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Ralph Henger / Thilo Schaefer IW-Kurzbericht Nr. 58 12. September 2016 Grundsteuerreform: Eine Bodensteuer wäre besser

Die Finanzminister der Länder wollen auch künftig die Grundsteuer am Wert von Grund und Boden einschließlich der Gebäude bemessen. Doch dafür müssen die zuständigen Behörden den aktuellen Wert der Gebäude aufwendig neu ermitteln. Dabei ließe sich die Grundsteuer viel einfacher reformieren – und würde nebenbei dringend benötigte Investitionen in neue und bestehende Gebäude fördern.

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Eine Bodensteuer wäre besser
Ralph Henger / Thilo Schaefer IW-Kurzbericht Nr. 58 12. September 2016

Grundsteuerreform: Eine Bodensteuer wäre besser

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Finanzminister der Länder wollen auch künftig die Grundsteuer am Wert von Grund und Boden einschließlich der Gebäude bemessen. Doch dafür müssen die zuständigen Behörden den aktuellen Wert der Gebäude aufwendig neu ermitteln. Dabei ließe sich die Grundsteuer viel einfacher reformieren – und würde nebenbei dringend benötigte Investitionen in neue und bestehende Gebäude fördern.

Aktuell bemisst sich die Grundsteuer nach den sogenannten Einheitswerten, also dem Wert eines Grundstücks zu einem bestimmten Stichtag. In Westdeutschland stammt dieser Wert aus dem Jahr 1964, in Ostdeutschland sogar aus dem Jahr 1935. Kaum verwunderlich: In vielen Fällen hat diese Bewertung nichts mehr mit den heutigen Verkehrswerten zu tun. Die Länder müssen die Grundsteuer dringend reformieren, zumal sie nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht mehr verfassungskonform ist. Doch bei allen diskutierten und denkbaren Reformmodellen gibt es Gewinner und Verlierer. Entsprechend schwierig und langwierig waren bisher die politischen Verhandlungen.

Nun gibt es einen Reformvorschlag der Länder-finanzminister aller Bundesländer außer Bayern und Hamburg (Länderfinanzminister, 2016 a, b, c). In der kommenden Sitzung am 23. September 2016 wird er in den Bundesrat eingebracht. Er sieht vor, dass die Grundsteuer auch zukünftig am Wert von Grund und Boden einschließlich seiner darauf stehenden Gebäude ansetzt. Die Bewertung von Grund und Boden soll dabei anhand der Bodenrichtwerte erfolgen. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen, da diese von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte erhoben werden und mittlerweile in allen Bundesländern nahezu flächendeckend vorliegen (Henger/Schaefer, 2015).

Die Gebäude sollen jedoch darüber hinaus nach einer Art vereinfachten Sachwertverfahren bewertet werden, welches individuelle Ausstattungs- oder Ausbaumerkmale sowie Modernisierungsmaßnahmen am Gebäude als auch Marktanpassungsfaktoren außen vor lässt. Hierbei wird ein Systemwechsel vollzogen, da es nicht mehr das Ziel ist, den Verkehrswert abzubilden, sondern einen sogenannten „Kostenwert“, der den im Gebäude verkörperten Investitionsaufwand abbilden soll. Dieser Wechsel und die Neubewertung aller 35 Millionen Grundstücke in Deutschland ist enorm aufwendig und bedeutet nicht nur eine gewaltige Belastung der Verwaltung, sondern wird nach den jetzigen Planungen auch rund zehn Jahre in Anspruch nehmen.

Das neue Bewertungskonzept erfasst die Gebäude insgesamt zu pauschal. Die sogenannten Pauschalherstellungskosten (in Euro je Quadratmeter Bruttogrundfläche, siehe Beispielrechnung) unterscheiden nur zwischen der Nutzungsart und drei Baualtersklassen. Vom darauf abgeleiteten Gebäudewert wird eine Alterswertminderung abgesetzt, die auf 70 Prozent des Gebäudewerts begrenzt ist. Hierdurch werden insbesondere Neubauten gegenüber modernisierten Altbauten vergleichbarer Wertigkeit steuerlich benachteiligt. Dies wäre ein katastrophales Signal an Investoren, die in angespannten Wohnungsmärkten neue Wohnungen und Gebäude errichten wollen. Darüber hinaus bleiben durch die pauschalen Herstellungskosten alle baulichen und qualitativen Unterschiede zwischen Gebäuden gleichen Baujahrs außen vor, sodass erhebliche Abweichungen vom Verkehrswert auftreten können. Somit dürfte der Vorschlag der Finanzminister neben dem Gleichheitsgrundsatz gegen eine grundlegende Forderung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2014 verstoßen, die eine Bemessung der Grundsteuer am Verkehrswert verlangt (Löhr, 2016).

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt ist zudem, dass eine derartige Grundsteuer zu einer ineffizienten Grundstücksnutzung führt, da Investitionen in den Bestand bestraft werden und baureife Grundstücke nicht zu einer Bebauung mobilisiert werden. So müssen Investoren, die durch einen Ausbau den Wert ihrer Gebäude erhöhen, mehr Steuern bezahlen. Investitionen in den Bestand droht eine Strafsteuer. Gleiches gilt für den Neubau: Wer sein Grundstück bebaut, zahlt mehr Steuern. Unbebaute Grundstücke können bei einer derart ausgestalten Steuer relativ kostengünstig zu Spekulationszwecken gehalten werden. Dies stellt speziell in angespannten Wohnungsmärkten ein großes Problem dar. Auch wenn Investoren nicht alleine aufgrund der Grundsteuerbelastung entscheiden, bleibt festzuhalten, dass beim jetzigen Reformvorschlag der Länderfinanzminister Investitionen in große Gebäude, die auf engem Raum Platz für viele Bewohner bieten, benachteiligt werden. So wird eine große Chance vertan, die Grundsteuer einfacher und gerechter zu gestalten.

Die Reform soll insgesamt aufkommensneutral gestaltet sein. Hierzu sollen die Steuermesszahlen nach Abschluss der Neubewertung in rund zehn Jahren neu festgelegt werden – nach dem jetzigen Vorschlag gegebenenfalls auch von den Bundesländern unterschiedlich. Für die Bundesländer ist die Grundsteuer vor allem deshalb relevant, da sie die Finanzkraft mitbestimmt, die über die Höhe der Länderfinanzausgleichszahlungen entscheidet. Durch die Öffnungsklausel für landesspezifische Messzahlen haben die Bundesländer nun die Möglichkeit die Umverteilungswirkungen gering zu halten. Auch die Kommunen werden ihre Hebesätze in der Regel so verändern können, dass sich ihr Grundsteueraufkommen kaum verändert und damit als zentrale Einnahmequelle erhalten bleibt. Für Eigentümer wird es dagegen einen großen Anteil deutlicher Gewinner und Verlierer geben, da die völlig veralteten Einheitswerte die heutigen Werte nicht mehr richtig abbilden.

Insgesamt fällt das Urteil über das Grundsteuer-Reformmodell der Länderfinanzminister sehr negativ aus. Das neue Bewertungskonzept überzeugt inhaltlich kaum und führt zu einem sehr hohen bürokratischen Aufwand, da alle Grundstücke einmal neu evaluiert werden müssen. Dabei gibt es eine viel einfachere Lösung: Die Gebäude sollten schlicht bei der Bemessung der Grundsteuer außen vor bleiben und die Grundsteuer sollte als Bodensteuer konzipiert werden (Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“; Henger/Schaefer, 2015). Dann könnte die Grundsteuer auf Basis der bereits vorliegenden Bodenrichtwerte ermittelt werden. Die dringend benötigte Grundsteuerreform ließe sich so wesentlich schneller und unbürokratischer umsetzen. Zudem würden nicht länger Investitionen in Gebäude belastet. Im Gegenteil: Wenn für ein unbebautes Stück Land dieselbe Steuer fällig wird wie für ein bebautes, ist der Anreiz für die Besitzer groß, das Bauland nicht länger brachliegen zu lassen. Unbebaute Grundstücke in Großstädten würden bei einer Bodensteuer deutlich höher besteuert werden – zugunsten von Mehrfamilienhausgrundstücken. Gerade in Zeiten knappen Wohnraums in vielen Ballungsräumen wäre dies ein wünschenswertes Signal an die Investoren.

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