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Hubertus Bardt im Handelsblatt Gastbeitrag 16. September 2019

Klimaschutz darf nicht zu Protektionismus führen

Deutschlands ambitionierte Klimaschutzziele sind eine Belastung für die Industrie. Nur wenn wir einen Ausgleich schaffen, kann Deutschland international ein Vorbild sein, schreibt IW-Ökonom Hubertus Bardt in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt.

In der aktuellen Diskussion über CO2-Steuern, Emissionshandel oder andere Preissignale für CO2-Emissionen darf eine wichtige Frage nicht unbeantwortet bleiben: Wie lässt sich bei steigenden Kostenbelastungen industrielle – auch energieintensive – Produktion in Deutschland sichern?

Es gilt, zwei Ziele miteinander zu verbinden: Anspruchsvoller Klimaschutz soll gelingen, gleichzeitig soll die industrielle Basis des Wohlstands nicht infrage gestellt werden. Nur wenn wir es schaffen, Klimaschutz und Industrie zusammenzubringen, kann Deutschland eine internationale Vorbildfunktion einnehmen.

Weltweit gleicht die Klimaschutzpolitik einem Flickenteppich. Anspruchsniveaus der Länder unterscheiden sich ebenso voneinander wie die eingesetzten Instrumente und die damit verbundenen Preissignale. Strengere nationale Maßnahmen oder Kostenbelastungen bringen für energieintensive Unternehmen eine Benachteiligung im internationalen Wettbewerb mit sich.

Ausnahmen von Steuer- und Abgabezahlungen, kostenlose Zuteilung von CO2-Zertifikaten und Kompensationszahlungen für erhöhte Strompreise sollen verhindern, dass Unternehmen ihre Produktion in Deutschland oder Europa einschränken müssen und stattdessen aus anderen Regionen der Welt importiert wird.

Um weiterhin faire Wettbewerbsbedingungen zu haben, wird deshalb häufig eine Grenzausgleichsabgabe vorgeschlagen. Die Idee: Ein deutscher oder europäischer CO2-Preis soll durch eine Besteuerung von Importen aus Drittländern ergänzt werden. Egal ob ein Produkt in Europa oder irgendwo anders auf der Welt hergestellt wurde, jeder sollte durch die Abgabe den gleichen Preis pro Tonne Kohlendioxid zahlen, die bei der Produktion entstanden ist.

Und wenn umgekehrt beim Export die Steuerzahlungen erstattet werden, gibt es auch keine Nachteile deutscher Unternehmen auf ausländischen Märkten. So weit, so elegant. Doch der Grenzausgleich ist mit erheblichen Problemen und Risiken verbunden.

Zum einen ist die CO2-Menge nicht bekannt, die mit den meisten importierten Produkten verbunden ist. Zum anderen droht die Gefahr, dass eine solche Maßnahme als protektionistischer Schritt verstanden wird und der Freihandel dadurch noch stärker bedroht wird.

Inländische Emissionen sind dagegen gut zu beobachten – und zu regulieren. Preissignale über den CO2-Emissionshandel oder Steuern werden von den Produzenten getragen und können – je nach Marktsituation – in die Produktpreise übergewälzt werden.

Damit wird im Idealfall ein einheitlicher Kostensatz für jede Tonne CO2 entweder von den Produzenten oder den Konsumenten getragen. Bei der Grenzausgleichsabgabe ist das aber nicht eindeutig: Die Emissionen werden in den unterschiedlichen Produktionsländern unterschiedlich behandelt.

Um einen gleich hohen CO2-Preis zu fordern, müssen für jedes Gut zwei Dinge bekannt sein: Die Emissionen und die bereits getragenen CO2-Kosten. Die Komplexität der internationalen Wertschöpfungsketten macht es aber bisher unmöglich, diese Daten zu erheben.

Welcher Stahl aus welchem Land ist in einem importieren Auto verbaut? Aus welchen Quellen stammt der Strom der Stahlwerke? Wie hoch ist der Wirkungsgrad der Kraftwerke? Wie effizient sind die Stahlwerke? Und wo wurde bereits ein CO2-Preis entrichtet? Wenn man diese Fragen ignoriert und einfach pauschale Durchschnitte bei der Berechnung der Grenzabgabe annimmt, wird CO2-intensive Produktion zu niedrig und/oder CO2-effiziente Produktion zu hoch besteuert. Ein fairer und effizienter CO2-Preis kann somit nicht sichergestellt werden.

Anspruchsvolle Klimaschutzziele

Damit würde das zweite Risiko noch weiter erhöht: Selbst wenn eine WTO-konforme Ausgestaltung einer Grenzausgleichsabgabe möglich ist, kann ihre Einführung als protektionistischer und unkooperativer Schritt angesehen werden.

Die USA und China haben sich seit 25 Jahren in internationalen Klimaverhandlungen nicht von einheitlichen Preissignalen überzeugen lassen. Dass sie diese akzeptieren, wenn sie unilateral auch für amerikanische und chinesische Unternehmen eingeführt werden, die nach Europa exportieren, ist nicht sehr wahrscheinlich.

Die Gefahr, dass in der aktuellen angespannten handelspolitischen Situation andere Nationen mit Gegenmaßnahmen reagieren würden, darf nicht übersehen werden. Das gilt vor allem, wenn die Grenzausgleichsabgabe nicht zielgenau ist, weil sie nicht zielgenau sein kann.

Europa und Deutschland haben sich im internationalen Vergleich anspruchsvolle Klimaschutzziele gesetzt. Diese müssen erreicht werden, ohne die Industrie zu riskieren – aber auch die Gefahr eines weiteren Protektionismus zu erhöhen.

Zum Gastbeitrag auf handelsblatt.com

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