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Jörg Schmidt IW-Kurzbericht Nr. 30 13. Juni 2016 Entgeltgleichheit: Welche Ursachen hat der Gender Pay Gap?

Auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels kann gezeigt werden, dass der geschlechtsspezifische Verdienstabstand in Deutschland fast vollständig auf unterschiedliche erwerbsbiografische und berufsbezogene Merkmale zurückzuführen ist. Die Befunde bestätigen bereits vorliegende Studienergebnisse und stellen die Notwendigkeit des geplanten Lohngerechtigkeitsgesetzes in Frage.

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Welche Ursachen hat der Gender Pay Gap?
Jörg Schmidt IW-Kurzbericht Nr. 30 13. Juni 2016

Entgeltgleichheit: Welche Ursachen hat der Gender Pay Gap?

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels kann gezeigt werden, dass der geschlechtsspezifische Verdienstabstand in Deutschland fast vollständig auf unterschiedliche erwerbsbiografische und berufsbezogene Merkmale zurückzuführen ist. Die Befunde bestätigen bereits vorliegende Studienergebnisse und stellen die Notwendigkeit des geplanten Lohngerechtigkeitsgesetzes in Frage.

Die durchschnittliche Entlohnung unterscheidet sich zwischen Frauen und Männern. Dieser Befund beruht auf einer amtlichen Auswertung des Statistischen Bundesamts, das die durchschnittliche oder unbereinigte Entgeltlücke für Deutschland im Jahr 2015 auf rund 21 Prozent beziffert (Statistisches Bundesamt, 2016). Ausgehend von dieser Zahl, die sich in den letzten Jahren kaum verändert hat, wird derzeit eine breit angelegte Debatte über die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern hinsichtlich ihrer Entlohnung geführt. Das Bundesfamilienministerium geht in diesem Kontext von einem ungerechtfertigten Lohnunterschied aus und fordert einen regulierenden Eingriff, der insbesondere Transparenzpflichten für Unternehmen vorsieht (Lohngerechtigkeitsgesetz).

Im Folgenden wird daher auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (Wagner et al., 2007) eine Ursachenanalyse durchgeführt. Dazu bietet sich die Blinder-Oaxaca-Dekomposition an (Blinder, 1973; Oaxaca, 1973). Darin werden neben der Bildung u. a. Daten zum Erwerbsumfang, zur Erwerbserfahrung, zur Betriebsgröße und Branche berücksichtigt (Boll/Leppin, 2015; Hammermann/Schmidt, 2015; Schmidt, 2016). Zudem wäre auch eine Modellierung von kindbedingten Erwerbspausen sinnvoll (Boll, 2009); da sich aus technischen Gründen die entsprechenden Daten aber nicht separat berücksichtigen lassen, fließen die sich daraus ergebenden Effekte in andere Variablen ein, wie der aktuelle Umfang von Teilzeitarbeit, die Erwerbserfahrung in Voll- und Teilzeittätigkeiten und die Ausübung von Führungspositionen (Hammermann et al., 2015).

Das Ergebnis der Zerlegung zeigt die Tabelle. Dem oberen Teil der Tabelle ist zu entnehmen, dass die gesamtwirtschaftliche Lohndifferenz 0,227 log-Punkte im Jahr 2013 beträgt, die umgerechnet einer Lücke von 25,5 Prozent entspricht (Referenz ist der Durchschnittslohn von Frauen). Da die Summe der log-Punkte aller Koeffizienten gerade der in log-Punkten ausgedrückten Entgeltdifferenz entspricht, wird im Folgenden auf diese Notation abgestellt.

So entfallen 0,189 Punkte beziehungsweise 83,4 Prozent der Entgeltlücke auf Unterschiede in den erklärenden Merkmalen und 0,038 Punkte oder 16,6 Prozent auf den unerklärten Anteil der Entgeltlücke. Bei einer alternativen Berechnung auf Basis einer einfachen OLS-Lohnregression und unter Verwendung derselben Merkmale ergibt sich eine bereinigte Entgeltlücke von 3,8 Prozent (bezogen auf die Gesamtwirtschaft), wenn die sonst übliche Referenzgruppe der Männer betrachtet wird.

Der untere Teil der Tabelle signalisiert, dass der größte Anteil der Entgeltlücke (20,1 Prozent) auf Faktoren entfällt, die die Erwerbserfahrung widerspiegeln. Dies bedeutet, dass die Entgeltlücke um etwa 0,046 Punkte geringer ausfallen würde, wenn sich Männer und Frauen hinsichtlich der Erwerbserfahrung nicht unterscheiden würden. Gemeinsam mit dem Erwerbsumfang, der 0,02 Punkte der Entgeltlücke ausmacht, liefern diese Daten ein erstes Indiz, dass gerade von einer reduzierten Arbeitszeit und einer kürzeren Erwerbserfahrung ein bedeutender Einfluss auf die Entgeltlücke ausgeht. Dahinter könnten vor allem Effekte vermutet werden, die im Zusammenhang mit der Familiengründung stehen. Mit Beginn der Familienphase ergeben sich zudem oft zeitliche Restriktionen. Diese und eine geringere Arbeitszeit lassen sich aber nur schwer mit Führungspositionen vereinbaren (Hammermann et al., 2015). Der Effekt auf die Entgeltunterschiede, der von einem geringeren Anteil von Frauen in Führungspositionen ausgeht, beträgt hier 0,019 Punkte bzw. gerade 8,3 Prozent der Lohnlücke.

Von den übrigen Erklärungsfaktoren heben sich besonders die Branche und Betriebsgröße ab, die insgesamt rund 0,057 Punkte oder rund ein Viertel der Lohndifferenz ausmachen. Vor diesem Hintergrund bestätigen die vorliegenden Ergebnisse Befunde von Boll/Leppin (2015) und Hammermann/Schmidt (2015), die ähnlich hohe Erklärungsanteile für Betriebsgröße und Branche finden. Hinzu kommen tätigkeitsbezogene Merkmale, wie etwa die Qualifikationsanforderungen sowie die berufliche Autonomie, die insgesamt einen Anteil von gut 11 Prozent der Entgeltlücke erklären. Dahinter dürften zum Teil heterogene Befunde stehen, die zum einen darauf hindeuten, dass Frauen häufiger Stellen besetzen, die keine Berufsausbildung erfordern, und häufiger in Positionen tätig sind, in denen ein mittlerer Autonomiegrad vorliegt (Hammermann/Schmidt, 2015).

Der unerklärte Anteil von rund 3,8 Punkten umfasst zudem auch den Einfluss von entlohnungsrelevanten Merkmalen, die nicht im Datensatz erfasst werden können. Dazu zählen etwa persönliche Präferenzen oder die individuelle Risikoneigung. Daher ist davon auszugehen, dass keine statistisch signifikante Entgeltlücke verbleiben würde, wenn alle Einflussfaktoren der Entlohnung berücksichtigt werden könnten.

Mit Blick auf diese Ergebnisse sind die wesentlichen Ursachen der gesamtwirtschaftlichen Entgeltlücke identifiziert. Die Notwendigkeit, Auskunfts-, Berichts- und Prüfpflichten für Unternehmen einzuführen, besteht vor diesem Hintergrund nicht. Zudem verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen. Das geplante Lohngerechtigkeitsgesetz wird hingegen keinen Effekt auf die Entlohnungsunterschiede zwischen Frauen und Männern entfalten.

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