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Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 31 19. April 2017 Haushalt NRW: Neue Schulden in Sicht

Nordrhein-Westfalen (NRW) erzielte 2016 dank mehrerer Sondereffekte nach mehr als 40 Jahren wieder einen Haushaltsüberschuss. Schon im laufenden Jahr plant die Landesregierung allerdings wieder mit einem Defizit. Dabei wachsen die Landeseinnahmen stärker als die Wirtschaft. Im Wahlkampf machen die Parteien dennoch vor allem neue Ausgabenversprechen.

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Neue Schulden in Sicht
Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 31 19. April 2017

Haushalt NRW: Neue Schulden in Sicht

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Nordrhein-Westfalen (NRW) erzielte 2016 dank mehrerer Sondereffekte nach mehr als 40 Jahren wieder einen Haushaltsüberschuss. Schon im laufenden Jahr plant die Landesregierung allerdings wieder mit einem Defizit. Dabei wachsen die Landeseinnahmen stärker als die Wirtschaft. Im Wahlkampf machen die Parteien dennoch vor allem neue Ausgabenversprechen.

Erstmals seit 1973 konnte ein Finanzminister des Landes NRW Anfang dieses Jahres einen Haushaltsüberschuss vermelden. Dabei waren im wenige Monate zuvor verabschiedeten Haushaltsplan für das Jahr 2016 noch neue Schulden in Höhe von 1,8 Milliarden Euro vorgesehen (Landesregierung NRW, 2016). Damit gehört NRW zu den 14 Bundesländern, die im vergangenen Jahr einen Überschuss erzielt haben. Im Vergleich zu den anderen Überschussländern fällt das Plus in NRW mit 143 Millionen Euro relativ gering aus – nur im Saarland ist der Wert kleiner. An der Spitze liegen Bayern mit 1,9 Milliarden Euro, Berlin mit 1,3 Milliarden Euro und Niedersachsen mit 1,0 Milliarden Euro Überschuss (BMF, 2017).

Allerdings erzählen diese erfreulichen Werte nicht die ganze Wahrheit. Beispielsweise hat Sachsen nur deshalb ein Defizit ausgewiesen, weil es Tilgungszahlungen geleistet hat. Gleichzeitig kamen drei Effekte zusammen, die sich positiv auf die finanzielle Situation der Bundesländer ausgewirkt haben: Erstens sind die Steuereinnahmen noch stärker gestiegen als in den Haushaltsplänen unterstellt war. Zweitens konnten insbesondere mit Blick auf die Flüchtlingsintegration nicht alle geplanten Ausgaben realisiert werden, zum Beispiel stockt die Einstellung von Lehrern. Drittens sind die Zinsausgaben weiter gesunken.

Im Fall von NRW sind im Jahr 2016 die Steuereinnahmen um 1 Milliarde Euro höher ausgefallen als prognostiziert, während die Ausgaben um 1,5 Milliarden Euro unterhalb der Planung lagen (Landesregierung NRW, 2017). So lässt sich der Haushaltsüberschuss trotz der Defizitplanung erklären. Zudem hatte die Landesregierung bereits zuvor die Belastung für das Haushaltsjahr 2016 gesenkt, indem der für das Jahr 2016 vorgesehene Aufbau des Pensionsfonds in Höhe von 635 Millionen Euro um ein Jahr vorgezogen wurde und im Jahr 2016 daher keine Einzahlung stattfand. Ab 2017 sinken die Zuführungen planmäßig auf nur noch 200 Millionen Euro pro Jahr, obwohl steigende Versorgungsausgaben für die in Pension gehenden Beamten abzusehen sind. Zudem hatte der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb im Jahr 2016 Darlehen in Höhe von 585 Millionen Euro vorzeitig zurückgezahlt. Was dem Haushalt 2016 zugutekommt, fehlt in den kommenden Jahren. So rechnet die Landesregierung im laufenden Jahr mit neuen Schulden in Höhe von 1,6 Milliarden Euro (Finanzministerium des Landes NRW, 2016).

Die im Haushalt ausgewiesenen Investitionen wachsen gleichzeitig weniger stark als die Gesamtausgaben – eine sinkende Investitionsquote ist die Folge (Hentze, 2017). Dabei betonen alle im Landtag vertretenen Parteien, wie wichtig Investitionen in Bildung und Infrastruktur für die Zukunft des Landes sind. In den Wahlprogrammen nehmen Investitionen in Verkehrswege, Digitalisierung, Bildung und Kinderbetreuung einen großen Raum ein. Zudem sollen die Ausgaben für innere Sicherheit unter anderem durch zusätzliche Polizisten erhöht und die Kommunen gestärkt werden. Konkrete Ansätze zu Einsparungen finden sich auf der anderen Seite dagegen weniger – als allgemeine Zielsetzung wird Bürokratieabbau in den Programmen mehrfach genannt. Vielmehr wird auf weiter kräftig steigende Einnahmen gesetzt. SPD und Grüne fordern zur Erfüllung der Landesausgaben zusätzliche Mittel vom Bund (NRW SPD, 2017; Bündnis 90/Die Grünen NRW, 2017).

Dabei reklamiert das Land NRW seit Jahren einen immer größeren Anteil der Wirtschaftskraft für sich. Die Steuereinnahmen sind bezogen auf die Wirtschaftskraft des Landes seit der Finanzkrise von unter 7 Prozent im Jahr 2010 auf gut 8 Prozent im Jahr 2016 gestiegen. Dadurch standen der Landesregierung 2016 Steuermehreinnahmen in Höhe von 9 Milliarden Euro zur Verfügung. Im gesamten Zeitraum belaufen sich die Mehreinnahmen für das Land auf rund 28 Milliarden Euro (Abbildung).

In der dargestellten volkswirtschaftlichen Steuerquote bezogen auf das Bundesland sind unter anderem Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich sowie Zuschüsse des Bundes nicht berücksichtigt. Ebenso wenig werden steuerähnliche Abgaben wie die Spielbankabgabe, Einnahmen aus Gebühren und Entgelten oder Erträge aus Unternehmensbeteiligungen und Veräußerungen erfasst. Sofern die gesamten Einnahmen des Landes ins Verhältnis zur Entwicklung des regionalen Bruttoinlandsprodukts gesetzt werden, zeigt sich ein ähnlicher Anstieg der Quote wie für die Steuereinnahmen um annähernd 2 Prozentpunkte auf 10,4 Prozent im Jahr 2016. Bürger und Unternehmen führen also deutlich mehr des Erwirtschafteten an den Fiskus ab als noch vor einigen Jahren.

Eine Entlastung von Bürgern und Unternehmen wäre angesichts dieser Entwicklung angebracht. Teilweise finden sich in den Wahlprogrammen dazu konkrete Ansätze: Die Piratenpartei will beispielsweise die seit 2011 von 3,5 Prozent auf 6,5 Prozent erhöhte Grunderwerbsteuer immerhin auf 5 Prozent senken, die FDP will einen Freibetrag für den Ersterwerb in Höhe von 500.000 Euro einführen (Piraten, 2017; FDP NRW, 2017). Auch die CDU denkt über einen Freibetrag nach und will zudem die Erhöhungsspirale bei Grund- und Gewerbesteuer stoppen (NRW CDU, 2017). Da die Einnahmen aus diesen beiden Steuern den Gemeinden zustehen, wird dafür eine bessere kommunale Finanzausstattung vonnöten sein. Zudem werden Einkommensteuerentlastungen insbesondere zugunsten kleiner und mittlerer Einkommen vorgeschlagen. Dabei ist NRW auf eine Einigung mit dem Bund und den anderen Bundesländern angewiesen, da es sich um Gemeinschaftssteuern handelt.

Ob mit oder ohne steuerliche Entlastung bedeutet dies für eine neue Landesregierung in jedem Fall, dass die Ausgabenseite im Sinne einer nachhaltigen Finanzpolitik stärker hinterfragt werden muss. Denn von einem soliden Haushalt ist das Land NRW noch weit entfernt. Dabei deuten die Wahlprogramme der Parteien in der Summe nicht auf mehr Konsolidierung hin: Die Liste für Mehrausgaben ist länger als die Liste für Einsparungen.

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