Gestern hat das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietpreisdeckel für ungültig erklärt. Im Interview mit dem Handelsblatt begrüßt IW-Immobilienökonom Michael Voigtländer das Urteil, sieht aber noch großen Diskussionsbedarf im Vorfeld der Bundestagswahl.
Mietendeckelurteil: „Eine große Blamage für Rot-Rot-Grün”
Karlsruhe hat den Berliner Mietendeckel gekippt. Haben Sie das Urteil so klar erwartet?
Das Gericht hat überraschend früh und sehr klar geurteilt. Jetzt steht eindeutig fest: Berlin hat keine Gesetzgebungskompetenz gehabt, Mietrecht ist auf Bundesebene über das Bürgerliche Gesetzbuch zu regeln. Für den rot-rot-grünen Senat ist das ein vernichtendes Urteil und eine große Blamage, dass sein Gesetz so abgeschmettert wurde.
Sie als Ökonom sind erleichtert?
Es ist gut, dass der Mietendeckel vom Tisch ist. Er hat dafür gesorgt, dass sich das Angebot im regulierten Segment extrem verknappt hat, seit der Einführung um knapp 30 Prozent. Für alle Wohnungssuchenden ist es in Berlin deutlich schwerer geworden. Zudem wissen wir aus internationaler Erfahrung, dass solche Mietenstopps dazu führen, dass weniger in die Bestände investiert wird und dadurch die Qualität der Bestände sinkt. Es gibt mehr Schwarzmärkte, es wird unter der Hand vermietet, teilweise mit Abschlagszahlungen, und das rächt sich am Ende für alle Mieter.
Aber die Mieten sind zuletzt nicht mehr so stark gestiegen. Lag das am Mietendeckel?
Ja, durchaus. Der Mietendeckel hat allerdings vor allem denjenigen genutzt, die eine Wohnung haben und eine relativ hohe Miete gezahlt haben, vor allem in den zentralen Lagen. Gerade dort mussten die Mieten teilweise drastisch gesenkt werden. Dagegen haben sich in anderen Großstädten die Mieten weiter erhöht, wenn auch moderater als in den vergangenen Jahren. Etwa in Hamburg, wo viel gebaut worden ist. Die Mietrückgänge in Berlin sind tatsächlich vor allem auf den Mietendeckel zurückzuführen, aber zu dem Preis, dass das Angebot deutlich zurückgegangen ist.
Kommen auf Mieter jetzt hohe Rückzahlungen zu?
Davon ist auszugehen. Selbst der Berliner Senat hat darauf hingewiesen, dass die Mieter Geld zurücklegen müssen, um im Zweifel die Differenz zwischen der ursprünglich vereinbarten und später staatlich verordneten Miete begleichen zu können. Ich kann mir vorstellen, dass gerade die großen Anbieter auf Rückforderungen verzichten, um Mieter nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Vonovia hat das ja bereits angekündigt. Ich hoffe, dass beide Seiten vernünftig miteinander reden und man sich auf faire Lösungen verständigt. Möglich wären vielleicht Stundungen.
Was erwarten Sie jetzt auf dem Berliner Wohnungsmarkt?
Ich denke, Preise und Mieten werden jetzt teilweise wieder zulegen. Ich glaube aber nicht, dass das ruckartig passiert, zumal gerade auch die Preise gar nicht so stark auf die Einführung des Mietendeckels reagiert haben - vermutlich, weil viele Marktteilnehmer mit der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes gerechnet hatten.
Mietrecht ist Bundessache - was heißt das für die anstehende Bundestagswahl?
Das Thema wird eine neue Dynamik auf Bundesebene bekommen, davon gehe ich fest aus. Wir sehen sowohl im Programm der Grünen als auch im Programm der SPD, dass die Bereitschaft für weitere Mietpreisinterventionen recht hoch ist. Wir werden im Wahlkampf noch harte Diskussionen erleben.
Zum Interview auf handelsblatt.com

gif-Roadshow: Qualitätskriterien für Einzelhandelsgutachten
Diese gif-Roadshow wird mit weiteren Terminen an unterschiedlichen Veranstaltungsorten fortgesetzt, wobei auch die Zusammensetzung der Referenten und die Vortragsinhalte leicht variieren.
IW
Immobilien: „Die Pläne zum Klimaschutz setzen zu kurze Fristen, die Menschen brauchen mehr Zeit“
Die Sanierungspflichten aus Brüssel und Berlin werden den Immobilienmarkt stark verändern. IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer fürchtet Fehlinvestitionen und knappen Wohnraum. Er warnt auch Mieter vor den Folgen. Ein Punkt kommt ihm bei Wohnungs- und ...
IW