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Michael Hüther / Markus Demary IW-Kurzbericht Nr. 21 2. Mai 2016 IW Zinsausblick Mai 2016: Divergierende Geldpolitik durch divergierende Reformbemühungen

Während die US-amerikanische Federal Reserve Bank ihre Zinswende behutsam fortführen kann, steckt die Europäische Zentralbank (EZB) in einer Niedrigzinsfalle, aus der sie nur schwer herauskommen wird. Denn während die Geldpolitik der Fed durch Reformen unterstützt wurde, wird die EZB mit einer Vielzahl an Problemen außerhalb ihres Mandats überfordert.

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Divergierende Geldpolitik durch divergierende Reformbemühungen
Michael Hüther / Markus Demary IW-Kurzbericht Nr. 21 2. Mai 2016

IW Zinsausblick Mai 2016: Divergierende Geldpolitik durch divergierende Reformbemühungen

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Während die US-amerikanische Federal Reserve Bank ihre Zinswende behutsam fortführen kann, steckt die Europäische Zentralbank (EZB) in einer Niedrigzinsfalle, aus der sie nur schwer herauskommen wird. Denn während die Geldpolitik der Fed durch Reformen unterstützt wurde, wird die EZB mit einer Vielzahl an Problemen außerhalb ihres Mandats überfordert.

 

Fast 10 Jahre nach Platzen der US-amerikanischen Immobilienblase zeigt sich langsam eine Überwindung der Finanzkrise in den USA. Zwar liegt das Bruttoinlandsprodukt der USA noch immer um 2 Prozent unterhalb seines Potentials, doch wird sich die Output-Lücke in diesem und kommendem Jahr stetig schließen. Nachdem die Fed seit Beginn ihrer Nullzinspolitik im Dezember 2015 zum ersten Mal ihren Leitzins um 25 Basispunkte angehoben hat, wird sie in diesem Jahr vermutlich noch zwei weitere Zinsanhebungen durchführen können. Zum Ende 2016 könnte die Federal Funds Rate dann in einem Kanal von 0,75 bis 1,00 Prozent liegen. Unter Berücksichtigung des langfristig gesunkenen natürlichen Realzinses und unter Annahme, dass sich Inflation und Output-Lücke ihren Zielwerten weiter annähern, läge der Taylor-Zins, ein nach dem US-Ökonomen John Taylor benannter normativer Leitzins, für das Jahr 2016 bei geschätzten 1,3 Prozent. Gemessen an dem Taylor-Zins würde die Fed somit trotz zweimaliger Zinserhöhung in diesem Jahr ihre expansive Geldpolitik fortführen können (Tabelle).

Der Taylor-Zins für den Euroraum ist inzwischen leicht negativ und das Resultat verschleppter Reformen zur Überwindung einer Bilanzrezession. Die EZB hat ihre geldpolitischen Maßnahmen am 10. März 2016 deutlich verschärfen müssen. Sie senkte den Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte um 5 Basispunkte auf 0,0 Prozent, den Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität um 5 Basispunkte auf 0,25 Prozent und den Zinssatz für die Einlagenfazilität auf -0,4 Prozent. Zudem weitete sie die monatlichen Wertpapierkäufe im Rahmen des Asset Purchase Programs (APP) von 60 Mrd. Euro auf 80 Mrd. Euro monatlich aus und erweiterte das Anleiheuniversum um Investment-Grade-Anleihen von Unternehmen ohne Banken im Euro-Währungsgebiet. Die EZB ist bei ihrem APP zunehmend vor der Herausforderung gestellt, dass immer mehr Anleihen negativ rentieren. Sie darf aber keine Anleihen kaufen, die stärker negativ rentieren als der Zinssatz der Einlagenfazilität. Die Senkung des Einlagensatzes auf -0,4 Prozent und der Erweiterung der APP-Käufe um Unternehmensanleihen war somit auch der Tatsache geschuldet, dass die zinssenkenden Wirkungen des APP gleichzeitig auch zu einem geringeren Anlageuniversum führten, welchem die EZB begegnen musste. Nicht ohne Grund kauft die EZB nun Unternehmensanleihen mit bis zu 30 Jahren Restlaufzeit. Neu im Programm der EZB sind auch vier langfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO2, Targeted Long-Term Refinancing Operation 2) zur Ankurbelung der immer noch schleppenden Kreditvergabe. Dabei können sich Banken, die bei ihrer Kreditvergabe eine Benchmark überschreiten bei der EZB zum negativen Zins von aktuell bis zu -0,4 Prozent, refinanzieren.

Zunehmend erhärtet sich der Verdacht, dass die Fed bei ihrer Geldpolitik deutlich erfolgreicher als die EZB war. Die Divergenz der Geldpolitiken ist auf drei entscheidende Unterschiede zurückzuführen:

  • Im Gegensatz zum Euroraum, der ein bankbasiertes Finanzsystem aufweist, ist das Finanzsystem der USA kapitalmarktbasiert. Die Wertpapierkäufe der Fed konnten die Finanzierungskosten der Unternehmen reduzierten ohne den Weg über die Bankkreditvergabe zu gehen.
  • Die USA hat ihre Banken konsequent rekapitalisiert, während solche Reformen im Euroraum ausblieben. Im Euroraum erlaubte die Politik den Banken, sich über die Reduzierung ihrer Risikoaktiva zu rekapitalisieren. Dieses De-Leveraging hat zu einem Zusammenbruch des Bankkreditkanals als geldpolitischen Übertragungsweg geführt. Während ein Mangel an Eigenkapital den Engpassfaktor für die Kreditvergabe darstellt, kann die EZB dem gestörten Bankkreditkanal nur mit Liquiditätsmaßnahmen, wie beispielsweise den TLTRO2 begegnen.
  • Die Fed erhöhte die Basisgeldmenge durch ihre QE Programme auf über 290 Prozent gegenüber ihrem Wachstumstrend aus der Vorkrisenzeit. Aktuell ist die Basisgeldmenge immer noch um 255 Prozent höher verglichen mit diesem Trend. Die Basisgeldmenge des Eurosystems stieg hingegen nur um bis zu 48 Prozent oberhalb ihres Trends aus der Vorkrisenzeit. In der Zeit von August 2013 bis April 2015 ließ die EZB sogar zu, dass die Geldbasis um maximal 14 Prozent unterhalb dieses Trends fallen konnte. Zur gleichen Zeit fiel die Kerninflationsrate von 1,3 Prozent auf 0,6 Prozent.

Warum die EZB einen solch starken Rückgang der Basisgeldmenge toleriert hat, darüber kann nur spekuliert werden. Der seit März nochmals verschärfte, zuvor bereits extrem expansive Kurs ist auch diesem Versäumnis geschuldet. Sie hätte früher mit dem APP beginnen müssen. Die rechtliche Überprüfung der Vorgängerprogramme Securities Markets Programme (SMP) und Outright Monetary Transactions (OMT) durch das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof könnten die EZB hier zu zögerlichem Verhalten verleitet haben.

Neben der rechtlichen Klärung ihrer Geldpolitik ist die EZB mit einem polit-ökonomischen Problem konfrontiert, das sich als strategisches Spiel zwischen der EZB und den nationalen Regierungen darstellt (Demary/Hüther, 2016). In diesem Spiel kann die EZB ihren Leitzins nur anheben, wenn ihre Geldpolitik durch Reformen ergänzt wird, da die EZB ansonsten durch Zinsanhebung eine Rezession herbeiführen würde. Bei einer Rezession könnte sie den höheren Leitzins aber nicht halten. Im Wissen, dass eine Zinsanhebung die Finanzierungskosten ihres Staates erhöht, schieben die Regierungen der Mitgliedsländer die notwendigen Reformen in die Zukunft. Letztlich verharren Politik und EZB in einer ineffizienten Situation aus niedrigen bzw. negativen Zinsen und fehlenden Reformen.

Damit die EZB nachhaltig aus ihrer Strategie aussteigen kann, muss die Regierungen über mutige Reformen den ersten Schritt machen. Dazu ist eine Mischung aus Schuldenreduktion, Wiederbelebung des Bankkreditkanals und wachstumsfreundlichen Angebotsbedingungen erforderlich. Konstruktive Vorschläge zur Stärkung der Investitionen für mehr Wachstum kommen aktuell vor allem von Lord Hill, EU-Kommissar für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion. Zu seinen Vorschlägen gehören u.a. ein regulatorischer Rahmen für Verbriefungen und erleichterte Kapitalanforderungen für Banken, eine Rückführung der Anforderungen aus Solvency II für Investitionen in Infrastrukturprojekte sowie eine Reform im Unternehmensinsolvenzrecht (Europäische Kommission, 2016). Durch die Setzung solcher investitionsfreundlicher Rahmenbedingungen und die Reduzierung politischer Unsicherheit können die in den letzten Jahren kontinuierlich nach unten korrigierten Wachstumserwartungen der Unternehmen wiederbelebt werden. Unerlässlich hierfür ist aber, dass die sinnvollen Vorschläge der Kommission hin zu einer Europäischen Kapitalmarktunion von den nationalen Regierungen und Parlamenten umgesetzt werden.

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