Ökonomie ist nicht nur schwarz und weiß, erst recht nicht in diesen verworrenen Zeiten. Doch es fehlen die Instrumente, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, schreibt IW-Direktor Michael Hüther in einem Gastkommentar für das Handelsblatt.
Bundestagswahl: Die große Leere in den Wahlprogrammen
Wenigstens eins ermutigt an diesem Wahlkampf: Angesichts der seit Anfang 2022 seitwärts laufenden Volkswirtschaft ohne Aussicht auf Besserung ist Wettbewerbsfähigkeit das Thema Nummer eins. Vergeblich sucht man indes in den Wahlprogrammen nach den Instrumenten, die angesichts des Ursachengeflechts nötig wären. Die deutsche Industrie als volkswirtschaftlicher Taktgeber befindet sich seit 2018 in einer strukturellen Krise; die Industrieproduktion schrumpft, die Bruttowertschöpfung stagniert.
Seitdem wirkt die industrielle Anpassung an den immer spürbarer werdenden CO₂-Preis, der erstmals auf 2018 merklich angestiegen war. Zugleich haben die Unternehmen wegen des immer drängenderen Fachkräftemangels seitdem Arbeitskräfte gehortet, was sich negativ auf die Arbeitsproduktivität auswirkt. Und die Abkehr von der regelbasierten multilateralen Ordnung, der erstarkende Protektionismus und die neuen geopolitischen Risiken treffen die international hochvernetzte deutsche Industrie stark.
Dekarbonisierung, demografische Alterung und die Abkehr von der Globalisierung drängen hierzulande ganz besonders und müssen – historisch herausragend – gleichzeitig bewältigt werden. Die Anamnese dieser gesamtwirtschaftlichen Gemengelage muss so klar wie problemorientiert sein. Denn was wir brauchen, ist ein neuer Innovations- und Investitionsboom.
Vorgaukeln einfacher Lösungen
Das gilt für die privaten Investitionen am Standort Deutschland, und zwar über eine Investitionsförderung – gleich ob Investitionsprämie oder Superabschreibung –, die Stabilisierung der Sozialbeiträge, die Dämpfung der Strompreise sowie eine Effizienzoffensive der staatlichen Verwaltung.
Das gilt ebenso für die öffentlichen Investitionen, da sich die Infrastrukturen angesichts des ungebremsten Qualitätsverlustes zu einer veritablen Standortbürde entwickelt haben. Den Umkippeffekt innerhalb weniger Jahre zeigt der IMDCompetitiveness-Index. Dynamischere Unternehmensinvestitionen verlangen in all diesen Feldern verlässliche Perspektiven – das ist gute Angebotspolitik.
Keine gute Angebotspolitik ist das Vorgaukeln einfacher Lösungen in einer Null-Eins-Logik, die den oben genannten drei historischen Herausforderungen nicht gerecht werden kann.
- Die finanzpolitischen Optionen erschöpfen sich nicht in einer Abschaffung oder in einer Seligsprechung der Schuldenbremse. Vielmehr geht es um eine anreizkluge Öffnung für mehr staatliche Investitionen.
- Die beschäftigungspolitischen Optionen erschöpfen sich nicht in der Wahl zwischen Einwanderung und Erhöhung des Rentenzugangsalters, sondern es braucht eine instrumentell vielfältige Stärkung des Jahresarbeitsvolumens.
- Die klimapolitischen Optionen erschöpfen sich nicht im Duell von CO₂-Preis und Industriepolitik, sondern sie benötigen eine systematische industriepolitische Ergänzung der preislichen Steuerung.
Ökonomie ist nun mal nicht nur schwarz und weiß, erst recht nicht in diesen verworrenen Zeiten.
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