Es ist die Frage der kommenden Monate und Jahre. Und die Experten sind sich bei der Beantwortung uneinig. Denn die Folgen der Coronakrise wirken sich sehr unterschiedlich auf die einzelnen Güter und Dienstleistungen aus, schreibt IW-Finanzexperte Markus Demary in einem Gastbeitrag für Cicero.
Wirtschaftskrise: Führt Corona zu Inflation oder Deflation?
Ob es durch die Coronakrise zu einer Inflation kommen wird oder doch eher zu einer Deflation? Wie schwer diese Frage zu beantworten zeigen die unterschiedlichen Beispiele aus den betroffenen Branchen. Nehmen wir etwa die Friseurbetriebe. In den letzten Wochen war diesen der Betrieb nicht gestattet. Es gab also kein Angebot an Haarschnitten. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Haarschnitten mit zunehmender Haarlänge einer jeden Person stetig gewachsen. Die Friseure können sich nun vor Terminanfragen nicht mehr retten. Die Zahlungsbereitschaft für einen Haarschnitt ist nach der langen Isolation bei vielen vermutlich höher als sonst. Preiserhöhungen lassen sich also durchsetzen.
Bei den Restaurants überwiegt hingegen der Angebotseffekt. Diese müssen zur Einhaltung der Hygienevorschriften den Abstand zwischen den Tischen erhöhen, so dass weniger Gäste gleichzeitig in das Restaurant passen. Wenn mehr Gäste einen Tisch wollen als das Restaurant anbieten kann, so besteht Spielraum für Preiserhöhungen. Möglich ist aber auch, dass die Gäste erst einmal ausbleiben, weil diese sich unsicher über das bestehende Ansteckungsrisiko von Corona sind. Dies senkt dann den Spielraum für höhere Preise.
Einzelne Güter und Dienstleistungen können teurer werden
Der Großteil der Schwankung der Inflationsrate resultiert aber aus der Schwankung der Energiepreise. Ein Anziehen oder ein Rückgang der Rohölpreise ist in der Regel ein guter Indikator für ein Anziehen oder einen Rückgang der Inflationsrate. Corona hat zu einem Einbruch im Reise- und Verkehrsaufkommen geführt und die fehlende Nachfrage nach Benzin und Kerosin hat zum Rückgang des Ölpreises und darüber zu niedriger Inflation beigetragen. Doch ist ein Anziehen der Benzinpreise in den nächsten Wochen zu erwarten. Denn mehr und mehr Menschen können wieder in ihren Büros arbeiten. Anstelle von Bus und Bahn werden viele auf das Auto umsteigen, um eine Corona-Ansteckung zu vermeiden. Ein höherer Benzinpreis könnte dann auch die Inflationsrate anheben.
Einzelne Güter und Dienstleistungen können teurer werden. Aber sind auch allgemeine Preissteigerungen möglich? Vermutlich nicht, denn die Sorge über das eigene Einkommen bestimmt aktuell die Bereitschaft, Geld auszugeben. Zurzeit sind viele Menschen in Kurzarbeit und Selbstständige haben Umsatzausfälle erlitten. Es besteht zudem Unsicherheit darüber, wie sicher der eigene Arbeitsplatz ist. Größere Anschaffungen lassen sich in die Zukunft verschieben. Dadurch fehlt aktuell der Inflationsdruck.
Fehlende Nachfrage führt zu Preissenkungen
Die Corona-Krise hat die Unternehmen stark getroffen. Umsätze sind eingebrochen. Kredite mussten aufgenommen werden, um Beschäftigte weiter zu entlohnen und Lieferanten bezahlen zu können. Aber führen die staatlichen Kredithilfen nicht zu Inflation? Nein, denn diese Kredite werden nicht investiert, sondern dienen der Sicherstellung der Liquidität. Die Rückzahlung der Kredite wird in der nächsten Zeit auch bei vielen Unternehmen erst einmal Vorrang vor neuen Investitionen haben. Dadurch fehlt Inflationsdruck.
Der Corona-Schock scheint also zu Preissteigerungen bei einzelnen Gütern und Dienstleistungen, aber nicht zu Inflationsdruck im Allgemeinen zu führen. Bei der aktuellen Inflationsrate von 0,9 Prozent besteht zudem nicht viel Spielraum zur Deflation. Eine Deflation entsteht dann, wenn genügend Wirtschaftsteilnehmer fallende Preise erwarten und deshalb ihre Ausgaben in die Zukunft verschieben. Die fehlende Nachfrage zieht dann tatsächliche Preissenkungen nach sich. Diese bestätigen wiederum die Erwartungen an sinkende Preise. Eine solche Spirale kann leicht in einer Wirtschaftskrise enden. Die Gefahr einer Deflation bestand im Jahr 2015 für einige Mitgliedsländer des Euroraums im Anschluss an die Banken- und Staatsschuldenkrise.
In diesen Ländern waren die Unternehmen und die Haushalte mit hoher Verschuldung von der damaligen Krise überrascht worden. Für sie hatte die Verringerung ihrer Verschuldung lange Vorrang vor neuen Ausgaben. In einer ähnlichen Situation sind wir aktuell auch. Denn die Umsatzausfälle durch Corona haben die Schulden ansteigen lassen. In den nächsten Jahren wird Schuldenabbau dann Vorrang vor neuen Ausgaben haben. Vermutlich schrammen wir deshalb nur knapp an einer Deflation vorbei.
Zum Gastbetirag auf cicero.de
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