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Berthold Busch IW-Kurzbericht Nr. 35 7. Juni 2019 Britischer EU-Beitrag im Brexit-Wahlkampf mit einem Trick überhöht ausgewiesen

Vor der Abstimmung im Vereinigten Königreich (VK) über den Austritt aus der Europäischen Union (EU) im Juni 2016 hatten die Unterstützer des Brexits mit einem roten Bus geworben, auf dem die Zahl von 350 Millionen Pfund (GBP) prangte – jene Summe, die die Briten angeblich jede Woche an die EU überwiesen. Dieses Geld sollte stattdessen zur Finanzierung des britischen Gesundheitsdiensts National Health Service (NHS) verwendet werden – so die Busbotschaft.

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Britischer EU-Beitrag im Brexit-Wahlkampf mit einem Trick überhöht ausgewiesen
Berthold Busch IW-Kurzbericht Nr. 35 7. Juni 2019

Britischer EU-Beitrag im Brexit-Wahlkampf mit einem Trick überhöht ausgewiesen

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Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Vor der Abstimmung im Vereinigten Königreich (VK) über den Austritt aus der Europäischen Union (EU) im Juni 2016 hatten die Unterstützer des Brexits mit einem roten Bus geworben, auf dem die Zahl von 350 Millionen Pfund (GBP) prangte – jene Summe, die die Briten angeblich jede Woche an die EU überwiesen. Dieses Geld sollte stattdessen zur Finanzierung des britischen Gesundheitsdiensts National Health Service (NHS) verwendet werden – so die Busbotschaft.

Schon damals war diese Zahl heftig umstritten (Brunsden/Robinson, 2016). Jetzt muss der britische Politiker und bekennende Brexit-Befürworter Boris Johnson sich für diese Zahl vor Gericht rechtfertigen. Grund genug, die Rechnung einmal kritisch zu hinterfragen.

Die 350-Millionen-Pfund-Rechnung arbeitet mit einem unzulässigen Trick (Abbildung, linke Spalte). Zu den britischen Bruttoabführungen an den EU-Haushalt im Jahr 2016 in Höhe von 15,9 Milliarden Euro wird der britische Rabatt hinzugerechnet, sodass sich eine Summe von 21,8 Milliarden Euro ergibt. Dividiert man diesen Betrag durch 52 (Wochen), so erhält man einen Betrag von 419 Millionen Euro. Umgerechnet mit dem jahresdurchschnittlichen Wechselkurs des Jahres 2016 kommt man auf 343 Millionen GBP – also ein Wert, der dem im Wahlkampf benutzten Betrag ziemlich nahekommt. Diese Rechnung ist freilich nicht korrekt, da die Briten den Rabatt gerade nicht nach Brüssel abführen. Die frühere britische Premierministerin Margret Thatcher hatte ihn 1984 beim Gipfeltreffen mit den anderen Staats- und Regierungschefs der EU mit der Forderung durchgesetzt: „I want my money back“.

Der Rabatt hat dem Land offiziellen britischen Quellen zufolge seit 1985 Zahlungen an den EU-Haushalt in Höhe von mehr als 100 Milliarden Pfund erspart (Keep, 2018). Umgerechnet mit dem Wechselkurs von 2018 ergibt dies einen Betrag von mehr als 113 Milliarden Euro.

Darauf, dass nur dann 350 Millionen GBP als Ergebnis der Rechnung herauskommen, wenn man zu den Bruttoabführungen den Rabatt hinzuzählt, hatte schon im Mai 2016 das Institute for Fiscal Studies aufmerksam gemacht (Emmerson et al., 2016). Die Autoren bezeichneten diese Vorgehensweise als absurd. Bei dieser Argumentation würde unterstellt, dass nach einem Austritt des VK aus der EU die übrigen EU-Staaten den Briten weiterhin den Rabatt zahlen würden.

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Inhaltselement mit der ID 5939

Eine alternative Rechnung sieht anders aus (Abbildung, rechte Spalte). Wiederum ausgehend von den Bruttoabführungen an den EU-Haushalt in Höhe von 15,9 Milliarden Euro werden die Rückflüsse aus dem EU-Haushalt (7,1 Milliarden Euro), die unter anderem für die Agrar- und die Regionalpolitik in das VK zurückfließen, saldiert. Das Ergebnis ist der britische Nettobeitrag zum EU-Haushalt 2016 in Höhe von 8,9 Milliarden Euro. Umgerechnet auf die Woche erhält man 171 Millionen Euro oder 140 Millionen GBP.

In der Regel schwanken die Zahlungen der Mitgliedstaaten an den EU-Haushalt und die Rückflüsse von dort an die Mitgliedstaaten von Jahr zu Jahr. Betrachtet man daher einen längeren Zeitraum und bildet den Mittelwert für die Jahre 2010 bis 2017, ergibt sich ein wöchentlicher Nettobeitrag der Briten zum EU-Haushalt in Höhe von 144 Millionen GBP. Man darf gespannt sein, wie die juristische Auseinandersetzung zu den Aussagen im Wahlkampf ausgehen wird.

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