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Gesina Leininger / Nora Rohr / Luena Zifle / Dirk Werner IW-Kurzbericht Nr. 9 28. Februar 2024 Indien als wichtiges Fokusland bei der Fachkräfteeinwanderung

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2020 vereinfacht im Zusammenspiel mit der beruflichen Anerkennung die Einwanderung für Fachkräfte aus Drittstaaten. Es gilt für Deutschland, diese neuen Potenziale zu identifizieren. In diesem Kurzbericht liegt der Fokus auf indischen Berufsabschlüssen, die eine hohe Anerkennungswahrscheinlichkeit aufweisen.

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Indien als wichtiges Fokusland bei der Fachkräfteeinwanderung
Gesina Leininger / Nora Rohr / Luena Zifle / Dirk Werner IW-Kurzbericht Nr. 9 28. Februar 2024

Indien als wichtiges Fokusland bei der Fachkräfteeinwanderung

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2020 vereinfacht im Zusammenspiel mit der beruflichen Anerkennung die Einwanderung für Fachkräfte aus Drittstaaten. Es gilt für Deutschland, diese neuen Potenziale zu identifizieren. In diesem Kurzbericht liegt der Fokus auf indischen Berufsabschlüssen, die eine hohe Anerkennungswahrscheinlichkeit aufweisen.

Seit 2023 ist Indien mit 1,4 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Erde mit einer jungen Altersstruktur. Die indische Wirtschaft entwickelt sich rasant und das Bruttoinlandsprodukt wächst jährlich um rund sechs Prozent (Statista, 2023). Jedoch gibt es eine große Diskrepanz zwischen den Städten und den ländlichen Regionen, in denen zwei Drittel aller Menschen leben. Viele junge qualifizierte Inder verlassen das Land, um in anderen Ländern der Welt zu lernen und zu arbeiten, da ihnen die Perspektive fehlt. Somit bietet die Fachkräfterekrutierung aus Indien vielfältige Potenziale für Deutschland, die mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) seit dem Jahr 2020 und der aktuellen Novellierung noch einmal größer geworden sind. In diesem Kurzbericht werden die Potenziale der Fachkräfteeinwanderung aus Indien diskutiert.

Indien hat sich zu einem der wichtigsten Herkunftsländer von Zugewanderten in Deutschland entwickelt. Die Zahl der hier lebenden indischen Staatsangehörigen hat sich in der Dekade von 2012 bis 2022 mehr als verdreifacht und liegt inzwischen bei über 210.000 Personen (Destatis, 2023). Im März 2023 waren knapp 116.000 von ihnen erwerbstätig (BA, 2023). Die meisten beschäftigten Personen aus Indien waren im Juni 2023 mit einem Anteil von 21 Prozent im Bereich Information und Kommunikation tätig. Im Vergleich dazu lag der Anteil aller Beschäftigten aus Drittstaaten in diesem Bereich mit 5 Prozent wesentlich niedriger (BA, 2023). Insgesamt verfügen damit viele Inder über Berufsqualifikationen in Engpassberufen, wozu auch Tätigkeiten in freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen sowie im Gastgewerbe zählen.

Immer mehr indische Berufsabschlüsse werden in Deutschland anerkannt

Die Anzahl der Anträge auf Anerkennung von Berufsabschlüssen qualifizierter Fachkräfte aus Indien ist von 150 Anträgen im Jahr 2015 auf 1.695 im Jahr 2022 dynamisch angestiegen (Abbildung). Eine besondere Zunahme der Anträge für Indien ist für den Zeitraum 2020 bis 2021 zu verzeichnen. Das könnte auf das Inkrafttreten des FEG im März 2020 zurückzuführen sein.

Generell entfällt ein Großteil der Anerkennungsanträge in Deutschland auf die Gesundheitsberufe. Da diese reglementiert sind, ist die Anerkennung verpflichtend, um in diesen Berufen arbeiten zu dürfen. Anerkennungsanträge in nicht-reglementierten Berufen steigen an; sie bleiben im Vergleich dazu nun auf einem niedrigen Niveau. Doch auch in nicht-reglementierten Berufen, wie Kfz-Mechaniker, besteht ein zunehmender Fachkräftemangel in Deutschland. Indische Fachkräfte sind vor allem in diesem Bereich gut ausgebildet. Daher besteht besonderes Potenzial für mehr Zuwanderung im Bereich der beruflich Qualifizierten. Denn zu den häufigsten Ausbildungsberufen in Indien zählen IT-Berufe, Fahrzeug- und Kfz-Mechaniker, Elektrotechniker sowie Berufe im Textil- und Bekleidungsgewerbe (Baczak et al., 2020). In den Jahren von 2017 bis 2021 wurden für die Berufe Koch, Rohrleitungsbauer und Kfz-Mechaniker die meisten Anerkennungsverfahren für nicht-reglementierte Berufe in Deutschland eingeleitet. Diese Ausbildungsberufe werden meist mit einem National Trade Certificate (NTC) oder dem Polytechnical Diploma in Indien abgeschlossen (Deutscher Bundestag, 2022).

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Indische Berufsabschlüsse mit hohem Anerkennungspotenzial

Die berufliche Bildung in Indien wird größtenteils durch das staatliche Directorate of General Training (DGT) angeboten. Anerkannte berufsbildende Institute werden vom All-India Council for Technical Education (AICTE) beraten und akkreditiert, welche die Standards in der beruflichen Bildung regelt (BQ-Portal, 2023). Da Indien dezentral strukturiert ist, können, je nach Bundesstaat und Abschlussart, Unterschiede in den Ausbildungsordnungen entstehen. Grundlagen für die staatlichen Ausbildungsordnungen werden von der DGT vorgegeben. Die Berufsabschlüsse der DGT haben hohes Potenzial zur Anerkennung in Deutschland. Es können drei Berufsabschlüsse auf dem Niveau der Sekundarstufe II erlangt werden:

(1) Stark praxisorientierte Abschlüsse sind das National Apprenticeship Certificate (NAC) sowie das National Trade Certificate (NTC), mit einem Praxisanteil von bis zu 70 Prozent. (2) Industrielle Ausbildungen (NTC) erfolgen an staatlichen und privaten Industrial Training Institutes (ITI). Diese Kurse dauern maximal 24 Monate (BQ-Portal, 2023). (3) Einen dritten berufsbildenden Abschluss bietet das dreijährige Polytechnic Basic Diploma mit variierendem Praxisanteil. Aufbauend kann im postsekundären Bereich das Advanced Diploma absolviert werden.
Weiterhin bietet der dreijährige „Bachelor of Vocational Education“ (B.VOC) als branchenbasierter Studiengang gute Voraussetzungen für eine berufliche Anerkennung in Deutschland (Baczak et al., 2020).

Zuwanderung und Integration als Chance

Trotz der gut strukturierten Ausbildungsberufe in Indien ist die Vermittlung indischer Fachkräfte auf dem deutschen Arbeitsmarkt herausfordernd. Projekte wie die „Global Experts“ des TÜV Rheinland rekrutieren für deutsche Unternehmen Fachkräfte in Indien (TÜV Rheinland, 2023). In Zusammenarbeit mit der zuständigen Handwerkskammer, unterstützt durch das BQ-Portal des Instituts der deutschen Wirtschaft, wurden im Rahmen des Projekts seit 2019 im Engpassberuf Kfz-Mechaniker zahlreiche indische Fachkräfte erfolgreich im Anerkennungsverfahren begleitet. Das BQ-Portal bietet Informationen zu ausländischen Berufsabschlüssen und sorgt so für Transparenz und Beschleunigung des Anerkennungsprozesses. Damit trägt es dazu bei, dass Fachkräfte effizienter und schneller in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden können.

Auch für den IT- und Elektrotechnik-Bereich gibt es Pilotprojekte wie „Hand in Hand for international Talents“, deren Ziel es ist, Zuwanderungsprozesse für ausländische Fachkräfte mit Berufsausbildung zu gestalten. Dabei werden die genannten staatlich anerkannten Berufsabschlüsse berücksichtigt.

Die schnelle Integration von indischen Fachkräften auf dem deutschen Arbeitsmarkt hat ein großes wirtschaftliches Potenzial. So hat sich die Anzahl an Anerkennungsanträgen für indische Berufsabschlüsse in den vergangenen sieben Jahren mehr als verzehnfacht. Die vereinfachten Prozesse durch das neue FEG haben dazu beigetragen, das vorhandene Potenzial noch besser zu heben. Indische Fachkräfte können, zum Beispiel im IT-Sektor, durch den Wegfall des Anerkennungsverfahrens schneller auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen. Umgekehrt nehmen die Anerkennungsanträge, unter anderem Köche und Kfz-Mechaniker, zu und wirken dem Fachkräftemangel entgegen.

Durch das deutsch-indische Migrationsabkommen aus dem Jahr 2022 soll die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus Indien nach Deutschland weiter gefördert werden. Wichtig für eine schnelle und nachhaltige Fachkräftesicherung aus Drittstaaten ist eine bedarfsorientierte Abwicklung der Visa-Anträge vor Ort. Hier bestehen derzeit lange Wartezeiten in Indien. Zudem sollten digitale Behördenstrukturen vorangetrieben und die Zeitarbeit für die internationale Rekrutierung geöffnet werden mit validen Qualitätsstandards für alle international aktiven Vermittler (Burstedde et al., 2023).

Hinweis: Der Kurzbericht schließt an die Arbeit des BQ-Portals an. Es ist das Informationsportal für ausländische Berufsqualifikationen und stellt ein wichtiges Instrument bei der Umsetzung des Anerkennungsgesetzes und des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes dar.

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