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IW-Direktor Michael Hüther (© Quelle: Uta Wagner)
Michael Hüther in der Saarbrücker Zeitung Interview 29. April 2021

„Große Pleitewelle ist nicht zu befürchten”

Unternehmen, denen das Wasser bis zum Hals steht, die aber noch auf die Auszahlung staatlicher Corona-Hilfen warten, sind bislang von der Pflicht zur Insolvenz-Anmeldung befreit. Doch diese Regelung läuft an diesem Freitag aus. Viele Experten befürchten deshalb jetzt eine massive Pleitewelle. IW-Direktor Michael Hüther hält dieses Szenario für übertrieben.

Herr Hüther, in der Corona-Pandemie ist die Zahl der Insolvenzen sogar zurückgegangen. Liegt das an den staatlichen Hilfsprogrammen oder schlicht daran, dass viele Betriebe bislang um einen Insolvenzantrag herumkamen?

Das kann man nicht voneinander trennen. Denn sowohl die Hilfen als auch die Regelung zur Insolvenz sind ja der Idee gefolgt, eine Brücke zu bauen, um tragfähige Geschäftsmodelle auch in Pandemiezeiten nicht zu gefährden. Das Paket war grundsätzlich richtig. Auch vor dem Ausbruch der Pandemie war die Anzahl der Insolvenzen übrigens schon über eine Dekade rückläufig. Für unmittelbar vom Lockdown betroffene Unternehmen wäre es allerdings eng geworden.  Hier ist das Bild  jedoch unvollständig.

Wie meinen Sie das?

Es gibt viele Betriebe, die als natürliche Personen wie z.B. Einzelunternehmer gar nicht der Insolvenzantragspflicht unterliegen. Wenn solche Betriebe aufgeben müssen, dann spiegelt sich das zunächst nicht in der Insolvenz-Statistik wider, aber möglicherweise in einer steigenden Anzahl der  Hartz-IV-Empfänger. 

Wurden auch Unternehmen gerettet, die  auch ohne Corona Pleite gegangen wären?

Das mag es geben, aber nicht in größerem Umfang. Ich wehre mich auch gegen die These, das seien oft die Falschen gerettet worden. Geholfen wurde und wird jenen, die staatlich verordnet entweder gar keine beziehungsweise nur begrenzte Geschäfte machen können. Hotels zum Beispiel und  stationäre Bekleidungsläden. Da herauszufiltern, dass manche von ihnen auch ohne Corona in die Insolvenz gehen würden, ist kaum möglich, auch wenn 2020 die Unternehmensinsolvenzen um 15,5 Prozent unter Vorjahr lagen.

Manche Verbände haben gefordert,  die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht über den April hinaus zu verlängern. Wäre das sinnvoll gewesen?

Man könnte das sicher gut begründen für einzelne Bereiche wie für das Hotel- und Gastgewerbe. Da wäre durchaus eine spezifische Anschlussregelung zu prüfen. In anderen Branchen hat sich die Welt aber auch weiter gedreht. Eine generelle Verlängerung der Corona-Insolvenzregelung wäre wettbewerbsverzerrend. Wer zum Beispiel im Messebau tätig war, der arbeitet jetzt vielleicht als Tischler oder Schreiner. Da darf auch der Druck nicht völlig entfallen, um alternative Lösungen zu finden. Außerdem erwarten wir in diesem Jahr ein gesamtwirtschaftliches Wachstum von mindestens drei Prozent.  Das heißt, viele Betriebe sind vom Lockdown gar nicht betroffen.

2020 wurden 15.841 Firmenpleiten gemeldet. Das war der tiefste Stand seit gut zwei Jahrzehnten. Droht ab Mai ein drastischer Anstieg? 

Nein, davon gehe ich nicht aus. Es sind ja nur bestimmte Branchen gefährdet, diese aber in der Tat existenzgefährdend. Wo zum Beispiel Kurzarbeitergeld gezahlt wird,  stellt sich das Problem weniger drastisch dar. Es wird aber sicher einen Nachholeffekt bei den Insolvenzen geben. Wir gehen davon aus, dass es im vergangenen Jahr rund 4.500 Insolvenzen weniger gegeben hat, als es wegen der Corona-Krise erwartbar gewesen wäre. Selbst wenn diese Betriebe 2021 allesamt Pleite gingen, so wäre das immer noch eine vergleichsweise bescheidene Größenordnung, wenn man bedenkt, dass es in Deutschland  mehr als drei Millionen Unternehmen gibt.

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