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Wido Geis-Thöne IW-Kurzbericht Nr. 7 28. Januar 2019 Anstieg der Kinderzahlen: 500.000 unter Sechsjährige mehr als vor fünf Jahren

Ausschlaggebend für den starken Anstieg der Kinderzahlen waren eine steigende Zahl an potenziellen Müttern, mehr Geburten je potenzieller Mütter und eine substanzielle Zuwanderung von Kindern. Dadurch werden in den nächsten Jahren zusätzliche Kapazitäten in den Kitas und Grundschulen notwendig, auch wenn sich die Entwicklungen nicht fortsetzen sollten.

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500.000 unter Sechsjährige mehr als vor fünf Jahren
Wido Geis-Thöne IW-Kurzbericht Nr. 7 28. Januar 2019

Anstieg der Kinderzahlen: 500.000 unter Sechsjährige mehr als vor fünf Jahren

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Ausschlaggebend für den starken Anstieg der Kinderzahlen waren eine steigende Zahl an potenziellen Müttern, mehr Geburten je potenzieller Mütter und eine substanzielle Zuwanderung von Kindern. Dadurch werden in den nächsten Jahren zusätzliche Kapazitäten in den Kitas und Grundschulen notwendig, auch wenn sich die Entwicklungen nicht fortsetzen sollten.

In den letzten Jahren ist eine starke Zunahme der Zahl jüngerer Kinder in Deutschland zu beobachten. Lebten am 31.12.2012 noch rund 4,09 Millionen unter Sechsjährige im Land, waren es am 31.12.2017 mit 4,58 Millionen fast eine halbe Million mehr. Dabei ist die Zahl der unter Dreijährigen mit einem Plus von rund 330.000 deutlich stärker gestiegen als die der Drei- bis Fünfjährigen mit rund 170.000 und lag am 31.12.2017 mit 2,35 Millionen gegenüber 2,23 Millionen deutlich höher. Auch die Zahl der Grundschulkinder im Alter von sechs bis neun Jahren hat in diesem Zeitraum von 2,79 Millionen auf 2,91 Millionen zugenommen. Allerdings war der Anstieg mit einem Plus von rund 120.000 proportional deutlich geringer. Anders stellt sich die Lage bei den älteren Kindern dar. So ist die Zahl der 10- bis 15-Jährigen im selben Zeitraum deutlich von 4,63 Millionen auf 4,44 Millionen gesunken (Statistisches Bundesamt, 2018; eigene Berechnungen).

Betrachtet man die längerfristige Entwicklung, so lag die Zahl der unter Sechsjährigen am 31.12.1991 mit 5,38 Millionen noch wesentlicher höher als heute. In Folge war ein kontinuierlicher, zeitweise stärkerer und zeitweise schwächerer Rückgang zu verzeichnen (Abbildung). Am niedrigsten lag der Wert am 31.12.2011 mit nur noch 4,06 Millionen. Dazu ist allerdings anzumerken, dass im Jahr 2011 mit dem Zensus eine Korrektur der Bevölkerungszahlen stattgefunden hat und das Minimum vor diesem Hintergrund auch schon ein Jahr früher erreicht worden sein könnte. Seitdem sind die Zahlen kontinuierlich angestiegen (Statistisches Bundesamt, 2018; eigene Berechnungen). Ob sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzt, ist allerdings fraglich.

Dabei sind für die Entwicklung der Kinderzahlen drei Faktoren ausschlaggebend, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. Diese sind die Zahl der potenziellen Mütter, die Geburten je potenzieller Mutter und die Zuwanderung von Kindern.

Entwicklung der Zahl potenzieller Mütter

Der amtlichen Definition zufolge reicht das gebärfähige Alter von 15 bis 49 Jahren. Allerdings sind Schwangerschaften im Teenageralter und in der fünften Lebensdekade vergleichsweise selten. Betrachtet man vor diesem Hintergrund nur die Frauen zwischen 25 und 39 Jahren, so erreichte ihre Zahl zum 31.12.1995 mit 9,84 Millionen einen Höchstwert und ist in Folge bis zum 31.12.2011 um über ein Viertel auf nur noch 7,10 Millionen gesunken. Seitdem ist sie wieder um rund 570.000 bis auf 7,67 Millionen am 31.12.2017 gestiegen (Statistisches Bundesamt, 2018; eigene Berechnungen). Dabei ist dieser Anstieg teilweise auf die starke Zuwanderung der letzten Jahre und teilweise auf die demografische Struktur in Deutschland zurückzuführen. So hat sowohl die Zahl der Ausländerinnen als auch die der Inländerinnen zwischen 25 und 39 Jahren deutlich zugenommen. Erstere mit einem Plus 364.000 allerdings viel stärkerer als letztere mit 204.000 (Statistisches Bundesamt, 2018; eigene Berechnungen).

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Wie sich die Zuwanderung nach Deutschland in Zukunft weiterentwickeln wird, lässt sich kaum vorhersehen. Jedoch ist vor dem Hintergrund der aktuell sehr guten Lage am Arbeitsmarkt damit zu rechnen, dass auch in den nächsten Jahren noch in substanziellem Maße junge Frauen ins Land kommen werden. Mit Blick auf die demografische Struktur stellt sich die Lage anders dar. So lag die Zahl der 20- bis 34-Jährigen, die in fünf Jahren im Alter von 25 bis 39 Jahren sein werden, am 31.12.2017 mit 7,31 Millionen um rund 360.000 niedriger als die Zahl der Frauen, die dieses Alter bereits erreicht hatten (Statistisches Bundesamt, 2018; eigene Berechnungen). Auch ist die Zahl der Inländerinnen zwischen 25 und 39 Jahren seit dem 31.12.2016 bereits wieder rückläufig.

Veränderung der Geburtenhäufigkeit je potenzieller Mutter

In den letzten Jahren haben sich die Geburtenhäufigkeiten in Deutschland deutlich verändert. Lag die zusammengefasste Geburtenziffer in den Jahren seit der Wiedervereinigung bis 2011 zwischen 1,2 und 1,4 Kindern je Frau, ist sie bis 2016 auf 1,59 gestiegen. Im Jahr 2017 war sie mit 1,57 Kindern allerdings bereits wieder niedriger (Statistisches Bundesamt, 2018). Neben den von den jungen Frauen realisierten Familiengrößen spielen für diese Werte allerdings auch die Altersstruktur der Frauen im gebärfähigen Alter und das Timing der Geburten im Lebenslauf eine Rolle. Wie stark sich die veränderten Strukturen bei den Geburten tatsächlich auf die Kinderzahl ausgewirkt haben, lässt sich anhand folgender Modellrechnung feststellen. Hätten sich die altersspezifischen Geburtenziffern zwischen den Jahren 2012 und 2017 nicht verändert, wäre die Zahl der Geburten im Jahr 2017 um rund 83.000 Kinder niedriger ausgefallen. Hätten sie sich gegenüber 2007 nicht verändert, wären es sogar 104.000 weniger gewesen. Hätten sich zwischen 2012 und 2017 hingegen nur die Zahlen der Frauen nicht jedoch die altersspezifischen Geburtenziffern verändert, wären es nur rund 33.000 Geburten weniger gewesen (Statisches Bundesamt, 2018; eigene Berechnungen). Die Veränderung der Geburtenhäufigkeiten war für den Anstieg der Geburten und Kinderzahlen in den letzten Jahren also noch entscheidender als die Zunahme der Zahl potenzieller Mütter.

Dabei weisen andere EU-Länder derzeit noch deutlich günstigere Strukturen auf. Hätten die altersspezifischen Geburtenziffern in Deutschland im Jahr 2016 so hoch gelegen wie in Frankreich, wären rund 162.000 Kinder mehr zur Welt gekommen. Bei den Werten Schwedens wären es 133.000 mehr gewesen (Eurostat, 2018; eigene Berechnungen). Ob sich Deutschland diesen Ländern in den nächsten Jahren in wesentlichem Maße annähern wird, ist nicht absehbar. Dafür spricht, dass es die verbesserten Rahmenbedingungen und insbesondere der Betreuungsausbau für junge Paare zunehmend leichter machen, sich für erste, zweite und weitere Kinder zu entscheiden. Dagegen spricht, dass sie die Familiengründung immer noch weiter aufschieben. So ist das Durchschnittsalter der Frauen bei der ersten Geburt in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen und lag im Jahr 2017 mit 29,8 um ein ganzes Jahr höher als noch im Jahr 2009 (Statistisches Bundesamt, 2018).

Zuwanderung von Kindern

In den vergangenen Jahren hat sich die Zuwanderung sehr deutlich auf die Kinderzahl ausgewirkt. Sind im Jahr 2007 nur 6.600 Kinder unter sechs Jahren mit ausländischem Pass mehr nach Deutschland zugezogen als das Land verlassen hatten, stieg ihre Zahl in den Folgejahren kontinuierlich an und erreichte im Jahr 2015 rund 86.700 und im Jahr 2016 sogar 93.300. Im Jahr 2017 lag der Wert mit 43.900 allerdings nur noch etwa halb so hoch (Statistisches Bundesamt, 2018; eigene Berechnungen). Wie sich diese Werte in den nächsten Jahren weiter entwickeln werden, hängt stark vom Wanderungsgeschehen insgesamt ab, da die Kinder in der Regel zusammen mit ihren Eltern ins Land kommen.

Sollten die Geburtenzahlen wieder sinken und der Rückgang nicht durch Zuwanderung ausgeglichen werden, wird dies zunächst nur zu weniger unter Dreijährigen führen. Hingegen werden die Zahlen der drei- bis fünfjährigen Kindergartenkinder und der Grundschulkinder in jedem Fall noch ein paar Jahre weiter steigen, da die aktuell unter Dreijährigen zunächst in diese Altersgruppen nachrücken, bevor sich ein möglicher Geburtenrückgang bemerkbar macht. Neben des Ausbaus der Betreuungsangebot für unter Dreijährige, wo aktuell noch große Lücken bestehen (Geis-Thöne, 2018), werden in den nächsten Jahren also auch zusätzliche Betreuungsplätze für Kindergartenkinder notwendig. Wie viele genau hängt allerdings bis zu einem gewissen Grade davon ab, wie sich die Migrationsbewegungen weiterentwickeln. Dennoch lässt sich sagen, dass neben der notwendigen Qualitätsverbesserung auch der quantitative Ausbau der Angebote der Kindertageseinrichtungen von den Kommunen forciert vorangetrieben werden muss. Ähnliches gilt auch für den Grundschulbereich, wo die notwendigen räumlichen und personellen Kapazitäten dafür geschaffen werden müssen, dass die Ganztagesbetreuungsangebote weiter in Richtung eines bedarfsgerechten Niveaus ausgebaut werden können, auch wenn deutlich mehr Kinder unterrichtet werden müssen.

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500.000 unter Sechsjährige mehr als vor fünf Jahren
Wido Geis-Thöne IW-Kurzbericht Nr. 7 28. Januar 2019

Wido Geis-Thöne: 500.000 unter Sechsjährige mehr als vor fünf Jahren

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