Der Fall des Eisernen Vorhangs 1989/90 markierte scheinbar einen Wendepunkt in der Geschichte, weil der Wettstreit der Systeme zugunsten des Westens gewonnen war.
Die Zukunft des Westens in der Deglobalisierung – Gestaltungspotenziale trotz Abhängigkeit?
in: Knut Bergmann / Matthias Diermeier (Hg.), Transformationspolitik
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Der Fall des Eisernen Vorhangs 1989/90 markierte scheinbar einen Wendepunkt in der Geschichte, weil der Wettstreit der Systeme zugunsten des Westens gewonnen war.
Demokratie und Marktwirtschaft schienen als die überlegenen Ordnungsprinzipien eine neue, florierende Phase der Globalisierung einzuläuten. Wirtschaftliche Blüte und Austausch bewirkten einen politischen Wandel, es sah so aus, dass der empirische Beleg der Modernisierungsthese erbracht sei. Die neue Dynamik des Welthandels begann bereits in den 1980er Jahren, als die ersten marktwirtschaftlichen Reformen umgesetzt wurden und China seine Tore öffnete, während der Handel mit den Ostblockstaaten ausgebaut wurde. Zuvor wuchs der Welthandel zwar deutlich nach dem Zweiten Weltkrieg bis Ende der 1970er Jahre, jedoch gab es weiterhin hohe Schwankungen und gelegentliche Rückgänge der Wachstumsraten. Ab Mitte der 1980er Jahre stabilisierte sich das Wachstum. Zwischen 1984 und 2008 wuchs der Welthandel durchschnittlich mit 6 Prozent und damit stärker als die Weltproduktio. Mit dem Eintritt Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 schien die multilaterale Ordnung in die Schwellenländer vorzudringen und eine neue Ära der internationalen Zusammenarbeit auf Basis universeller, aber westlich geprägter Werte möglich. Francis Fukuyama (1989) prophezeite das »Ende der Geschichte«, denn Demokratisierung und Marktwirtschaft würden, so die an die Modernisierungstheorie angelehnte These, zu einer kulturellen Angleichung der Werte nicht westlicher Gesellschaften zum Westen führen. Heute wissen wir, dass diese Annahmen falsch waren. Wir erleben eine Rückkehr der Geschichte (Münkler 2023).
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