Einmal mehr drohen schlechte Nachrichten. Im November wird die Bundesregierung ihren Rentenversicherungsbericht veröffentlichen. Zu befürchten ist, dass auf die Beschäftigten und ihre Arbeitgeber in den kommenden Jahren deutlich höhere Beitragssätze zukommen, schreiben IW-Direktor Michael Hüther und Jochen Pimpertz, Leiter des Clusters Staat, Steuern und Soziale Sicherung am IW, in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel.
Besser keine Aktienrente
Soll das gesetzliche Sicherungsniveau auch nach 2025 bei mindestens 48 Prozent gehalten werden, sind zusätzliche Anstrengungen vonnöten. Deshalb hat die FDP im Wahlkampf mit der „Aktienrente“ geworben. Die Idee hat es bis in den Koalitionsvertrag geschafft, die Regierungspartner wollen dazu einen „staatlich verantworteten Fonds … mit Abwahlmöglichkeit“ prüfen. Und die Zeit drängt, denn in den kommenden Jahren wechseln die Babyboomer in den Ruhestand. Vor diesem Hintergrund hat sich jüngst auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium (BFM) dafür ausgesprochen, die Arbeitnehmer zu einer ergänzenden kapitalgedeckten Zusatzrente zu verpflichten.
„Eine Verpflichtung zur ergänzenden Altersvorsorge ist nicht sinnvoll zu begründen.“
Kapitalgedeckte Altersvorsorge kann helfen, steigende Lasten für nachfolgende Generationen zu begrenzen. Denn in der gesetzlichen Rentenversicherung bedeuten mehr Rentner steigende Lasten für jüngere Beitragszahler. Anders bei der kapitalgedeckten Vorsorge. Hier kann im Alter nur so viel Rente gezahlt werden, wie der Sparer zuvor in den Vermögensaufbau investiert hat – Kinder bleiben außen vor. Nicht nur der BFM-Beirat befürchtet aber, dass Arbeitnehmer:innen freiwillig auf Vorsorge verzichten. Wenn dann im Alter die gesetzliche Rente nicht ausreicht, muss der Sozialstaat aushelfen – obwohl die Betroffenen aus eigener Kraft hätten vorsorgen können. Die Ökonomen sprechen bei so etwas vom „Free-Rider-Problem“, einem Trittbrettfahrerproblem.
Eine verpflichtende Vorsorge würde dem nicht abhelfen. Wer im Erwerbsalter bedürftig wird, kann nicht vorsorgen. Denn die Grundsicherung gewährleistet nur ein existenzsicherndes Einkommen, Vorsorgebeiträge zählen nicht dazu. Anders bei Geringverdienern, die nur mit einer geringen gesetzlichen Rente rechnen können. Gerade sie müssten zusätzlich vorsorgen, um im Alter ohne steuerfinanzierte Hilfen leben zu können. Ein verpflichtender Vorsorgebeitrag würde aber deren Nettoeinkommen verringern. Deshalb bedürfte es in diesem Fall der Unterstützung des Steuerzahlers, um für das Alter sparen zu können. Im ungünstigeren Fall verringert die Aussicht auf eine Grundrente jedoch den Arbeitsanreiz.
Für Haushalte, die in der Lage sind, aus eigener Kraft vorzusorgen, ist eine verpflichtende Zusatzvorsorge überhaupt nicht zu begründen. Entweder dürfen sie mit einer hinreichend hohen gesetzlichen Rente rechnen. Genau das ist der Sinn der gesetzlichen Sozialversicherung. Oder sie sorgen vor, aber nicht für eine Zusatzrente. Vielfach bilden Arbeitnehmer:innen Vermögen für das Alter. Nicht zuletzt leisten sie das im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung, die oftmals ein Wahlrecht zwischen Rente und Vermögen anbietet oder letzteres vorsieht. Die Verpflichtung, für eine kapitalgedeckte Zusatzrente zu sparen, stellt diese Art der Vorsorge in Frage.
Vermögen für das Alter zu bilden, ist aus mehreren Gründen wichtig: Vorkehrungen gilt es für den Pflegefall zu treffen, wenn die Wohnsituation altersgerecht gestaltet werden muss oder Eigenanteile zu finanzieren sind. Kapitalbildende Lebensversicherungen ermöglichen es, schon während des Vermögensaufbaus Angehörige für einen unerwarteten Schicksalsschlag abzusichern. In nicht wenigen Fällen ist das Kapital für die Tilgung einer Hypothek eingeplant, um im Alter keine Miete zahlen zu müssen. Auch stehen am Anfang des Erwerbslebens oft Weiterbildungswünsche. Weil das kostet, würden Mittel schmerzlich fehlen, die in eine verpflichtende Zusatzvorsorge fließen sollen.
Schon deshalb führt die Kritik in die Irre, Riester-Verträge würden nicht von allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten abgeschlossen. Sie können nicht jedem Sicherungsmotiv gerecht werden. Auch die Förderwirkung verändert sich mit der Einkommensentwicklung. Wer Vermögen bildet, um den Ruhestand abzusichern, könnte das Kapital aber frühzeitig aufzehren oder übertragen. Jedoch wäre der Sozialstaat dann erst gefordert, wenn die Alterseinkünfte zu gering ausfallen. Das lässt sich aber bei Eintritt in das Erwerbsleben nicht absehen, etwa weil mit einer Heirat auch der Partner zur gemeinsamen Alterssicherung beiträgt. Deshalb ist eine Verpflichtung zur ergänzenden Vorsorge nicht sinnvoll zu begründen, geschweige denn ausschließlich in Form einer Aktien- oder Riester-Rente. Zielführend wäre vielmehr, Vermögensbildung in die förderfähige Privatvorsorge einzubinden – vorausgesetzt, das entsprechende Vermögen wird erst zum Ruhestand ausgezahlt.
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