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Andreas Fischer auf Focus online Gastbeitrag 19. Februar 2024

Was hinter Habecks CO2-Speicher-Plan steckt, auf den Deutschlands Industrie wartet

CO₂ sammeln und dann dauerhaft speichern oder nutzen? Genau diese Technologien sollen in der CMS-Strategie von Wirtschaftsminister Habeck für Deutschland zum Einsatz kommen. In welchen Fällen die CO₂-Speicherung sinnvoll eingesetzt werden kann – und wie das dem Klima hilft, erklärt IW-Ökonom Andreas Fischer in einem Gastbeitrag auf Focus online.

Energiekrise und Energiewende - das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) hat bei beidem weiter viel zu tun. Neben notwendigen Leitungen für Gas, Strom und Wasserstoff gibt es noch eine weitere infrastrukturelle Baustelle: Eine CO 2 -Infrastruktur. Zu diesem Zweck hat sich das Ministerium in den vergangenen Monaten umfangreich mit Stakeholdern ausgetauscht, u.a. mit Vertretern aus Industrie und Umweltschutzverbänden. Am Ende soll eine Carbon Management-Strategie stehen, die - analog zur nationale Wasserstoffstrategie in 2020 – einen Plan vorzeichnet, ob, in welchem Umfang und bei welchen Anwendungen das Abfangen von CO 2 einen relevanten Beitrag zum Klimaziel 2045 beitragen soll.

CO2-Speicher-Plan: Geplante Strategie des Wirtschaftsministeriums

Dazu gehört das direkte Abfangen entstehender Emissionen, beispielsweise bei industriellen Prozessen, der Transport dieser CO 2 -Mengen sowie die Frage, wo diese wiederverwendet oder unterirdisch gespeichert werden können. Einige europäische Nachbarländer, wie die Niederlande oder auch einige skandinavischen Länder, sind schon weiter und haben konkrete Pläne. Nordrhein-Westfalen hat bereits 2021 als erstes eine eigene Carbon-Management Strategie aufgesetzt. Das BMWK sitzt nun an entsprechenden Plänen für das ganze Bundesgebiet – diese lassen allerdings bisher auf sich warten.

Beitrag der Technologie zum Klimaschutz

Theoretisch lässt sich die CCU/S-Technologie in einer ganzen Reihe von Prozessen anwenden. So lassen sich etwa Emissionen von Gas- und Kohlekraftwerken abfangen und speichern. Dies wird bereits in ersten Anlagen umgesetzt, beispielsweise in den USA. Allerdings braucht es dafür die entsprechenden Anlagen und Infrastrukturen für Transport und Speicherung. Diese fehlen bisher in Deutschland. Einige Studien skizzieren die Möglichkeit das abgefangene CO 2 kurz- bis mittelfristig per LKW und Schiff zu transportieren. Langfristig braucht es aber zumindest bei zentralen Industriestandorten wohl auch Anschlüsse an eine entsprechende Pipelineinfrastruktur.

Ohnehin muss viel Geld in die Hand genommen werden, um bis 2045 klimaneutral zu sein. Öffentliche und private Finanzmittel sind allerdings begrenzt - gerade aufgrund der aktuellen Haushaltssituation - und es ist wichtig, dort in neue Technologien und Infrastrukturen zu investieren, wo der Klimaschutz effektiv und kosteneffizient vorangebracht werden kann und es an günstigen Alternativen mangelt. Für den Großteil der Stromerzeugung stehen beispielsweise Erneuerbare Energien zur Verfügung, allen voran Wind und Solar. Die ohnehin den günstigsten Strom liefern.

Dagegen gibt es in der Industrie einige Prozesse, die ihre Emissionen auch künftig nicht vollständig vermeiden können. Zentrale Fälle finden sich in der Zement- und Kalkindustrie. Aber auch in der chemischen Industrie und der Produktion von Glas- und Metallen können bisher nicht gänzlich alle Emissionen vermieden werden. Bei der Zementherstellung entstehen 50 bis 70 Prozent der Emissionen prozessbedingt und sind nicht auf den Einsatz fossiler Energieträger zurückzuführen. Das CO 2 entweicht bei der Verarbeitung – der sogenannten Kalzinierung – des Kalksteins und kann nicht durch den Einsatz von grüner Energie vermieden werden.

Zudem ist Kohlenstoff auch ein wichtiger Rohstoff für die Industrie. Beispielsweise für die perspektivische Erzeugung von Grundstoffchemikalien und Treibstoffen – den viel diskutierten E-Fuels - mithilfe von grünem Wasserstoff, wird Kohlenstoff benötigt. Zusätzlich bieten die CCU/S-Technologien den Vorteil, dass sie für sogenannte Negativemissionen genutzt werden können. Konkret heißt das: Biomasse wird als Energieträger eingesetzt – wodurch der jeweilige Prozess bereits klimaneutral ist. Zusätzlich werden die entstehenden CO 2 Emissionen abgefangen und anschließend im Boden oder Produkten gebunden. Dadurch wird das CO 2 in der Atmosphäre reduziert. Viele Studien skizzieren dies als Möglichkeit schwer vermeidbare Emissionen, beispielsweise aus der Landwirtschaft, auszugleichen.

Unklare Rechtslage und fragliche Akzeptanz

Bisher fehlt der gesetzliche Rahmen, um die Technologie für den Klimaschutz zu nutzen. Unter anderem ist es bisher nur zu Demonstrationszwecken zulässig, CO 2 unterirdisch zu speichern. Ebenso muss noch geklärt werden, wie künftig mit dem grenzüberschreitenden Transport von CO 2 umgegangen wird. Daher braucht es zeitnah entsprechende Weichenstellungen.

Wie hoch die Zustimmung in der Gesellschaft ist, falls künftig Rohrleitungen für das abgefangene CO 2 verlegt werden, ist ebenfalls noch unklar. Bisherige Untersuchungen zeigen allerdings, dass die Zustimmung für die Technologie vom Ursprung der Emissionen abhängt: Die Leute sind tendenziell weniger skeptisch, wenn es sich um CO 2 aus Biomassekraftwerken oder - teilweise unvermeidbaren – Emissionen aus der Industrie handelte. Eine Anwendung bei Kohlekraftwerken wird deutlich kritischer gesehen. Ähnlich befürchten einige Umweltverbände, dass dadurch fossile Kraftwerke einfach weiterbetreiben werden und eine konsequente Umstellung auf klimafreundliche Alternativen verschleppt wird. Aber auch dort ist man mittlerweile deutlich aufgeschlossener, die Technologien zur Vermeidung von industriellen Emissionen oder gar für mögliche Negativemissionen zu nutzen.

Daher fehlt noch ein klares Bild, ob und wieviel Widerstand dem Bau einer CO 2 -Infrastruktur an Industriestandorten entgegenschlagen könnte. Allerdings dürfte sie deutlich mehr Befürworter finden als bei der potenziellen Lebensverlängerung alter Kohlekraftwerke. Denn zukünftig soll uns CCU/S auf dem Weg zu den Klimazielen dort über die Ziellinie helfen, wo es an Alternativen fehlt.

Keine Industriewende ohne CCU/S

Aus diesen Gründen ist es wichtig und richtig, dass das Wirtschaftsministerium die Möglichkeiten von CCS/U in Deutschland prüft und skizziert. Schon seit einigen Jahren zeigten Wissenschaftler auf, dass die CCU/S-Technologie zur Erreichung der Klimaziele nötig ist – vor allem, um die bestehende industrielle Stärke in Deutschland zu erhalten. Bei der Energieversorgung gibt es durch die Erneuerbaren Energien sinnvollere Alternativen, aber zur Vermeidung einiger Prozessemissionen braucht es auch diese Technologie – inklusive der notwendigen Infrastruktur. Ohne diese ist das Ziel der Klimaneutralität in 2045 wohl kaum zu erreichen. Daher brauchen wir zeitnah eine Anpassung des politischen und rechtlichen Rahmens als auch langfristig die vielbesagte Deutschlandgeschwindigkeit beim Aufbau einer CO 2 -Infrastruktur.

Hier geht es zum Artikel auf Focus.de.

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