Nachholeffekt bei den Insolvenzen 2021
Im kommenden Jahr wird es voraussichtlich einen Nachholeffekt bei den Insolvenzen geben, dessen Stärke jedoch noch unklar ist. Aus der Diskrepanz zwischen erwartbaren Insolvenzen 2020 – angesichts der Wirtschaftsentwicklung wäre eine Zunahme von circa 15 Prozent plausibel (Röhl/Vogt, 2020) – und des sich tatsächlich abzeichnenden Rückgangs lässt sich eine Differenz von 4.500 weniger Insolvenzen als erwartbar wären berechnen. Eine Erklärung hierfür ist, dass es sich um so genannte Zombieunternehmen handelt, die wirtschaftlich nicht überlebensfähig, aber noch marktaktiv sind. Andere mögliche Erklärungen sind, dass die staatlichen Corona-Hilfen zu einer Überkompensation geführt haben, so dass weniger Unternehmen als 2019 existenzgefährdet sind (dies erscheint unwahrscheinlich) oder dass die Arbeit der Insolvenzgerichte pandemiebedingt weiterhin sehr verlangsamt abläuft (dann müssten die Insolvenzzahlen in Kürze stark steigen). Ökonometrisch handelt es sich um einen Prognosefehler des Modells (vgl. Röhl/Vogt, 2020).
Wird angenommen, dass diese „fehlenden“ Insolvenzen 2021 erfolgen (vgl. Abbildung) – statt in den Folgejahren oder auch gar nicht in der Insolvenzstatistik aufzuscheinen – und dass auch ohne diesen „Überhang“ zumindest wieder die im Langfristvergleich niedrige Insolvenzzahl von 2019 realisiert wird, könnte die Gesamtzahl 2021 bei etwa 23.250 Insolvenzen liegen. Dies wären zwar 36 Prozent mehr als 2020, aber trotzdem weniger als in den Jahren von 1996 bis 2014. Zu bedenken ist, dass die Bundesregierung für 2021 eine Reform des Insolvenzrechts anstrebt, durch die Sanierungen vor einer Insolvenz erleichtert werden (BMJV, 2020) – dies könnte den Anstieg dämpfen.
Größe der betroffenen Unternehmen und wirtschaftliche Effekte
Generell dominieren kleine und mittlere Unternehmen das Insolvenzgeschehen zahlenmäßig, während die größeren für die Arbeitsplatzverluste und Forderungsausfälle entscheidend sind. 2019 betrug die durchschnittliche Mitarbeiterzahl pro insolventem Unternehmen 7,7 (Destatis, 2020). In Krisen nimmt die Betroffenheit größerer Unternehmen überproportional zu. Zuletzt gab es mehr Großinsolvenzen (IWH, 2020), so dass trotz zahlenmäßigem Rückgang am Jahresende mehr Beschäftigte betroffen sein dürften als 2019 (mit 144.000); Creditreform (2020b) rechnet für 2020 mit Schäden von 34 Milliarden Euro und 332.000 betroffenen Beschäftigten. Eine Prognose für 2021 fällt schwer, da einzelne Großinsolvenzen diesen Wert massiv beeinflussen.
Drohen weit mehr Zombiefirmen?
Umfragebasierte Prognosen sagen einen teils dramatischen Anstieg der Insolvenzzahl voraus. So meldete das ifo-Institut (2020), dass mit 750.000 etwa ein Fünftel der Unternehmen existenzbedroht sei. Gemäß DIHK-Umfragen ist es ein Zehntel (350.000). Creditreform rechnet mit 550.000 überschuldeten Unternehmen, die zu „Zombieunternehmen“ werden könnten, 2021 sogar mit bis zu 800.000 (Dierig et al., 2020).
Die Unsicherheit in den Befragungsergebnissen ist jedoch sehr hoch (BMWi, 2020). Bei den umfragebasierten Zahlen sind zwei Faktoren zu berücksichtigen: Erstens dürfte es im Rücklauf zu einem Bias in Richtung betroffener Unternehmen kommen, der die Hochrechnung auf den Gesamtbestand erschwert, und zu Übertreibungen im Antwortverhalten. Zweitens erscheint die Hochrechnung auf alle circa 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland, die zu den hohen Zahlen führt, fragwürdig, denn Kleinunternehmen etwa in der Gastronomie stellen den Betrieb üblicherweise ohne Insolvenzantrag ein. Aus diesem Grunde erscheinen die teils extrem hohen Zahlen der „Zombies“, also ökonomisch eigentlich nicht mehr lebensfähiger, aber trotzdem am Markt agierender Unternehmen wenig plausibel. Hier wird ein anderer Ansatz verfolgt, der von der Anzahl der realisierten Insolvenzen ausgeht. Bei den 4.500 weniger Insolvenzen und damit möglichen Zombies handelt es sich überwiegend um wirtschaftlich bedeutendere Unternehmen; Kleinbetriebe, die ohne Insolvenzanmeldung schließen, kommen hinzu.