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Michael Hüther in der Passauer Neuen Presse Interview 12. Januar 2021

„Die Politik des massiven Lockdowns zeigt, dass man nicht weiterkommt”

Wir brauchen eine klar erkennbare Strategie der Politik, fordert IW-Direktor Michael Hüther im Interview mit der Passauer Neuen Presse. Doch diese hangele in einem Dreiwochenturnus von Sitzung zu Sitzung und dazwischen geschehe kaum etwas.

Die Rufe nach einem Herunterfahren der gesamten deutschen Wirtschaft wird angesichts anhaltend hoher Corona-Zahlen lauter. Was hätte das für Folgen?

Das würde massive wirtschaftliche Verluste auslösen. Wir kämen zurück in eine wirkliche Stillstands-Ökonomie, wie wir sie im März und April hatten mit all den schlimmen Konsequenzen, die das für die Einkommensentstehung mit sich bringt und dann sicherlich auch mit ganz anderen Arbeitslosen- und Insolvenzahlen. Insofern sollten wir umgekehrt sagen, wir müssen froh sein, dass die Industrie sich dieses Mal relativ robust entwickelt. Sie hat die Chancen auf den internationalen Märkten genutzt und das gibt uns den Handlungsspielraum, den wir brauchen. Zudem stellt sich die Frage, warum wir die ganze Wirtschaft herunterfahren sollten. Wir haben keinen Beleg, dass es hier besonders hohe Infektionsgefahren. Ich kann nicht wirklich nachvollziehen, wie man auf diese Forderungen kommen kann.

Sie raten also davon ab?

Ich rate eindeutig davon ab und werbe für eine sehr viel differenziertere Eingriffslogik.

Würde eine Schließungswelle, die auch die Industrie betrifft, Deutschland  in ein weiteres Rezessionsjahr zwingen?

Ja. Dann würden wir auf alle Fälle ganz schwach starten in diesem Jahr und danach eine nur mühsame Reaktivierung der Wirtschaft erleben. Abseits dessen sollten wir uns nicht der Illusion hingeben, dass es für solche Fälle immer offene Kassen des Finanzministers geben wird. Der tut sich ja schon schwer die ganz vollmundig angekündigten Corona-Hilfen auszureichen.

Bestehen unterhalb großflächiger  Schließungen Möglichkeiten, etwa Produktions- und Service-Bereichen, mehr für die Abwehr der Pandemie zu tun?

Eher nicht. Es gibt ja die Covid19-Arbeitsschutzregeln in der Krise, die überall ihren Niederschlag finden und in die massiv investiert wurde. Wir müssen den Mut haben, so etwas in dezentraler Verantwortung zu regeln.

Was ist mit der Schließung von Großraum-Büros, mit mehr Homeoffice?

Das ist alles schon unter den Bedingungen der Arbeitsschutzregeln zu organisieren. Ich glaube auch nicht, dass die Großraumbüros das Problem sind. Da kann man mit der Besetzung flexibel sein. Ansonsten habe ich keinen Zweifel daran, dass die Arbeitgeber mit den Beschäftigten das klug regeln, denn alle wissen ja um das Risiko.

Würden verpflichtende Regelungen weiterhelfen?

Nein. Es würde vor allem helfen, wenn das alles eingebettet wäre in eine erkennbare Strategie der Politik. Aber die hat ja keine. Sie hangelt sich in einem Dreiwochenturnus von Sitzung zu Sitzung und dazwischen geschieht kaum etwas. So werden Dinge, die beschlossen werden, nicht umgesetzt. Ein Beispiel ist die digitale Vernetzung der Gesundheitsämter. Die Corona-App ist eine Investitionsruine, keiner braucht sie. Insofern ist die Politik des massiven Lockdowns zeigt, dass man nicht weiterkommt.

Kann sich der Staat noch weitere Schließungen und deren finanzielle Abfederung leisten?

Wenn er das weiter so umsetzen wie jetzt, dass nämlich das Geld nicht abfließt, dann kann man viel ankündigen. Das ist zugegeben sarkastisch, doch so ist es. Jedenfalls sind Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsministerium gleichermaßen dafür verantwortlich, dass die November- und Dezember-Hilfen an Firmen nicht richtig, und wenn überhaupt nur mit Abschlagszahlungen auf die Straße kommen.

Rechnen Sie wie etliche Ihrer Kollegen auch mit einer heraufziehenden großen Pleitewelle?

Die haben wir vermutlich nicht in der Industrie. Wir werden sie aber zunehmend in den vom Lockdown betroffenen Bereichen sehen – also im Veranstaltungsgewerbe, im stationären Einzelhandel außerhalb des Lebensmittelsektors, im Hotel- und Gaststättengewerbe. Wir hören, dass in diesen Feldern rund ein Drittel der Betriebe gefährdet sind.
 

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