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Hubertus Bardt IW-Kurzbericht Nr. 3 10. Januar 2025 Verteidigung reißt Finanzierungslücken

Zur Sicherstellung der finanziellen NATO-Verpflichtungen müssen entsprechende Ressourcen im Bundeshaushalt bereitgestellt werden. Für das aktuelle Ziel von zwei Prozent fehlen mit dem Ende des Sondervermögens im Jahr 2028 gut 21 Milliarden Euro.

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Verteidigung reißt Finanzierungslücken
Hubertus Bardt IW-Kurzbericht Nr. 3 10. Januar 2025

Verteidigung reißt Finanzierungslücken

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Zur Sicherstellung der finanziellen NATO-Verpflichtungen müssen entsprechende Ressourcen im Bundeshaushalt bereitgestellt werden. Für das aktuelle Ziel von zwei Prozent fehlen mit dem Ende des Sondervermögens im Jahr 2028 gut 21 Milliarden Euro.

Wenn das NATO-Ziel ab 2025 in vier Schritten auf drei Prozent angehoben wird, steigt die Deckungslücke auf über 74 Milliarden im Jahr 2028 und 136 Milliarden in der gesamten Legislaturperiode. Die Wahlprogramme zur Bundestagswahl geben keine ausreichende Antwort darauf, wie diese Lücke geschlossen werden kann.

Mit der neuen Legislaturperiode muss auch die Finanzierung der Verteidigungsausgaben der nächsten Jahre sichergestellt werden. Die Ampel-Koalition konnte mit Hilfe des Sondervermögens im Jahr 2024 erstmals gewährleisten, dass das NATO-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht wurde (Bardt/Hüther, 2024). Sobald das Sondervermögen aufgebraucht ist, müssen die regulären Haushaltsansätze entsprechend angehoben werden. Allein für 2028 – das letzte volle Jahr der nächsten Legislaturperiode – ist mit einer Lücke von 21,5 Milliarden Euro zu rechnen. Dabei ist berücksichtigt, dass voraussichtlich noch bis zu 4,4 Milliarden Euro des Sondervermögens eingesetzt werden können. Sollte dies vorher ausgeschöpft sein, beträgt die Deckungslücke 26 Milliarden Euro.

Es ist aber höchst zweifelhaft, ob diese Summe reicht. Zwar hat die NATO beim Gipfel von Vilnius das Zwei-Prozent-Ziel verbindlich festgeschrieben (NATO, 2023). Es ist jedoch als Untergrenze definiert, die Möglichkeit notwendiger höherer Ausgaben ist explizit festgehalten. Mit der Verschiebung der US-amerikanischen Aufmerksamkeit auf die pazifischen Konflikte wird Europa eine größere Rolle bei der Gewährleistung der äußeren Sicherheit in Europa übernehmen müssen. Dies gilt insbesondere für die Abschreckung und Möglichkeit der Verteidigung gegenüber Russland sowie die Unterstützung der Ukraine. Von der neuen US-Administration ist zudem mit deutlich höheren Forderungen zu rechnen.

Für Deutschland könnte dies zweierlei bedeuten: Zum einen könnte eingefordert werden, die Lücke aufzuholen, die durch den verschleppten Anstieg der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent seit dem NATO-Gipfel von Wales (NATO, 2014) entstanden ist. Die Lücke gegenüber einem linearen Anstieg auf zwei Prozent im Jahr 2024 kann basierend auf den bisherigen Meldungen an die NATO auf 71 Milliarden Euro beziffert werden.

Zum anderen kann es aber auch zu neuen NATO-Verpflichtungen und damit zu dauerhaft höheren Verteidigungsausgaben kommen. Ein Wert von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist in der Diskussion. Donald Trump hat noch vor der Amtsübernahme einen Wert von fünf Prozent gefordert. 

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Dies läge um rund die Hälfte über dem US-Niveau, mit dem neben der transatlantischen Kooperation auch die pazifischen Aktivitäten der USA finanziert werden. Vermutlich ist diese Maximalforderung vor allem ein Teil der Verhandlungstaktik, um die europäischen Partner zu möglichst hohen Zugeständnissen zu bewegen. Dennoch kann der Wert als Obergrenze dessen interpretiert werden, was im politischen Raum diskutiert wird. Meso- und Bottom-up-Schätzungen gehen von Finanzbedarfen von zumindest 2,5 Prozent aus (Heilmann et al., 2024), darin ist eine umfassende Ersetzung des amerikanischen Engagements in Europa durch europäische Kräfte noch nicht enthalten, ebenso wenig erweiterte Anforderungen an die NATO in den nächsten Jahren.

Unterschiedliche Ausgabenverpflichtungen führen in den nächsten Jahren zu unterschiedlichen Finanzierungslücken im Bundeshaushalt (Abbildung). Um dies abzuschätzen, wird jeweils ein linearer Anstieg auf das neue Ziel in vier Jahreschritten bis 2028 unterstellt. Das ist zwar ein schneller Anstieg, angesichts der verschärften Sicherheitslage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und der parallel laufenden Amtszeit der aktuellen US-Administration erscheint dies aber ein politisch denkbarer Anstiegspfad. Bei einem Anstieg der Verteidigungsausgaben auf drei Prozent bis 2028 läge die Finanzierungslücke 2028 bei 122 Milliarden Euro und in der ganzen Legislaturperiode bei 253 Milliarden. Im Fünf-Prozent-Szenario würde sich der kumulierte Finanzierungsbedarf auf 370 Milliarden Euro erhöhen. Allein 2028 wären dies 170 Milliarden – gut ein Drittel des aktuellen Bundeshaushalts.

Die Wahlprogramme der wichtigsten Parteien zur anstehenden Bundestagswahl geben nur unzureichend Antwort darauf, wie diese Deckungslücken geschlossen werden können. Dies gilt insbesondere für finanzielle Anforderungen, die über das Zwei-Prozent-Ziel der NATO hinausgehen könnten.

Das gemeinsame Wahlprogramm von CDU und CSU beinhaltet ein Bekenntnis zur NATO sowie zur europäischen Zusammenarbeit. Bestärkt wird zudem das gemeinsame Ausgabenziel von zwei Prozent. Es wird auch darauf hingewiesen, dass ein höheres Ausgabenniveau notwendig werden kann. Im Unterschied zu anderen Parteien spricht sich die Union für einen Wehrdienst im Rahmen eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres aus.

Auch die SPD bekräftigt das Zwei-Prozent-Ziel und die Zusammenarbeit innerhalb der NATO. Auch hier wird auf die europäische Zusammenarbeit hingewiesen. Ein neuer Wehrdienst soll nach Auffassung der Sozialdemokraten auf Freiwilligkeit beruhen. Im Gegensatz zu den anderen Programmen wird explizit die Entscheidung von Bundeskanzler Scholz unterstützt, keine weitreichenden Taurus-Raketen an die Ukraine zu liefern.

Die Grünen benennen die NATO und die europäische Zusammenarbeit als wesentliche Elemente der Sicherheitspolitik. Sie betonen, dass auch deutlich mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigungsfähigkeit ausgegeben werden muss; hierfür schlagen sie eine Kreditfinanzierung vor. Eine Wiedereinführung der Wehrplicht wird nicht vorgeschlagen, stattdessen soll der freiwillige Wehrdienst attraktiver gemacht werden.

Im Programm der FDP findet sich ein Bekenntnis zur NATO und zur angemessenen Finanzierung der Bundeswehr sowie die Bekräftigung des Zwei-Prozent-Ziels als Untergrenze. Auch die Liberalen wollen die europäische Zusammenarbeit in der Verteidigung stärken. Sie sprechen sich explizit gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht aus.

Bei der AfD finden sich Hinweise auf eine ausreichen-de Ausstattung der Bundeswehr, ohne dass dies konkretisiert oder finanziell unterlegt wird. Bezug auf die gemeinsame Zielsetzung der NATO wird nicht genommen. Angedeutet wird vielmehr ein Austritt aus der NATO und Ersatz durch ein europäisches Bündnis, wodurch die Basis der äußeren Sicherheit Deutschlands und Europas aufgegeben würde.

Die meisten Parteien bekennen sich zum Zwei-Prozent-Ziel oder sehen sogar höhere Mittelbedarfe. Wie die daraus resultierenden Finanzierungslücken geschlossen werden können, wird von den meisten Parteien nicht beantwortet. Einzig die Grünen schlagen eine Kreditfinanzierung vor. Dies steht aber im Widerspruch dazu, dass die laufenden Ausgaben ohne investiven Charakter aus den laufenden Einnahmen finanziert werden sollten.

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