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Michael Hüther im Focus Gastbeitrag 10. August 2015

Ist Deutschland zu stark für die anderen Europäer?

Unsere Exportüberschüsse seien schuld an der Krise in Europa, lautet ein populärer Vorwurf. Das ist Unsinn, schreibt IW-Direktor Michael Hüther im Focus. Niemandem in Europa ginge es besser, wenn unser Export schwächelt.

Der deutsche Export entwickelt sich gut, und das seit geraumer Zeit. In Europa löst das bei manchem Argwohn aus. Schon vor fünf Jahren forderte die damalige französische Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde, Deutschland solle seine Löhne stärker erhöhen, um den Partnern in Europa durch höhere Importe zu helfen. Vor gut einem Jahr argumentierte die EU-Kommission ganz ähnlich: Angesichts der enormen Exportüberschüsse solle Berlin gegensteuern – zum Wohle der gesamteuropäischen Stabilität. Die anhaltenden Überschüsse seien ein Zeichen für eine langfristige Stagnation der Binnenwirtschaft.

Verursacht Deutschland tatsächlich die Schwäche der anderen? Woher kommt die Exportstärke?

Durch eine Strategie des Lohndumpings, also einer gezielten Niedriglohnstrategie, ist das nicht zu erklären. Im Gegenteil: Deutschland ist unverändert ein Hochlohnland, die industriellen Arbeitskosten je Stunde liegen im europäischen Vergleich auf Platz sechs, nur Norwegen, die Schweiz, Belgien, Schweden und Dänemark sind teurer. Berücksichtigt man die unterschiedliche Leistungsfähigkeit, dann verändert sich das Bild nicht. Die deutsche Industrie weist im internationalen Vergleich das vierthöchste Lohnstückkostenniveau auf. Nur in Großbritannien, Italien und Norwegen sind die Arbeitskosten in Relation zur Wirtschaftsleistung noch höher als in Deutschland.

Wer sich den deutschen Export sowohl in seiner Zusammensetzung nach Gütern als auch hinsichtlich seiner Zielregionen anschaut, der kann erkennen, wo die Ursachen der Ausfuhrstärke liegen. Deutschland ist der Ausstatter der Welt mit Maschinen und Anlagen, mit chemischen Erzeugnissen, mit Automobilen aller Art. Die vielen Hidden Champions haben ihre Position als Weltmarktführer durch die Verbindung von industrieller Fertigkeit und kundenorientierter Dienstleistung erarbeitet.

So erklärt sich der Erfolg der deutschen Exporteure vor allem aus dem spezifischen Geschäftsmodell, das sowohl durch Innovationskraft als auch durch Kosteneffizienz gekennzeichnet ist. Die daraus resultierende Fähigkeit zur kundenspezifischen Problemlösung verschafft zumindest zeitweise eine Marktstellung, die weniger preissensibel ist. Dort, wo der Erfolg allein am Preis hängt, hat die deutsche Wirtschaft nicht die Basis für ihren Erfolg. Niemandem in Europa ginge es besser, wenn unser Export schwächelt. Da der Anteil der deutschen Ausfuhren an Länder außerhalb der Europäischen Union in den letzten Jahren weiter angestiegen ist, zieht die deutsche Wirtschaft dadurch Einkommen aus der Welt nach Europa. Über die aus den europäischen Partnerländern bezogenen Vorleistungen strahlt dies dorthin aus. Die deutschen Exporte in die Europäische Union folgen der Arbeitsteilung, die sich aus der Spezialisierung der Volkswirtschaften erklärt. Jedenfalls ist niemand gezwungen, deutsche Produkte zu erwerben, und unsere Unternehmen verkaufen ihre Leistungen nicht mit vorgehaltener Waffe.

Der starke Export hat über die Industrie und die industrienahen Dienstleister die Beschäftigung gesteigert und das Arbeitsplatzrisiko dramatisch verringert. Das aber ist ein entscheidender Faktor für die Konsumausgaben. Erst so hat sich der private Konsum seit der Krise 2009 deutlich und nachhaltig erhöht. Wenn sich die Importe aus einigen europäischen Ländern dennoch verhalten entwickeln, so liegt das an der erst langsam sich wieder verbessernden Wettbewerbsfähigkeit dieser Volkswirtschaften. Insofern gilt: Helfen kann man durch eine dynamische Binnenwirtschaft nur jenen Partnern, die ihre eigenen Probleme konsequent zu lösen versuchen. Portugal, Spanien und Irland zeigen, wie es gehen kann.

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