Das deutsche Gesetz zur Umsetzung der neuen Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik beschäftigt Brüssel seit Monaten. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat anlässlich des deutschen Bauerntages ausgewertet, welche Regionen derzeit am meisten von den Agrargeldern aus Brüssel profitieren.
EU-Agrarförderung: So wichtig ist das Geld aus Brüssel
Bis Ende dieses Jahres soll Deutschland bei der EU-Kommission einen nationalen Strategieplan vorlegen, wie es ab 2023 die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) umsetzen will. Entsprechend aktiv ist aktuell die Politik: Im April einigten sich nach monatelangem Streit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Bundesumweltministerin Svenja Schulze auf einen Gesetzentwurf, zu dessen Inhalten bereits Anfang Juni eine öffentliche Anhörung stattfand.
Millionenverluste für Landwirte
Die erste Säule der GAP enthält die Direktzahlungen an Bauern – sie machen immer noch rund drei Viertel der gesamten Fördersumme aus. Der Rest, die zweite Säule, kommt der ländlichen Entwicklung zugute. Nun soll ab 2023 laut Gesetzentwurf vermehrt Geld aus der ersten Säule in die zweite Säule umgeschichtet werden – was für die Landwirte Millionen weniger bei den Direktzahlungen bedeutet. Noch sind die Details nicht ausgearbeitet: Je nachdem, aus welchen Töpfen der ersten Säule die Subventionen kommen, könnten Jungbauern oder Landwirte mit sehr viel Fläche überproportional belastet werden.
Basisprämien- und Greeningprämien bilden Grundlage
Aktuell bilden die Direktzahlung aus der Basis- und Greeningprämie die ökonomisch relevantesten Posten der ersten Säule. Die Daten aus dem letztverfügbaren Haushaltjahr 2020 zeigen, dass etwa 90 Prozent der gesamten ersten Säule auf die Basis- und Greeningprämie entfallen. Bei der Basisprämie werden Zahlungen je Hektar der beihilfefähigen Flächen gezahlt. Die Greeningprämie wird als Ausgleich für die Anwendung von dem Klima- und Umweltschutz förderlichen Landbewirtschaftungsmethoden, dem „Greening“, gewährt.
In Relation zur Größe des Landkreises kamen im Jahr 2020 laut IW mit über 21.500 Euro je Quadratkilometer die meisten Subventionen im Landkreis Vechta an. Insgesamt betrugen die beiden Prämien für das Haushaltsjahr 2020 gut 17 Millionen Euro. Auf Platz zwei liegt der thüringische Landkreis Sömmerda mit 20.000 Euro je Quadratkilometer – insgesamt über 16 Millionen Euro. Der Landkreis Friesland erhielt mit gut 18.000 Euro in Relation zur Fläche die drittmeisten Subventionen aus der ersten Säule, insgesamt rund 38 Millionen Euro. Dicht danach folgte Wolfenbüttel.
Eine größere regionale Bedeutung der Landwirtschaft geht mit höheren Prämienzahlungen einher: Die Korrelation der regionalen Bedeutung der Landwirtschaft und der Prämienzahlungen liegt bei +0,53. Die regionale Auswertung zeigt weiterhin, dass von der EU-Unterstützung nicht nur klassische Milchviehbetriebe, sondern zum Beispiel auch Weinbauregionen profitieren: In Alzey-Worms erhalten Landwirte knapp 18.000 Euro je Quadratkilometer. Gleichzeitig ist der Weinbau ein wichtiger Pfeiler der lokalen Wirtschaft, hier erwirtschaftet der Agrarsektor mehr als neun Prozent der nominalen Bruttowertschöpfung.
Über Umfang und Zielgenauigkeit von Agrarsubventionen gibt es jahrzehntelange Debatten. Erstens wird gefragt, ob die Proportionen beim EU-Haushalt stimmen, der mehr Geld für die Gemeinsame Agrarpolitik ausgibt als für die Regional- und Kohäsionspolitik und fast dreimal so viel wie für die Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Zweitens gibt es Hinweise darauf, dass ein erheblicher Teil der hektarbezogenen Direktzahlungen letztlich nicht beim Landwirt landet, sondern bei Nicht-Landwirten und Investoren. Boden ist nicht erst in Zeiten der allgemeinen Niedrigzinspolitik ein knappes Gut, das Anleger auf den Plan ruft. Drittens wird bezüglich der Struktur der Landwirtschaftshilfen kritisch hinterfragt, ob damit eine nachhaltige Flächenbewirtschaftung unterstützt wird. Immerhin hat hier die Umsteuerung der Agrarsubventionen bei den Direktzahlungen mit der Einführung des „Greening“ – also Auflagen zum Erhalt von Dauergrünland, Bereitstellung ökologischer Vorrangflächen und Fruchtenvielfalt – bereits begonnen. Das Gewicht der hektarbezogenen Direktzahlungen innerhalb der ersten Säule ist damit schon relativ zurückgegangen. „Wenn jetzt mit der anstehenden Reform auch noch die zweite Säule der Ausgaben für die ländliche Entwicklung gegenüber der ersten Säule gestärkt wird, wäre dies ein weiterer Schritt in eine nachhaltigkeitsorientierte Agrarpolitik“, sagt IW-Wissenschaftsleiter Hans-Peter Klös.
Direktzahlungen an Landwirte je Quadratkilometer Fläche (Basis- und Greeningprämien)
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Anteil des Agrarsektors an der nominalen Bruttowertschöpfung
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