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Michael Hüther im Handelsblatt Gastbeitrag 1. Juli 2020

Coronomics: Kritik nur im Detail

Das Konjunkturpaket ist beschlossen, der Begleitchor vielstimmig: Die einen halten es für wirkungslos, die anderen fordern schon das nächste Programm, und wieder andere warnen vor den langfristigen Folgen der damit verbundenen Kreditaufnahme.

Im Detail gibt es berechtigte Kritik. Doch das Gesamtpaket wirkt zur rechten Zeit und mit realistisch erwartbarer Zielgenauigkeit. Die Befristung ist richtig. Das infrage zu stellen ist genauso unbedacht wie die Forderung nach weiteren Hilfen. Wir befinden uns im Tal der Tränen: Die Lage hat sich noch nicht aufgehellt, wohl aber die Erwartungen - und dies in einem historischen Ausmaß, ähnlich dem vorherigen Absturz. Dahinein soll das Paket wirken.

Was bleibt zu tun? Man wird sorgsam beobachten müssen, wie sich im Herbst die Erholung manifestiert und wie sehr trotzdem Unternehmensinsolvenzen drohen. Wenn es zu viele sind, kann sich daraus eine Krise des Bankensystems ableiten. Die Corona-Kredite der KfW für kleine und mittelständische Unternehmen sind als Liquiditätshilfen gedacht und deshalb mit kurzer Laufzeit ausgestattet, in der Regel beträgt sie ein Jahr.

Besonders Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken haben diese Kredite vergeben. Die Institutssicherungssysteme beider Verbünde könnten gefordert sein. Bei einer weiter gehenden Insolvenzwelle ist nicht auszuschließen, dass auch die Privatbanken betroffen sind. Ob es angemessen wäre, vorsorglich die europäischen Großbanken zu rekapitalisieren, ist fraglich; die Finanzstabilität hat sich laut Bundesbank verbessert, und eine Rekapitalisierung zielt auf Staatsschuldenkrisen. Vorerst sollten die Probleme in der Realwirtschaft bereinigt werden, durch eine Negativsteuer für Unternehmen.

Was bleibt zu bedenken? Die Schuldenbremse ist ausgesetzt, ab dem Jahr 2023 soll über 20 Jahre getilgt werden. Abgabenerhöhungen oder gar neue Steuern wären kontraproduktiv. Um sie zu vermeiden, sollte die Tilgung von einer Wachstumsstrategie begleitet werden. Nach 2009 wurden Arbeitsplätze geschaffen und Zinsen gesenkt, womit es innerhalb von einer Dekade gelang, die Schuldenstandsquote wieder Maastricht-konform werden zu lassen. Das wird angesichts einer Erwerbsquote von derzeit 80 Prozent und absehbar schwächerer Investitionen nicht einfach zu wiederholen sein.

Entlastung schafft die Zinsentwicklung. Der demografisch bedingte Kapitalüberhang wirkt weiter. Der unternehmerische Kapitalbedarf wird infolge der Investitionszurückhaltung reduziert. Es spricht viel für weiter sehr niedrige Realzinsen. Die Anleger werden sich für sichere Bundesanleihen interessieren und dem Bundesfinanzminister das Geschäft erleichtern. Die neuen Schulden sind darum kein Anlass zur Panik.

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