Mit ihrem Vorschlag, die Sanktionen für junge Hartz-IV-Bezieher abzuschaffen, stößt SPD-Chefin Nahles auf Gegenwehr. Zu Recht. Denn Studien zeigen, dass die Strafen wirken. Der Sozialstaat muss für Hilfen eine Gegenleistung verlangen dürfen, schreibt IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer in einem Gastkommentar auf n-tv.de.
Die Hartz-IV-Sanktionen wirken
SPD, Grüne und Linke haben zuletzt vermehrt Forderungen erhoben, die Sanktionen im Hartz-IV-System abzuschaffen. Worum geht es dabei? Das Gesetz schreibt vor, dass Leistungsempfänger mit den Job-Centern kooperieren müssen, um ihre Hilfebedürftigkeit zu beenden. Wer das nicht tut, kann mit einer Sanktion belegt werden. Als Pflichtverletzungen gilt zum Beispiel die Weigerung, eine Arbeit aufzunehmen oder an einer Maßnahme des Job-Centers teilzunehmen. Die weitaus meisten Sanktionen werden allerdings verhängt, weil die Leistungsempfänger vereinbarte Termine im Job-Center ohne triftigen Grund nicht wahrnehmen.
Jugendliche werden bei schweren Pflichtverletzungen härter sanktioniert als Ältere: Ihnen kann das Job-Center schon beim ersten Mal die Regelleistung komplett streichen - die Miete wird allerdings weiterhin übernommen. Diese Regelung begründete die rot-grüne Koalition seinerzeit damit, dass bei Jugendlichen der Gefahr von Langzeitarbeitslosigkeit unmittelbar entgegengewirkt werden müsse und sie daher auf der anderen Seite auch eine besondere Förderung erhalten.
Sanktionen sind Ausdruck des Prinzips von Leistung und Gegenleistung. Unser Sozialstaat fragt nicht danach, wer die Schuld an einer Notlage trägt. Wer seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann, erhält die solidarische Hilfe der Gesellschaft. Die einzige Gegenleistung, die der Hilfeempfänger schuldet, ist das Bemühen, künftig ohne diese Hilfe auszukommen. Diese eher milde Form der Reziprozität dürften die meisten Menschen als gerecht empfinden. Wer die Sanktionen abschafft, zwingt hingegen den Steuerzahler dazu, auch diejenigen zu finanzieren, die ihren Lebensunterhalt - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst bestreiten wollen.
Sanktionen wirken, wie sie sollen
Anders als von manchem Politiker behauptet, wirken Sanktionen keineswegs kontraproduktiv. Sie wirken vielmehr genauso, wie sie sollen. Die mittlerweile recht umfangreiche arbeitsmarktökonomische Forschung dazu konnte nachweisen, dass sanktionierte Hilfeempfänger schneller in Arbeit kommen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung schlussfolgert in einer Analyse, dass "Sanktionen durchaus mit verstärkten Bemühungen um die Aufnahme einer Erwerbsarbeit einhergehen".
Allerdings, und das wird von Kritikern gern herausgestellt, bewirkt die Sanktionierung bei manchen auch einen Rückzug vom Arbeitsmarkt. Hieraus ein Problem abzuleiten, ist jedoch abwegig. Dazu müsste mehr zum weiteren Verbleib der Betroffenen bekannt sein - was nicht der Fall ist. Nicht jeder Fall des Rückzugs vom Kontakt mit dem Job-Center ist zwingend negativ. Wenn der Kontakt lediglich darin besteht, sich monatlich einen Scheck abzuholen, ist damit nichts gewonnen. Wer darüber hinaus die Hilfeangebote des Job-Centers bisher nicht nutzte, der wird dies erst recht nicht tun, wenn er dafür keine Sanktionierung zu erwarten hat.
Viele, wenn nicht sogar die meisten Empfänger von Arbeitslosengeld II brauchen Unterstützung, um wieder in eine Arbeit zu finden. Diese Unterstützung sollte - wenn sie sinnvoll ist - nicht an fehlenden Mitteln scheitern. Zum Unterstützen gehört aber auch, sich um den Menschen als Individuum zu kümmern. Den Betroffenen hilft man nicht, indem man sie in einen staatlich organisierten Job abschiebt, wie es mit dem Programm des Arbeitsministers geschieht.
Zum Gastkommentar auf n-tv.de.
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