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Sarah Fluchs IW-Kurzbericht Nr. 35 10. Juni 2021 Batterierecycling: Potenziale zur Reduzierung der Rohstoffabhängigkeit

Die Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen steigt stetig und mit ihr der Bedarf an Rohstoffen. Zwar reichen die globalen Rohstoffvorkommen für Lithium, Kobalt und Nickel – wesentliche Bestandteile einer Lithium-Ionen-Batterie – aus, um den Bedarf zu decken, jedoch befinden sie sich in vielen Fällen konzentriert in risikoreichen Ländern. Ein effizientes Recycling kann die internationale Abhängigkeit reduzieren.

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Potenziale zur Reduzierung der Rohstoffabhängigkeit
Sarah Fluchs IW-Kurzbericht Nr. 35 10. Juni 2021

Batterierecycling: Potenziale zur Reduzierung der Rohstoffabhängigkeit

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen steigt stetig und mit ihr der Bedarf an Rohstoffen. Zwar reichen die globalen Rohstoffvorkommen für Lithium, Kobalt und Nickel – wesentliche Bestandteile einer Lithium-Ionen-Batterie – aus, um den Bedarf zu decken, jedoch befinden sie sich in vielen Fällen konzentriert in risikoreichen Ländern. Ein effizientes Recycling kann die internationale Abhängigkeit reduzieren.

Die Marktdurchdringung der Elektromobilität spielt als ein Baustein zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors eine wesentliche Rolle im Rahmen der Energiewende und des Klimaschutzes. Um die Emissionsziele des Klimaschutzplans, die für die jeweiligen Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft definiert sind, zu erreichen, ist der Verkehrssektor auf die Weiterentwicklung und die steigende Verbreitung von Elektrofahrzeugen angewiesen. Obwohl die Fahrzeuge jedoch in der Nutzung kein CO2 ausstoßen, stellt sich häufig die Frage, wie „grün“ sie tatsächlich sind. So ist nicht nur die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen notwendig, um ihre Energiebilanz zu neutralisieren, vielmehr müssen ebenso die Produktion und die verbauten Rohstoffe betrachtet werden, auch wenn die dort entstehenden Emissionen rein bilanziell nicht in den Verkehrssektor fallen. Insbesondere die Produktion der Fahrzeugbatterien steht häufig aufgrund der aufwändigen und energieintensiven Herstellung sowie des Einsatzes von wertvollen und teils kritischen Rohstoffen in der Kritik.

Studien kommen zu dem Schluss, dass die benötigten Rohstoffe selbst bei schneller Marktdurchdringung der Fahrzeuge und bei zeitgleichem Anstieg des Absatzes von Elektrogeräten ausreichen (Fraunhofer ISI, 2020). Nennenswert ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen zwei Arten von Rohstoffvorkommen: die Reserven, die mit vorhandenen Technologien wirtschaftlich gefördert werden können, und die Ressourcen, die nachweislich vorhanden sind, jedoch mit den heutigen Technologien noch nicht wirtschaftlich abgebaut werden können. An den Beispielen von Lithium, Kobalt und Nickel, die zu den wesentlichen Rohstoffen einer Lithium-Ionen-Batterie zählen, können die prognostizierten Bedarfe den Rohstoffvorkommen gegenübergestellt werden. Für Lithium wird ein globaler kumulierter Bedarf von 14 – 20 Millionen Tonnen bis 2050 prognostiziert, dem terrestrische Reserven von 17 Millionen Tonnen sowie Ressourcen von 80 Millionen Tonnen gegenüberstehen. Einem geschätzten globalen kumulierten Kobalt-Bedarf von 6 – 9 Millionen Tonnen bis 2050 stehen Reserven von 7 Millionen Tonnen und Ressourcen von 25 Millionen Tonnen gegenüber. Ebenso ist der angenommene globale kumulierte Nickel-Bedarf niedriger als die Summe aus Reserven und Ressourcen (US Geological Survey, 2020).

Nichtsdestotrotz können vorübergehende Rohstoffengpässe, beispielsweise durch die nicht genau zu prognostizierende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen oder durch volatile Rohstoffpreise, auftreten. Kobalt und Lithium sind hiervon besonders betroffen, da es häufig keine verlässlichen Zusicherungen für die Fertigstellung neuer Abbaustätten oder fixer Exportmengen zu festgelegten Zeiten gibt (Agora Verkehrswende, 2017).

Ein weiterer Aspekt hinsichtlich der Rohstoffversorgung für Lithium-Ionen-Batterien ist die geographische Zentrierung der Vorkommen in oftmals risikoreichen Ländern, insbesondere bezüglich ihrer politischen Situation. Folglich stehen deutsche und europäische Unternehmen, die zur Herstellung ihrer Produkte auf diese Rohstoffe angewiesen sind, in starker Abhängigkeit von diesen Ländern. Insbesondere der Abbau von Kobalt im Kongo, wo über die Hälfte der weltweiten Reserven liegen, steht aufgrund der umstrittenen Abbaubedingungen stark in der Kritik. Alternativen gibt es jedoch neben Australien kaum. Auch Lithium und Nickel sind geographisch stark zentriert. Während Lithiumvorkommen hauptsächlich in Chile, Australien, Argentinien und China zu finden sind, existieren die größten Nickelreserven in Indonesien, Australien und Brasilien (US Geological Survey, 2020).

Um dieser Rohstoffabhängigkeit und den möglichen temporären Engpässen entgegenzuwirken und den hohen Ressourceneinsatz in der Produktion durch Substitution von Primärrohstoffen durch Sekundärrohstoffe zu reduzieren, braucht es ein effizientes Recycling für die wichtigen Rohstoffe einer Batterie, zu denen neben Lithium, Kobalt und Nickel ebenso Mangan, Kupfer und Grafit zählen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen erfordert sowohl ein ressourceneffizientes und recyclingorientiertes Produktdesign als auch Wiederverwendungs-, Wiederverwertungs- und Recyclingstrategien.

 

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Sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene gibt es für Fahrzeuge und Batterien gesonderte Regulierungen. Die Verwertung von Lithium-Ionen-Batterien aus Altfahrzeugen wird in der EU durch die Altfahrzeug- und die Batterierichtlinie geregelt. Auf nationaler Ebene sind sie in die Altfahrzeugverordnung und das Batteriegesetz überführt. Die Altfahrzeugrichtlinie regelt die Verwertung von Fahrzeugen, die das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben und schreibt beispielsweise den Ausbau und eine separate Handhabung der Batterie vor. Die Batterierichtlinie inkludiert eine Herstellerhaftung sowie Mindestsammel- und Recyclingquoten für Batterien.

Die Frage, wie hoch der Effekt eines etablierten Recyclings von Lithium-Ionen-Batterien auf die Ressourceneinsparung und die Reduzierung der Rohstoffabhängigkeit sein kann, lässt sich anhand von Lithium, Nickel und Kobalt demonstrieren. Bei Sammelquoten zwischen 65 und 90 Prozent und einer Rückgewinnung von 70 Prozent (Europäische Kommission, 2020) des Lithiums aus Altbatterien könnte Lithium aus dem Batterierecycling bereits den europäischen Bedarf im Jahr 2040 zu 10 – 18 Prozent decken (Abbildung). Analog können Nickel und Kobalt mit einer Rückgewinnung von 95 Prozent aus dem Batterierecycling den Bedarf im Jahr 2040 zu jeweils 13 – 24 Prozent decken. Den Beispielen liegt eine durchschnittliche Fahrzeug- und Batterielebensdauer von 15 Jahren zugrunde, sodass 2040 die Batterien recycelt werden, die bereits 2025 auf den Markt kommen. Durch den prognostizierten starken Hochlauf der Elektromobilität in den nächsten Jahren ist demnach mit steigenden Anteilen zur Deckung des Bedarfs in den darauffolgenden Jahren zu rechnen.

Hinsichtlich des Produktdesigns steht im Beispiel der Batterie eine recyclinggerechte Konstruktion, die eine Trennung der Materialien am Ende des Lebenszyklus ermöglicht, sowie die Optimierung der eingesetzten Materialien im Vordergrund. So wurde der Kobaltanteil in einer Batterie deutlich reduziert. Während vor einigen Jahren Batterien vom Typ NMC-111 üblich waren, in denen das Mischverhältnis von Nickel, Mangan und Kobalt jeweils ein Drittel ist, sind inzwischen NMC-811-Batterien gängig, deren Gemisch 80 Prozent Nickel und jeweils zehn Prozent Mangan und Kobalt enthält.

In einem durchschnittlichen aktuell am Markt verfügbaren Batteriesystem stecken allein für die drei Rohstoffe Lithium, Kobalt und Nickel über 410 Euro Materialkosten (Deutsche Rohstoffagentur, 2020). So verdeutlicht der eingesetzte Wert der Materialien neben der Rohstoffabhängigkeit und der notwendigen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung die Kritizität eines effizienten Recyclings.

Recyclingverfahren müssen optimiert werden, um einerseits in großem Maßstab wirtschaftlich zu sein und andererseits die Recyclingeffizienzen zu erhöhen und so mehr Rohstoffe in hohen Reinheiten zurückgewinnen zu können, sodass ein erneuter Einsatz als Sekundärmaterial realisiert werden kann. Die Rücknahme gebrauchter Batterien muss definiert werden. Ziel muss sein, die Sammelquoten für Fahrzeugbatterien auf nahezu 100 Prozent zu bringen und rohstoffspezifische minimale Recyclingquoten für alle wichtigen Rohstoffe einer Batterie zu spezifizieren. Zudem werden einheitliche Kriterien für ein langlebiges sowie recyclinggerechtes und perspektivisch für ein zirkuläres Batteriedesign benötigt. Die richtige Weichenstellung der Politik zur Rückführung wichtiger Rohstoffe ist ein Schritt in der Transformation der Wirtschaft zu einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft.

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