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IW-Direktor Michael Hüther
Michael Hüther in der Passauer Neue Presse Interview 3. April 2020

Corona-Krise: „Exit muss jetzt geplant werden”

Das öffentliche Leben in Deutschland sollte nach den Osterferien Zug um Zug wieder aufgenommen werden, sagt IW-Direktor Michael Hüther im Interview mit der Passauer Neue Presse. Doch auch danach rechnet er noch mit vielen Restriktionen.

Die Beschränkungen im Zuge der Corona-Epidemie bleiben bis nach Ostern bestehen. Wird der Preis für die deutsche Wirtschaft auf Dauer nicht zu hoch?

Die Situation muss permanent abgewogen werden. Wir sollten Gesundheits- und Wirtschaftsinteressen nicht gegeneinander stellen. Der Shutdown ist der Versuch, beide Interessen zu kombinieren. Wir brauchen den Shutdown, um die Infektionszahlen zu senken und dadurch die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Gleichzeitig darf er nicht länger als nötig sein, um die wirtschaftlichen Belastungen und Störungen in Grenzen zu halten. Wenn wir kein Einkommen haben, fehlen die notwendigen Mittel, um das Gesundheitssystem weiter auszustatten. Wir müssen die Situation neu bewerten, wenn die Infektionszahlen in den Zuwachsraten einstellig sind und nach Ostern deutlich machen, welche Möglichkeiten wir haben.

Ökonomen warnen vor einem monatelangen Shutdown. Wie lange hält die Wirtschaft das aus?

Ich kann mir einen monatelangen Shutdown nicht vorstellen. Wir sind jetzt in der zweiten Woche. In der Karwoche und zu Ostern wird es ein Monat sein. Ab Anfang Mai müssen wir wieder in ein geordnetes Leben eintreten. Wenn es bis dahin nicht gelingt, die Infektionsrate zu senken, kommen andere Fragen auf uns zu. Der Lockdown ist wirksam, das wissen wir auch aus anderen Ländern. Wenn parallel gesundheitspolitische Maßnahmen getroffen werden, also getestet und isoliert wird, sollte es nach Ostern wieder losgehen. Wenn auch nicht in der gewohnten Form. Es wird weiterhin Abstandsregeln und das Verbot von Großveranstaltungen geben. Die Schulen müssen aber wieder geöffnet werden, damit die Beschäftigten ihrer Arbeit nachgehen können. Es sollte nach Ostern klar werden, in welcher Schrittfolge das gelingt. Die Regierung muss nun Schutzkleidung bereitstellen und mehr Tests durchführen. Hier ist auch die Wirtschaft gefragt. Vor allem: Es muss jetzt der Exit aus dem Lockdown vorgedacht und geplant werden.

In Österreich ist die Arbeitslosigkeit um 50 Prozent gestiegen. Droht uns auch in Deutschland solch eine Entwicklung?

Wenn eine baldige Lockerung der Corona-Beschränkungen keine Aussicht hat, ist Kurzarbeit kein Instrument mehr. Kurzarbeit dient nur zur Überbrückung einer überschaubaren Phase. Wir sehen an den vielen Anträgen auf Kurzarbeitergeld, dass diese Maßnahme funktioniert. Selbst wenn Ende April oder Anfang Mai das öffentliche Leben wieder aufgenommen wird, wird es noch viele Restriktionen geben. Es dürfte zwei bis drei Monate dauern, bis wir einigermaßen zu einem geordneten Wirtschaftsleben zurückkehren. Auch dann werden wir noch Kurzarbeitergeld benötigen, etwa in der Produktion. Im Einzelhandel oder beim sozialen Konsum mag dies anders sein, wenn die Läden wieder geöffnet werden können.

Nicht nur aus Italien gibt es heftige Kritik an mangelnder Solidarität in Europa in dieser Krise. Was spricht gegen Eurobonds?

Ich bin grundsätzlich gegen Eurobonds als Element einer europäischen Finanzarchitektur. Das ist eine Vergemeinschaftung von Risiken und Haftung, die nicht anreizförderlich ist. Aber in einer Krise wie jetzt gibt es Bedarf, solidarisch zu sein. Das kann nicht die Geldpolitik organisieren. Corona-Bonds halte ich für einen wichtigen Beitrag. Das Volumen ist vorab fest definiert und es ist eine einmalige Aktion. In einer solch schwierigen Lage, für die keiner in Europa durch Fehlverhalten verantwortlich ist, gewährt man damit Hilfe. Eine Pandemie darf nicht zu einer Staatsschuldenkrise führen. Wenn ich einen Rettungsring in der Hand habe und jemand ertrinkt, frage ich auch nicht vorher erst nach den finanziellen Sicherheiten, sondern werfe den Ring.

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