Digitalisierung vereinfacht das Sammeln, Speichern, Verteilen, Verarbeiten und die Analyse von Daten enorm. Dadurch wird die Entwicklung neuer und die Verbesserung bestehender Geschäftsmodelle in nie geahntem Ausmaß ermöglicht. Daten werden dadurch zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor für Unternehmen, der jedoch auch die Wirksamkeit des Wettbewerbs gefährden kann. Derzeit ist dies jedoch nicht der Fall.
Digitalisierung: Daten als Wettbewerbsfaktor
IW-Kurzbericht
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Digitalisierung vereinfacht das Sammeln, Speichern, Verteilen, Verarbeiten und die Analyse von Daten enorm. Dadurch wird die Entwicklung neuer und die Verbesserung bestehender Geschäftsmodelle in nie geahntem Ausmaß ermöglicht. Daten werden dadurch zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor für Unternehmen, der jedoch auch die Wirksamkeit des Wettbewerbs gefährden kann. Derzeit ist dies jedoch nicht der Fall.
Daten und Datengüter besitzen besondere Eigenschaften, die sie von anderen Wirtschaftsgütern unterscheiden. Insbesondere sind Daten nicht rival im Konsum. Das heißt, die Nutzung eines Datensatzes durch einen Akteur beeinträchtigt in der Regel nicht den Nutzen, den dieser Datensatz für einen anderen Akteur hat. Zudem ist das Kopieren und die anschließende Verteilung eines Datensatzes zu sehr geringen Kosten möglich und kann beliebig oft wiederholt werden (Lichtblau et al., 2018, 13).
Durch diese Eigenschaften können Daten gleichzeitig für alle sinnvollen Zwecke in einem Unternehmen genutzt werden. Laut OECD (2013) können Daten insbesondere für eine Verbesserung von Forschung und Entwicklung sorgen, das Marketing optimieren oder die Entscheidungsgrundlagen des Managements verbessern. Zusätzlich können Daten noch an andere Unternehmen weiterverkauft werden.
Die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten von Daten und die Zunahme der verfügbaren Menge haben bereits dazu geführt, dass datengetriebene Geschäftsmodelle die Top 10 der wertvollsten Unternehmen weltweit dominieren (Demary/Rusche, 2018). Auch unter den nicht
börsennotierten Unternehmen mit einem Wert von mehr als einer Milliarde Euro gehören digitale Plattformen zu den wertvollsten (ebenda).
Das schnelle Wachstum, welches unter anderem durch Daten ermöglicht wird und die Kontrolle über zum Teil sehr große Datenmengen, insbesondere von personenbezogenen Daten, haben jedoch auch zu Befürchtungen von Kartellbehörden geführt, dass datengetriebene Unternehmen Marktmacht erreichen und diese missbrauchen. Ein Missbrauch kann in diesem Zusammenhang verschiedene Formen annehmen:
- Marktmacht kann zu allgemein erhöhten Preisen und die Daten zusätzlich zu individualisierten Preisen führen.
- Eine der häufigsten Formen des Marktmachtmissbrauchs insbesondere bei kostenlosen Angeboten im Internet besteht im Setzen von ungünstigen Geschäftsbedingungen für den Verbraucher. Beispielsweise gelangte das Bundeskartellamt (2017b) zu der vorläufigen Einschätzung, dass die Nutzung von Daten von Drittquellen durch Facebook missbräuchlich ist. Die Nutzer mussten für die Nutzung von Facebook zustimmen, dass das Unternehmen Daten von anderen Diensten, wie Webseiten mit einem „Gefällt mir“-Button, mit den eigenen Daten kombinieren und auswerten darf.
- Es besteht auch die Möglichkeit, dass marktmächtige Unternehmen ihre Daten dazu nutzen, um den Wettbewerb auf anderen Märkten zu beeinflussen. Beispielsweise, wenn die Daten des Monopolisten notwendig sind, um Dienstleistungen auf einem angrenzenden Markt anzubieten, hat das marktmächtige Unternehmen die Möglichkeit keinen Zugang zu gewähren und selbst tätig zu werden oder nur bestimmten Unternehmen Zugang zu gewähren. Dadurch wird der Wettbewerb zu eigenen Gunsten verzerrt.
- Zudem besteht die Gefahr, dass Startups von etablierten Unternehmen aufgekauft werden und diese dann Zugriff auf einzigartige Daten der Startups erhalten. Dadurch können Marktführer einerseits ihre dominante Position festigen oder sogar ausbauen. Andererseits werden so unter Umständen Innovationen unterdrückt.
Die Kartellbehörden sind sich diesen Umständen bewusst und haben zum Teil bereits darauf reagiert (BMWi, 2017; Bundeskartellamt, 2017a).
Des Weiteren muss den Befürchtungen von Marktmacht durch Daten und deren Missbrauch entgegen gehalten werden, dass Daten im Moment noch eine untergeordnete Rolle im Wettbewerb spielen. So hat beispielsweise das Bundekartellamt festgestellt, dass der Zugang zu den Daten eines dominanten Unternehmens eine weniger wichtige Voraussetzung für den Markterfolg ist, als gemeinhin vermutet wird (Bundeskartellamt, 2017a, 11). Diese etwas überraschende Beobachtung lässt sich auf verschiedene Weise erklären (Demary/Rusche, 2018).
Daten als Rohmaterial
Daten sind zunächst ein Rohmaterial. Daten zu sammeln und zu speichern generiert keinen Mehrwert. Dieser entsteht insbesondere durch die Informationen, die aus den Daten gewonnen werden können (Aggarwal et al., 2016). In anderen Worten hat die Analyse von Daten, also auch die dafür verwendeten Algorithmen, eine besondere Bedeutung. Ein Beispiel für diesen Umstand stellt der Markt für allgemeine Onlinesuchen dar: Bevor Google in diesen Markt eintrat, war Yahoo! die dominierende Suchmaschine. Entsprechend muss Yahoo! auch eine große Menge an Suchdaten vorgelegen haben. Dennoch gelang es Google, aufgrund des besseren Algorithmus den Marktführer zu verdrängen.
Abnehmender Grenznutzen
Der Grenznutzen einer Ausweitung der vorliegenden und analysierbaren Datenmenge ist abnehmend, was auch beispielsweise Google bzw. Alphabet bestätigen (Grave/Nyberg, 2017, 367). Je höher die Datenmenge ist, desto höher sind auch die Kosten für das Speichern, Verarbeiten und die Analyse der Daten. Jedoch nimmt mit der Datenmenge auch der zusätzliche Nutzen ab, insbesondere wenn sich die neuen Daten nicht grundlegend von den bereits analysierten unterscheiden. Die Qualität der Information, die der Algorithmus aus den Daten gewinnt, kann bereits bei einer Teilmenge sehr hoch sein. Ein Markt kann folglich trotz Dominanz eines Unternehmens bestreitbar bleiben, da Startups theoretisch bereits mit vergleichsweise geringen Datenmengen ein wettbewerbsfähiges Produkt entwickeln können.
Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn Daten und die Informationen, die aus ihnen gewonnen werden, mit der Zeit an Wert verlieren. So gibt Körber (2015, 132) an, dass Nutzerdaten mit der Zeit exponentiell an Wert verlieren und damit auch eine mögliche Marktmacht auf Grund von Daten mit der Zeit schwindet, wenn die Daten nicht erneuert werden (können).
Einzigartigkeit der Daten
Zudem spielen Daten für den Zugang zu einem Markt aus wettbewerblicher Sicht nur eine wichtige Rolle, wenn zwei Bedingungen simultan erfüllt werden (Bundeskartellamt, 2017a, 7):
- Der Zugang zu einem spezifischen Satz Daten muss für den wirtschaftlichen Erfolg auf einem Markt unerlässlich sein und
- die anderen Akteure auf dem Markt dürfen nicht in der Lage sein, einen ähnlichen Datensatz zu kaufen oder selbst zu sammeln.
Bisher sind beide Bedingungen selten gleichzeitig erfüllt. Dies hängt insbesondere auch mit dem Verhalten der Verbraucher zusammen: Diese verwenden in der Regel mehrere Onlinedienste gleichzeitig, wodurch mehrere Unternehmen in der Lage sind, einen umfangreichen Satz an personen- und nicht-personenbezogenen Daten aufzubauen. Beispielsweise wird Google Search für die Suche nach einem Produkt verwendet, das anschließend auf eBay gekauft und mit PayPal bezahlt wird. Zum Teil wird der Kauf auf sozialen Netzwerken geteilt. Neben Internetdiensten, sind auch traditionelle Unternehmen wie Telekommunikationsanbieter, Banken oder die Post in der Lage einen umfangreichen, qualitativ hochwertigen Datensatz aufzubauen.
Zudem verringert die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums die Wahrscheinlichkeit eines exklusiven Satzes an Daten weiter: In Artikel 20 wird den Nutzern in Bezug auf ihre eigenen personenbezogenen Daten ein Recht auf Datenportabilität eingeräumt. Folglich können Nutzer beim Wechsel zu einem anderen Anbieter auch diesen mit ihren wertvollen Daten versorgen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Daten und deren Auswertung eine immer größere Rolle auch für den Wettbewerb, jedoch nicht begrenzt auf ihn, spielen. Dies wird sich verstärken, wenn die Digitalisierung auf immer mehr Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft übergreift. Der Befund, dass sie derzeit für das Funktionieren des Wettbewerbs keine akute Gefahr darstellen, kann sich vor diesem Hintergrund zeitnah ändern.
Vera Demary / Christian Rusche: Daten als Wettbewerbsfaktor
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