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IW-Direktor Michael Hüther
Michael Hüther im ZDF Interview 9. April 2022

„Das Wichtigste ist, den Menschen Sicherheit zu geben”

Hunderttausende flüchten von dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland. Im Interview mit dem ZDF spricht IW-Direktor Michael Hüther über Chancen und Risiken für den deutschen Arbeitsmarkt und die Lehren aus 2015.

Wie gut ist die deutsche Wirtschaft auf die Flüchtenden aus der Ukraine vorbereitet?

Zunächst geht es ja einmal nicht nur um die deutsche Wirtschaft, es geht darum, den Menschen Arbeit ab der ersten Minute anbieten zu können.

Das Wichtigste ist, den Menschen Sicherheit zu geben - und eine Perspektive für die Zeit, die sie hier sein müssen. Für die allermeisten gilt: Sie wollen zurück, hoffen, dass der Krieg bald vorbei ist.

Hier kommen Menschen aus dem europäischen Kulturkreis, das macht die Dinge leichter. Sie sind gut ausgebildet, das macht die Dinge nochmal leichter. Es ist für die Menschen wichtig, dass sie ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden können. Da die deutsche Wirtschaft durch Fachkräftemangel geprägt ist, fällt auch das leichter.

Wer kommt und in welchen Branchen kommen die Menschen unter?

Da die Männer ab 18 Jahren für die Landesverteidigung in der Ukraine bleiben müssen, sind es überwiegend Frauen, ältere Menschen und Kinder. Die Frauen sind die, die sich auf dem Arbeitsmarkt einbringen. Das trifft sich insofern gut, da die Berufe, in denen in Deutschland besonders Fachkräftemangel herrscht, im Bereich der Pflege, des sozialen Engagements, der Kinderbetreuung und der Erziehung, sind. Das klingt jetzt etwas rückwärtsgewandt, denn die Berufsbilder sind ja manchmal dann etwas traditionell geschlechtsspezifisch ausgeflaggt. Aber faktisch ist es so.

Wir müssen bei all dem immer sehen: Wir wollen nicht hoffen, dass die, die aus der Ukraine geflüchtet sind, lange bleiben müssen - das würde bedeuten, dass es eine Rückkehr nicht gibt. Insofern ist es ein Einfädeln vor allem in Berufe der sozialen und sonstigen Pflegedienstleistungen, wo wir hohe Engpässe haben.

Besteht eine Konkurrenz zwischen den geflüchteten und anderen Arbeitssuchenden?

In Deutschland haben wir seit circa 15 Jahren einen Arbeitsmarkt, der zunehmend von neuen Jobs und Abbau der Arbeitslosigkeit, aber auch von Fachkräftemangel geprägt ist. Wir haben einen Rückgang der Dauerarbeitslosigkeit, wie wir ihn lange nicht mehr erlebt haben, wir haben einen Erwerbsquote vor der Pandemie bei den 20- bis 64-Jährigen - und da sind wir fast wieder - von fast 80 Prozent. Diese Quote war im Jahr 2000 bei unter 70 Prozent.

Die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt haben sich verschoben. Die Menschen bestimmen die Bedingungen und nicht die Nachfrage nach Arbeit, nicht die Unternehmen. In einer solchen Situation ist die Aufnahmefähigkeit sehr viel leichter.

Im Vergleich zur Flüchtlingskrise 2015: Wo liegen Unterschiede, welche Rolle spielt kultureller Background oder Religion?

2015 war die Anzahl der Flüchtenden außerordentlich hoch - 1,5 Millionen Menschen, die in kurzer Zeit nach Deutschland gekommen sind. Es waren überwiegend männliche Flüchtlinge, es gab viele allein kommende Kinder, die man besonders integrieren musste.

Sie ist kulturell und sprachlich nicht aus einem anderen Raum, wie das im Fall von Syrien war. Und wir haben jetzt andere Erfahrungen und damit eine schnellere, bessere Integration in den Arbeitsmarkt. Die jetzige Migration profitiert also von den Erfahrungen ab 2015, wo wir vieles neu aufbauen mussten.

Wie gut haben wir die Geflüchteten aus 2015 in den Arbeitsmarkt integriert?

Nur gemessen an der Integration im Arbeitsmarkt sehen wir, dass die Hälfte integriert ist, bei schwierigen Anlaufsituationen, was zum Beispiel Ausbildung oder Vorqualifikationen anging. Und wir haben viele allein reisende Kinder integriert durch die Flexibilität im Schulsystem, die wir vorher so auch nicht hatten. Insofern ist das sehr gut gelaufen trotz damals laut gewordener Sorgen. Darauf kann in der jetzigen Situation aufgebaut werden.

Zum Interview auf zdf.de.

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