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Wido Geis-Thöne Gutachten 12. Mai 2022 Lehrkräftebedarf und -angebot: Bis 2035 steigende Engpässe zu erwarten

Entgegen dem allgemeinen Trend am Arbeitsmarkt ist die Lehrkräftebasis in Deutschland im letzten Jahrzehnt deutlich jünger geworden. Waren im Schuljahr 2010/2011 noch 32,4 Prozent 55 Jahre und älter, traf dies im Schuljahr 2020/2021 nur noch auf 24,9 Prozent zu.

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Gutachten
Bis 2035 steigende Engpässe zu erwarten
Wido Geis-Thöne Gutachten 12. Mai 2022

Lehrkräftebedarf und -angebot: Bis 2035 steigende Engpässe zu erwarten

Szenariorechnungen zum INSM-Bildungsmonitor

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Entgegen dem allgemeinen Trend am Arbeitsmarkt ist die Lehrkräftebasis in Deutschland im letzten Jahrzehnt deutlich jünger geworden. Waren im Schuljahr 2010/2011 noch 32,4 Prozent 55 Jahre und älter, traf dies im Schuljahr 2020/2021 nur noch auf 24,9 Prozent zu.

Entsprechend steht hier in den nächsten Jahren auch keine besonders große Verrentungs- oder Pensionierungswelle bevor. Geht man von den aktuellen Mustern beim Übergang in den Ruhestand und bei der Ausbildung von Nachwuchslehrkräften an den Hochschulen aus, wäre, ohne gezieltes staatliches Handeln, zwischen den Schuljahren 2020/2021 und 2030/2031 mit einem leichten Anstieg des Gesamtbestands an Lehrkräften in Deutschland von 761.000 auf 776.000 Vollzeitäquivalente zu rechnen. Danach dürften sich die Auswirkungen teilweise fehlender Abiturjahrgänge aufgrund der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium in einigen Bundesländern in der Lehrkräfteausbildung bemerkbar machen und der Lehrkräftebestand bis zum Schuljahr 2035/2036 wieder auf 770.000 Vollzeitäquivalente leicht zurückgehen.

Trotz dieser positiven Entwicklung beim Bestand dürfte es im nächsten Jahrzehnt zu zunehmenden Engpässen bei der Lehrkräfteversorgung kommen. Hintergrund sind die in den 2010er-Jahren stark gestiegenen Geburtenzahlen, die sich derzeit erst in den Grundschulen, im kommenden Jahrzehnt jedoch auch in den weiterführenden Schulen auswirken. So könnte die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler im Schuljahr 2030/2031 einen Wert von 11,7 Millionen und im Schuljahr 2035/2036 von 11,8 Millionen erreichen, wohingegen es im Schuljahr 2020/2021 nur 10,7 Millionen waren. Legt man die derzeitigen Schüler-Lehrkraft-Relationen in den verschiedenen Schulformen zugrunde, würde der Lehrkräftebedarf von 761.000 im Schuljahr 2020/2021 auf jeweils 836.000 in den Schuljahren 2030/2031 und 2035/2036 steigen. Vergleicht man dies mit dem vorausberechneten Lehrkräftebestand, ergibt sich eine Lücke von 59.000 Vollzeitäquivalenten im Schuljahr 2030/2031 und von 66.000 Vollzeitäquivalenten im Schuljahr 2035/2036. Dabei können verschiedene bildungspolitische und gesellschaftliche Entwicklungen dazu führen, dass der Lehrkräftebedarf noch deutlich höher liegt. Etwa wäre dies der Fall, wenn Schulen in herausfordernden sozialen Lagen zusätzliche Lehrkräfte zugewiesen oder sich mehr junge Menschen für den Besuch einer gymnasialen Oberstufe entscheiden würden. Auch können die Schülerzahlen durch Zuwanderung stark steigen, wie das aktuell im Kontext der Flucht aus der Ukraine der Fall sein dürfte. Allerdings lässt sich noch nicht abschätzen, wie viele Kinder und Jugendliche letztlich tatsächlich nach Deutschland kommen und hierbleiben werden, sodass sich auch noch keine fundierten Aussagen zu den Auswirkungen auf den Lehrkräftebedarf treffen lassen.

Um den Lehrkräfteengpässen bereits kurz- bis mittelfristig entgegenzuwirken, wird es keinesfalls ausreichen, mehr junge Menschen für ein Lehramtsstudium zu gewinnen. So benötigen diese auch bei einem zügigen Verlauf mindestens acht Jahre zwischen Studienbeginn und Eintritt in den Schuldienst als fertig ausgebildete Lehrkraft und stehen den Schulen damit nicht rechtzeitig zur Verfügung. Vielmehr müssen auch Quereinstiege von anderen einschlägigen Bachelorstudiengängen in Masterstudiengänge im Lehramt und von anderen einschlägigen Masterstudiengängen in den Vorbereitungsdienst gezielt gefördert und durch entsprechende Nachqualifizierungsangebote begleitet werden. Auch sollten die Lehrkräfte an den Schulen noch stärker durch multiprofessionelle Teams unterstützt und von Aufgaben außerhalb des regulären Unterrichts, etwa im Bereich der Elternarbeit und Digitalisierung der Schulen, entlastet werden.

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Bis 2035 steigende Engpässe zu erwarten
Wido Geis-Thöne Gutachten 12. Mai 2022

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