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Berthold Busch IW-Kurzbericht Nr. 95 27. Dezember 2021 Brexit: Dämpfer für den deutsch-britischen Außenhandel

Der Brexit hat Spuren im deutsch-britischen Außenhandel hinterlassen. Besonders deutlich ist dies bei den deutschen Importen aus dem Vereinigten Königreich zu sehen. Aber auch bei den deutschen Exporten sind die Lieferungen in andere Regionen viel stärker gestiegen.

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Dämpfer für den deutsch-britischen Außenhandel
Berthold Busch IW-Kurzbericht Nr. 95 27. Dezember 2021

Brexit: Dämpfer für den deutsch-britischen Außenhandel

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Der Brexit hat Spuren im deutsch-britischen Außenhandel hinterlassen. Besonders deutlich ist dies bei den deutschen Importen aus dem Vereinigten Königreich zu sehen. Aber auch bei den deutschen Exporten sind die Lieferungen in andere Regionen viel stärker gestiegen.

Das Vereinigte Königreich (VK) ist offiziell am 31. Januar 2020 aus der Europäischen Union (EU) ausgeschieden. Aufgrund einer Übergangsregelung nahm das Land noch bis zum 31. Dezember 2020 am Binnenmarkt der EU teil. Seit dem 1. Januar 2021 werden die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Wirtschaftsräumen nunmehr von einem Handels- und Kooperationsabkommen geregelt.

Das quasi im letzten Moment vereinbarte Abkommen (24. Dezember 2020) sieht vor, dass der Warenhandel zwischen der EU und dem VK ohne Zölle und mengenmäßige Handelsbeschränkungen erfolgen kann, wenn die beteiligten Unternehmen die Ursprungsregeln einhalten, die als komplex gelten und produktspezifisch sind (Ayele et al., 2021a). Hinzu kommen Formalitäten wie Zollanmeldungen sowie Kontrollen von Produktstandards und die Einhaltung von Veterinärvorschriften und deren Kontrollen. All dies verteuert den Handel sowohl für die EU als auch das VK. Die EU wendet die Grenzkontrollen seit dem 1. Januar 2021 an, das VK räumte Unternehmen Erleichterungen ein, wie die Möglichkeit, die Deklarationen um bis zu 175 Tage zu verschieben (GOV.UK, 2020) und führt bestimmte Kontrollen erst schrittweise bis zum 1. Juli 2022 ein (Jerzewska, 2021, 3). Das bedeutet aber auch, dass für britische Importeure (und europäische Exporteure) bedeutsame Änderungen erst noch kommen (Jerzewska, 2021, 4).

Um die mit dem Nachweis von Ursprungsregeln verbundenen Aufwendungen und Kosten zu sparen, verzichten manche Unternehmen sogar auf den Ursprungsnachweis und nehmen (niedrige) Zollsätze in Kauf. Berechnungen des UK Trade Policy Observatory der University of Sussex kommen zu dem Ergebnis, dass von Januar bis Juli 2021 etwa 25 Prozent des britischen Exportwertes in die EU mit Zöllen belastet wurde, obwohl zollfreier Zugang möglich gewesen wäre (Ayele et al., 2021b, 7).

Inhaltselement mit der ID 10382
Inhaltselement mit der ID 10383

Wenn man wissen möchte, wie sich die Änderung der Regeln durch das Ausscheiden aus dem Binnenmarkt auf den Außenhandel mit dem VK ausgewirkt hat, ist ein ausschließlicher Blick auf die Entwicklung des britischen Außenhandels mit seinen Handelspartnern in der EU irreführend, da die Handelsbeziehungen im Jahr 2021 neben dem Handels- und Kooperationsabkommen auch durch die Pandemie beeinflusst wurden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diesen Umstand zu berücksichtigen (Ayele et al., 2021a und b).

Eine einfache Möglichkeit, zumindest zu einer groben Abschätzung der Größenordnung des Brexit-Effekts zu kommen, ist, die Entwicklung des britischen Außenhandels mit der EU oder einzelner Mitgliedstaaten mit der Entwicklung des Außenhandels mit anderen Handelspartnern zu vergleichen. Diese werden mithin als Vergleichsgruppen betrachtet. Der Unterschied in den Veränderungen des Außenhandels mit der EU im Vergleich zu den Veränderungen des Außenhandels mit anderen Handelspartnern bereinigt dabei näherungsweise um die Effekte der Pandemie. Ayele et al. (2021b, 4) kommen nach dieser Methode zu dem Ergebnis, dass die britischen Importe aus der EU in den ersten sieben Monaten des Jahres 2021 um fast 30 Prozent zurückgegangen sind.

Ein Blick auf die deutsch-britischen Handelsbeziehungen in den ersten drei Quartalen 2021 kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Dabei wird der bilaterale Handel Deutschlands mit dem VK mit drei Vergleichsgruppen verglichen. Das sind die EU-Staaten, jene OECD-Staaten, die nicht gleichzeitig auch in der EU sind, sowie die sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika). Verglichen wird jeweils die Veränderung der Exporte und der Importe Deutschlands mit dem VK in den Monaten Januar bis September 2021 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum mit der Entwicklung der entsprechenden Handelsströme mit den drei genannten Ländergruppen.

Besonders deutliche Effekte zeigen sich bei den deutschen Importen aus dem VK. Hier verzeichnet die Statistik einen Rückgang um mehr als 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr (Abbildung). Dagegen sind die deutschen Importe aus den EU-Staaten um mehr als 16 Prozent angestiegen und auch die Einfuhren aus den anderen beiden Vergleichsgruppen (OECD ohne EU-Mitglieder) und den BRICS-Staaten haben deutlich zugelegt, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Die Differenz jeweils zum Rückgang der Importe aus dem VK deutet die Größenordnung des Brexit-Effekts an. Der Rückgang der deutschen Exporte ins VK fällt zwar deutlich geringer aus als auf der Importseite, der Anstieg der Lieferungen in die drei Vergleichsgruppen zeigt aber auch hier, wie handelshemmend sich das Ausscheiden des VK aus der EU und dem gemeinsamen Binnenmarkt ausgewirkt hat. Wenn die Briten künftig ebenfalls umfassend kontrollieren, könnte dies den deutschen Lieferungen ins VK noch einen zusätzlichen Dämpfer verpassen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die künftigen Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und dem VK auf längere Sicht entwickeln werden.

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