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(© Foto: Batalina/iStock)
Michael Voigtländer auf welt.de Gastbeitrag 10. Mai 2017

Das muss sich jetzt im Wohnungsbau ändern

Die Wohnungsnot in den Städten nimmt zu, die Preise steigen weiter. IW-Ökonom Michael Voigtländer benennt in seinem neuen Buch „Luxusgut Wohnen” Ursachen und schlägt wirksame Gegenmaßnahmen vor. Auf welt.de sind vorab fünf Thesen erschienen.

Wie konnte es nur so weit kommen? Innerhalb von nicht einmal zehn Jahren ist die Wohnungsnachfrage in Ballungszentren rasant gestiegen. Es gibt immer weniger bezahlbare Miet- oder Eigentumswohnungen. Michael Voigtländer, Ökonom und Wohnungsmarktexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, hat die Ursachen der Misere zusammengefasst und schlägt unter anderem Änderungen im Baurecht, in den Verwaltungen sowie in der Stadtplanung vor. Die „Welt” veröffentlicht auszugsweise fünf Thesen aus seinem neuen Buch „Luxusgut Wohnen”:

1. Wir brauchen eine Bodenwertsteuer

Ein Grundproblem des Wohnungsmangels und der geringen Verfügbarkeit von Bauland besteht darin, dass sich das Warten lohnt. Wer heute über Bauland in den Großstädten verfügt, kann mit Preissteigerungen von 10 bis über 15 Prozent pro Jahr rechnen. Für diese Wertsteigerungen muss man nichts tun, und sie sind sehr sicher, schließlich ist die Nachfrage hoch, und es ist kaum absehbar, dass die Bautätigkeit schnell steigt. Eine solche sichere Rendite ist kaum mit alternativen Anlagen zu erzielen, weshalb die Baulandzurückhaltung sehr attraktiv ist. …

Eine Bodenwertsteuer setzt ausschließlich am Wert des Grund und Bodens an. Diese Bemessungsgrundlage kann leicht auf Basis der Bodenrichtwerte, die flächendeckend von den Gutachterausschüssen auf Grundlage von Transaktionen ermittelt werden, bestimmt werden. Bodenrichtwerte können straßengenau ermittelt werden und sind auch von den Bürgern einsehbar.

Eine Steuer auf den Bodenwert unabhängig von den Aufbauten bedeutet, dass leere Grundstücke ebenso besteuert werden wie ein Grundstück mit einem Hochhaus daneben. Damit werden große Anreize gesetzt, ein Grundstück schnell der Bebauung zuzuführen. …

Auch Steuern müssen sich rechtfertigen lassen und ein Ansatz zur Erklärung einer Steuer ist der Äquivalenzgedanke, das heißt die Steuerzahlung stellt einen Gegenwert für die staatliche Leistung dar. Der Bodenwert wird maßgeblich durch kommunale Leistungen geprägt. Gute Verkehrsanbindungen, gute Schulen und insgesamt eine gute Infrastruktur locken Unternehmen und Menschen an, woraufhin die Preise für Grund und Boden steigen. … Setzt die Steuer nun am Boden an, partizipiert die Stadt unmittelbar an ihren Leistungen.

Leider geht die Diskussion der Landesfinanzminister derzeit in eine andere Richtung. Präferiert wird ein Modell, das an der Grundstücksfläche und am Sachwert des Gebäudes ansetzt.

2. Städte müssen auch nach oben wachsen

Es gibt inzwischen vielfältige Ideen, wie so etwas umgesetzt werden könnte. In Köln könnten mehrere Wolkenkratzer mit Wohnungen am Rhein entstehen, jeweils an den Enden der Stadt. Dort würde es keine Verschattungsprobleme geben und eine Anbindung an die Stadt wäre dennoch gewährleistet. Auch in vielen anderen Städten wären solche Lösungen denkbar. Werden solche Komplexe an der richtigen Stelle errichtet, können viele Wohnungen entstehen, die unterschiedliche Gruppen bedienen. Moderne Wohnhochhäuser bieten Luxusappartements in den oberen Etagen und günstigere Wohnungen unten. So wäre auch eine soziale Mischung gewährleistet. …

Es wäre jedoch auch schon viel gewonnen, wenn bei anderen Mehrfamilienhäusern zusätzliche Etagen geplant werden. In den seltensten Fällen wird bis an die Hochhausgrenze von 22 Metern gebaut. Vielfach haben Mehrfamilienhäuser nur drei bis fünf Etagen. Gelingt es, die Etagenzahl um durchschnittlich zwei zu erhöhen, könnten im Neubau bei Mehrfamilienhäusern rund 40 Prozent mehr Wohnungen entstehen. …

Das Problem sind aber oft die Genehmigungen. Sowohl die Genehmigung von Wohnhochhäusern als auch von Aufstockungen ist schwierig und langwierig. Dies liegt am fehlenden Personal in den Ämtern, aber auch an den hohen Standards, die etwa an den Brandschutz gelegt werden. …

Letztlich geht es um die Abwägung zwischen neuem Wohnraum und der Sicherheit. Natürlich ist Sicherheit ein hohes Gut, aber angesichts der Seltenheit eines Brandes und andererseits des akuten Bedarfes an Wohnraum sollten die Baugenehmigungen nicht nur anhand von Sicherheitserwägungen fallen. …

3. Die Großstädte brauchen neue Stadtviertel

Nachverdichtungen und höhere Bebauungen alleine werden nicht ausreichen, um den Wohnungsmangel zu überwinden. Benötigt werden daher eher neue Stadtviertel oder aber Entlastungsstädte. …

Für die Umlandgemeinden sind die eigene Ausweisung von Bauland und die Anregung von Bauvorhaben im großen Stil hingegen unattraktiv. Würde man rund 10.000 Wohnungen zwischen Münchner Flughafen und Stadt bauen, entstünde eine eigene Kleinstadt, die ihrerseits auch Infrastruktur braucht. Schließlich bräuchte es neue Schulen, Kindergärten, Straßen, Energieleitungen, Abwassersysteme und vieles mehr.

Zwar erzielt eine Gemeinde über die Ansiedlung neuer Bürger auch Einnahmen, aber in vielen Fällen sind die Kosten höher als die Erträge. Hinzu kommt der mögliche Widerstand der Bürger, die eine solch gravierende Veränderung ihrer Gemeinde fürchten. Grund genug also für viele Bürgermeister, solche Ideen weit wegzuschieben.

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Dass es auch anders gehen kann, zeigen unsere niederländischen Nachbarn. … Dort plant man unter anderem eine Entlastungsstadt auf dem alten Flughafengelände Valkenburg, etwa in der Mitte zwischen Amsterdam und Rotterdam. Dort sollen ab 2018 rund 5000 Wohnungen entstehen, zusätzlich auch Gewerbegebiete und Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten. …

Stadtplanung ist in Deutschland in den Händen der Kommunen, zentrale Planungen sind eher die Ausnahme. … Die überregionale Planung sollte also verstärkt, zumindest aber sollten die Verhandlungen zwischen Umlandgemeinden von Vertretern der Bundesländer moderiert werden. Darüber hinaus bedarf es einer vernünftigen Aufteilung der Kosten.

4. Die Verwaltung muss schneller werden

Nach einer Studie des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Köln beträgt die durchschnittliche Bearbeitungszeit für einen Bauantrag in Nordrhein-Westfalen 184 Tage. … 80 Prozent der Fälle dauern länger als zwölf Wochen, 20 Prozent der Fälle länger als neun Monate. …

Ein wesentlicher Grund für die immer längeren Genehmigungsverfahren ist die personelle Ausstattung der Bauämter. … Ein anderes Problem werden viele bestätigen können, die mit dem Bauamt zu tun haben. Die Mitarbeiter sind zwar meist freundlich und hilfsbereit, die grundsätzliche Haltung gegenüber Neubauprojekten ist jedoch eher ablehnend. Mit großer Akribie werden Fehler gesucht und Probleme identifiziert, die so manchen Bauherren abschrecken und zermürben. Die Fehlervermeidung ist das oberste Ziel der meisten Ämter, Schnelligkeit und Serviceorientierung müssen dahinter zurückstehen. …

Um diese Haltung zu ändern, bedarf es größerer Anreize. Explizite Serviceziele können hier weiterhelfen, ebenso wie Mitarbeiter, die Praxiserfahrung haben. Vor allem aber braucht die kommunale Verwaltung ein deutliches Signal der Bürgermeister, dass der Bau unterstützt werden muss. Wohnungsbau muss wieder Chefsache sein.

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Viele Akteure im Baumarkt betrachten Baugenehmigungen – leider – zudem als Geldanlage. Sie versuchen, die Baugenehmigung mit dem dazugehörigen Bauland mit großem Gewinn an Projektentwickler zu verkaufen. … Die Spekulation mit Baugenehmigungen könnte recht einfach reduziert werden: Die Dauer der Baugenehmigung müsste stärker befristet werden, zum Beispiel auf zwei oder sogar ein Jahr. Wird innerhalb des Jahres nicht mit dem Bau begonnen, verfällt die Baugenehmigung und muss neu beantragt werden.

5. Überprüfung von Standards im Bau

Der Wohnungsbau gehört zu den am strengsten regulierten Produkten überhaupt. Über die Landesbauordnungen wird sehr genau festgelegt, wie gebaut werden muss und welche Anforderungen erfüllt werden müssen, über die Energiesparverordnung (ENEV) werden sehr genau die energetischen Anforderungen definiert, zum Beispiel im Hinblick auf die Dämmung. … Aus der Umweltökonomie ist bekannt, dass Verbote und Aussagen zwar effektive Instrumente darstellen, sie aber eben innovative Lösungen behindern und mit deutlich höheren Kosten verbunden sind. …

Dass es auch anders gehen kann, wurde gerade durch die starke Flüchtlingszuwanderung deutlich. Auf einmal wurden im großen Umfang Wohnungen gebraucht, und man musste schnell handeln. Auf vielen Kongressen und Tagungen wurden Konzepte für einfache Wohnungen und Unterkünfte dargestellt. Dabei wurden etwa Wohnungen auf Leichtbetonbasis vorgeschlagen, die darüber hinaus flexibel aufgeteilt werden könnten und so sowohl mehreren Singles als auch einer Familie dienen können. …

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Statt den Wohnungsbau bis in die Details zu regulieren, sollten eher Ziele vorgegeben werden. Gerade bei den Energiestandards bietet sich dies an. Statt Vorgaben über die Dämmung oder die Heiztechnik zu machen, sollte besser ein Ziel für den Energieverbrauch und den Kohlendioxidausstoß vorgegeben werden. Wie diese Ziele erreicht werden, sollte dann den Unternehmen überlassen werden. Dies würde einen Innovationswettbewerb in Gang setzen, der auch zu einer Kostenreduktion beitragen würde. …

Insgesamt sollten die Standards im Bau gründlich durchleuchtet werden. In den Niederlanden wurden das Baugesetzbuch grundlegend neu geschrieben und alle Verordnungen und Gesetze auf den Prüfstand gestellt. Viele Regelungen konnten gänzlich gestrichen, andere vereinfacht werden. Im Ergebnis sanken die Baukosten erheblich. Solch eine grundlegende Reform ist auch für Deutschland wünschenswert, zumal die Lage hier noch komplizierter ist als bei unseren Nachbarn. Schließlich hat in Deutschland jedes Bundesland noch seine eigene Landesbauordnung.

Zum Gastbeitrag auf welt.de

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