationale Arbeitsteilung: etwa das Produzieren industrieller Vorprodukte mit fossilfrei produziertem Wasserstoff, was im sonnenreichen Südeuropa naturgemäß billiger ist. Schon jetzt hat Deutschland bei der Produktion von Ammoniak, Eisenschwamm und Methanol kaum mehr Kostenvorteile, das wird sich bei weiter steigender CO₂-Bepreisung verstärken. Wir werden diese Vorprodukte importieren und unsere Wertschöpfungsketten neu konfigurieren müssen, um Standorte für die energieintensive Industrie zu erhalten. Wir müssen in Zukunftsmärkten wachsen und nicht zuletzt in der Entwicklung klimafreundlicher Technologien.

Klimapolitik und Standortpolitik gehören zusammen

Der Druck, konsequent klimapolitisch zu handeln, ist offenkundig. Angesichts fehlender Zeitreserven und angesichts bereits jetzt mangelnder Produktivitätsreserven in einer alternden Gesellschaft müssen Klimapolitik und Standortpolitik zusammenwirken, sie sind zwei Seiten einer Medaille. Die internationale Attraktivität des Standorts für Investitionen ist Voraussetzung für die allgemeine Modernisierung des Kapitalstocks und konkrete Klimaschutzinvestitionen.

Die Chance liegt angesichts der globalen Konvergenz klimapolitischer Anstrengungen umso mehr in der europäischen Kooperation, wie sie im Bericht von Mario Draghi zur Lage der Wettbewerbsfähigkeit in der Europäischen Union skizziert wurden: EU-Märkte für Energie, für Technologie, für Innovationen, für Kapital sowie gemeinsame Investitionen und eine europäische Verteidigungsunion. Dazu gehört auch, dass wir uns durch komplizierte Regulierungen den Zugang zu digitalen Innovationen, wie etwa bei künstlicher Intelligenz, nicht verbauen, indem wir Anbieter aus der EU vergraulen. Europa muss in Fragen der Regulierung pragmatischer und unbürokratischer werden, ohne auch nur einen Hauch von Zweifel an den großen politischen Leitlinien zu lassen.

Für die Transformation muss nicht nur jede und jeder etwas leisten, sondern bereit sein, Gewohnheiten zu überdenken, Prioritäten neu zu setzen und sich auf Veränderungen einzulassen. Das wirkt deshalb schwer im gesellschaftlichen und politischen Diskurs, weil die Überforderung einer Generation droht, der Transformationsgeneration. Aus deren Einkommen, Arbeitskraft und Ressourcen sind wichtige Neuerungen und Anpassungen zu leisten. Gleichzeitig müssen die zusätzlichen Ausgaben für die Sicherheit geschultert und die Folgen der demografischen Alterung getragen werden.

Die Politik muss überzeugend Erwartungen für die Standortqualität wecken und vor allem – angebotspolitisch zentral – stabilisieren. Die unternehmerischen Anpassungen sind mit kapitalintensiven Investitionen verbunden, die eine mittel- bis langfristig stabile Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen erfordern. Für den laufenden Bundestagswahlkampf kann Orientierung entstehen, wenn man an einigen Aspekten festhält. Zu einem solchen klimapolitischen Grundkonsens sollten folgende Elemente gehören:

  • Die deutschen und europäischen Klimaziele zur Mitte des Jahrhunderts werden nicht infrage gestellt. Unternehmen haben ihre Dekarbonisierungsstrategien an Klimazielen ausgerichtet. Es braucht keine Zieldebatten, sondern eine Umsetzungsoffensive. Die Anstrengungen für internationale Kooperation und Standards in Form eines Klimaclubs werden trotz Gegenwind weiter vorangetrieben.
  • Die europäische Klimapolitik wird durch den Zertifikatehandel (ETS 1 und ab 2027 ETS 2) gerahmt und damit zentral über den CO₂-Preis gesteuert. In Kombination mit einer guten sozialen Abfederung für private Haushalte sowie mit einer Unterstützung für Unternehmen bei Sprunginvestitionen muss das politische Vertrauen in die Wirkung des ETS-Systems langfristig bestätigt werden. Die CO₂-Entnahme kann in den europäischen Emissionshandel so integriert werden, dass ambitionierte Klimaziele erreichbar bleiben.
  • Es gibt Marktverzerrungen, etwa durch die international selektive und stark unterschiedliche CO₂-Bepreisung. Aber auch durch deutliche Anlaufschwierigkeiten beim Hochlauf klimafreundlicher Energieträger, etwa grüner Wasserstoff oder nachhaltige Flugkraftstoffe. Vor diesem Hintergrund lässt sich ordnungspolitisch, insbesondere in energieintensiven Branchen, eine zeitlich begrenzte Industriepolitik begründen.
  • Der Grundsatz der Technologieoffenheit erfordert eine umfassende Forschungsagenda und Forschungsförderung (etwa beim Thema Feststoffbatterien, bei der Elektrifizierung industrieller Prozesse, bei Technologien zur Abscheidung von CO₂, aber auch bei der Kernfusion, die in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts einen Beitrag leisten könnte). Man sollte aber das Risiko ernst nehmen, dass unter dem Vorwand der Technologieoffenheit wichtige Entscheidungen – etwa der Ausbau von Ladeinfrastrukturen – nicht getroffen werden.
  • Die Verlässlichkeit einer wettbewerbsfähigen Energieversorgung muss vorrangig über den integrierten Ausbau der erneuerbaren Energien, der Verteilnetze, flexibler Reservekraftwerke (wasserstofffähige Gaskraftwerke) sowie Speicher erfolgen. Dafür müssen synchron wichtige Reformen kommen, die die Energiewende effizienter und marktorientiert in einem zukunftsfähigen Strommarktdesign umsetzen.

Die Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand ist eine zentrale Aufgabe der Politik. Beides ist bedroht durch ineffiziente Arbeits- und Kapitalmärkte, durch Überalterung und Fachkräftemangel, durch neue geopolitische Risiken und durch Schäden infolge der bislang ungebremsten Erderhitzung. Im Angesicht dieser multiplen Herausforderung sollte der klimapolitische Konsens, den Deutschland in der vergangenen Dekade errungen hat, nicht infrage gestellt, sondern bekräftigt werden. Klimapolitik muss so gestaltet werden, dass die deutsche Wirtschaft gestärkt wird und von den Chancen auf neuen Märkten profitiert. Das ist möglich, wenn Deutschland die Energiewende europäisch verwirklicht und in der Klimapolitik die internationale Kooperation vorantreibt.

Zum Gastbeitrag auf zeit.de

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