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Wido Geis IW-Kurzbericht Nr. 11 10. Februar 2018 Kinderbetreuung: Es fehlen immer noch fast 300.000 Plätze für unter Dreijährige

Im letzten Jahr ist der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur sehr dynamisch vorangeschritten. So waren im März 2017 rund 42.000 Kinder unter drei Jahren mehr in Betreuung als noch im März 2016. Gleichzeitig ist aufgrund höherer Geburtenzahlen und Zuwanderung allerdings auch die Kinderzahl deutlich gestiegen, sodass die Betreuungslücke nach wie vor bei rund 300.000 Plätzen liegt.

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Es fehlen immer noch fast 300.000 Plätze für unter Dreijährige
Wido Geis IW-Kurzbericht Nr. 11 10. Februar 2018

Kinderbetreuung: Es fehlen immer noch fast 300.000 Plätze für unter Dreijährige

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Im letzten Jahr ist der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur sehr dynamisch vorangeschritten. So waren im März 2017 rund 42.000 Kinder unter drei Jahren mehr in Betreuung als noch im März 2016. Gleichzeitig ist aufgrund höherer Geburtenzahlen und Zuwanderung allerdings auch die Kinderzahl deutlich gestiegen, sodass die Betreuungslücke nach wie vor bei rund 300.000 Plätzen liegt.

Da die Bevölkerungszahlen bislang noch gefehlt hatten, lassen sich erst jetzt Aussagen zur Entwicklung der Betreuungssituation unter Dreijähriger treffen, obschon die Zahlen zu Kindern unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen und/oder staatlich geförderter Kindertagespflege bereits seit März 2017 vorliegen (Statistisches Bundesamt, 2017a). Setzt man diese ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Kinder am 31.12.2016 (Statistisches Bundesamt, 2018a), ergibt sich für Deutschland eine Betreuungsquote von 33,2 Prozent. Das sind 0,5 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr, als der Wert bei 32,7 Prozent lag (Geis, 2017). Dabei sind Kinder, die eine Betreuungseinrichtung und eine Tagespflege besuchen, doppelt gezählt, was allerdings nur auf eine sehr kleine Zahl von unter 2.000 zutreffen dürfte (Statistisches Bundesamt, 2017b). Obschon die Zahl der unter Dreijährigen in Betreuung zwischen 2016 und 2017 um rund 42.000 oder 5,9 Prozent von 721.000 auf 764.000 gestiegen ist, hat sich die Betreuungssituation in Deutschland letztlich vor dem Hintergrund der deutlich höheren Kinderzahl also kaum verändert.

Differenziert man nach Altersjahren, findet sich bei den Ein- bis Zweijährigen eine Betreuungsquote von 36,6 Prozent und bei den Zwei- bis Dreijährigen eine Quote von 62,0 Prozent. Insbesondere im Laufe des dritten Lebensjahres beginnen also viele mit der Betreuung. Hingegen ist eine Betreuung von unter Einjährigen mit einem Anteil von 2,2 Prozent nach wie vor sehr selten. Betrachtet man die einzelnen Bundesländer, findet sich mit 57,0 Prozent die höchste Betreuungsquote für unter Dreijährige in Sachsen-Anhalt und mit 26,3 Prozent die niedrigste Betreuungsquote in Nordrhein-Westfalen. Insgesamt ist das Ost-Westgefälle mit 51,3 Prozent in Ostdeutschland (inklusive Berlin) gegenüber 28,8 Prozent in Westdeutschland nach wie vor sehr groß.

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Anders als die Versorgungssituation wird die Nachfrage nach Betreuungsplätzen für unter Dreijährige in der amtlichen Statistik nicht erfasst. Daher muss für die Ermittlung der Betreuungsbedarfe auf die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Familien zurückgegriffen werden, die zuletzt im Jahr 2016 im Auftrag des Bundesfamilienministeriums durchgeführt wurde (BMFSFJ, 2016). Ihr zufolge wird für 46 Prozent der unter Dreijährigen eine staatliche oder staatlich geförderte Betreuung benötigt, was hochgerechnet mit der Kinderzahl einem Bedarf von rund 1,06 Millionen Plätzen entspricht. Zieht man hiervon die Zahl der Kinder in Betreuung ab, kommt man auf eine Lücke von rund 296.000 Plätzen oder 12,8 Prozentpunkten. Im Vorjahr 2016 lag der Wert mit 293.000 in derselben Größenordnung (Geis, 2017).

Betrachtet man die einzelnen Altersjahre, liegt der Bedarf bei den Ein- bis Zweijährigen bei 59,7 Prozent oder 455.000 Plätzen und die Lücke bei 23,1 Prozentpunkten oder 176.000 Plätzen. Bei den Zwei- bis Dreijährigen bestehen ein Bedarf von 77,1 Prozent oder 581.000 Plätzen und eine Lücke von 15,1 Prozentpunkten oder 114.000 Plätzen.

Differenziert man nach Bundesländern, weist Brandenburg mit einem Anteil von 63,3 Prozent den höchsten und das Saarland mit 40,4 Prozent den niedrigsten Betreuungsbedarf auf. Zudem zeigt sich mit 59,1 Prozent gegenüber 42,9 Prozent auch hier ein substanzielles Ost-Westgefälle, das aber kleiner ist als bei der Versorgungssituation. Betrachtet man die errechneten Betreuungslücken, weist Bremen mit 20,8 Prozentpunkten proportional den höchsten und Mecklenburg-Vorpommern mit 3,1 Prozentpunkten den niedrigsten Wert auf.

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Dabei sind zu den Betreuungsbedarfen und Lücken einige Punkte anzumerken. Zunächst gilt, dass die Werte, da sie aus einer Befragung hochgerechnet sind, mit einer gewissen statistischen Unsicherheit behaftet sind. Aus diesem Grund lassen sich die Zahlen auch nicht auf kleinräumigere Ebenen als die Bundesländer herunterbrechen. Ein Verzicht auf die Elternbeiträge, wie er in der politischen Diskussion steht, dürfte bereits kurzfristig zu einen deutlichen Anstieg der Nachfrage nach frühkindlicher Betreuung und kurzfristig auch der Betreuungslücken führen.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die meisten Familien nicht jedweden ihnen angebotenen Betreuungsplatz annehmen, sondern das Angebot mit Blick auf pädagogisches Konzept, Zeitstrukturen, Wohnortnähe, Elternbeiträge und weiteren Faktoren für die Familien passend sein muss. Das bedeutet, dass unter Umständen auch dann einzelne Kinder trotz eines Betreuungsbedarfs nicht institutionell betreut werden, wenn rein rechnerisch genügend Plätze zur Verfügung stünden.

Ziel eines weiteren Ausbaus der Betreuungsangebote für unter Dreijährige sollte es auch nicht nur sein, jeder Familie, die dies möchte, zeitnah einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen, sondern auch eine gute Qualität der Betreuung zu gewährleisten. Hierfür ist eine profunde Ausbildung und regelmäßige Weiterbildung der Betreuungspersonen von großer Bedeutung. Dies stellt insbesondere bei der Tagespflege eine Herausforderung dar, da nur 23,8 Prozent von ihnen einen Berufs- oder Hochschulabschluss im Bereich Pädagogik, Erziehung, Kinder- oder Familienpflege aufweisen (Statistisches Bundesamt, 2017a; eigene Berechnungen).

In den Kitas und Krippen besteht hingegen zum Teil das Problem sehr großer Gruppengrößen. Berechnungen des Statistischen Bundesamts zufolge lag der Personalschlüssel im Jahr 2017 in U3-Gruppen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen bei über sechs Kindern. Zwischen fünf und sechs lag er in Berlin, Brandenburg Hamburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Sinnvoll wären drei Kinder, wie dies in Baden-Württemberg mit 3,1 und in Bremen mit 3,3 fast erreicht wird (Statistisches Bundesamt, 2018b). Allerdings ist anzumerken, dass diese Zahlen sich nur auf reine U3-Gruppen beziehen und altersgemischte Gruppen, die heute vielerorts die Regel sind, nicht mit in den Blick nehmen.

Zudem muss beim qualitativen Kita-Ausbau beachtet werden, dass die Einrichtungen besonders gefordert sind, die viele Kinder betreuen, in deren Familien kein Deutsch gesprochen wird. Sie müssen nämlich zusätzlich zu der regulären Bildungsarbeit die Kinder an die deutsche Sprache heranführen und ihnen die notwendigen Sprachfähigkeiten für eine spätere erfolgreiche Teilnahme am Schulunterricht vermitteln. 2017 stammten 13,8 Prozent der unter Dreijährigen und sogar 21,5 Prozent der über dreijährigen Kindergartenkinder aus Familien, in denen nicht vorrangig deutsch gesprochen wird (Statistisches Bundesamt, 2017a). Diese dürften sich allerdings stark auf einzelne Wohnlagen und Einrichtungen konzentrieren.

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Tabelle: Betreuungssituation in den Bundesländern

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