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Vera Demary / Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 55 7. September 2018 Digitale Plattformen: China dominiert

Digitale Plattformen können Transaktionskosten massiv senken und Netzwerkeffekte zum allseitigen Vorteil ausnutzen. Der damit einhergehende wirtschaftliche Erfolg führt weltweit zu Neugründungen. Doch während derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung noch US-amerikanische Plattformen dominieren, sitzt die Mehrzahl der wertvollsten nicht börsennotierten digitalen Plattformen bereits in China.

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China dominiert
Vera Demary / Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 55 7. September 2018

Digitale Plattformen: China dominiert

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Digitale Plattformen können Transaktionskosten massiv senken und Netzwerkeffekte zum allseitigen Vorteil ausnutzen. Der damit einhergehende wirtschaftliche Erfolg führt weltweit zu Neugründungen. Doch während derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung noch US-amerikanische Plattformen dominieren, sitzt die Mehrzahl der wertvollsten nicht börsennotierten digitalen Plattformen bereits in China.

Digitale Plattformen sind innovative Geschäftsmodelle, die mehrere Nutzergruppen zusammenbringen und online Transaktionen abwickeln. Die dabei entstehenden Transaktionskosten sind meist viel geringer als ohne die Plattform. Digitale Plattformen sind nach Erreichen einer kritischen Masse von Nutzern in der Lage, sehr schnell zu wachsen, weil die vorhandenen Nutzer von jedem weiteren neuen Nutzer profitieren können (die so genannten Netzwerkeffekte). Dieser Effekt nennt sich auch positives Feedback: Je mehr Nutzer bereits vorhanden sind, umso attraktiver wird die Plattform für weitere Nutzer.

In der öffentlichen Wahrnehmung stammen digitale Plattformen meist aus den Vereinigten Staaten. Facebook, Google Search, Uber oder Airbnb sind nur einige Beispiele. Tatsächlich jedoch zeigt eine Auswertung der Crunchbase-Unternehmensdatenbank ein anderes Ergebnis (Demary/Rusche, 2018). Die Basis für die Analyse bildet die Liste der so genannten Unicorns. Darunter werden nicht börsennotierte Unternehmen verstanden, deren Marktkapitalisierung bei mindestens einer Milliarde US-Dollar liegt. Aus dieser Liste wurden diejenigen Unternehmen bestimmt, deren Geschäftsmodell primär aus einer digitalen Plattform besteht. Das Ergebnis bildet die wertvollsten digitalen Plattformen ab (siehe Abbildung). Dazu zählen auch Airbnb und Uber, nicht aber Facebook und Google Search (Alphabet), die bereits an der Börse notiert sind.

Von den insgesamt 110 digitalen Plattformen stammen 53, also rund 48 Prozent, aus China. Erst an zweiter Stelle folgen die USA mit etwa 29 Prozent der Plattformen (32 Unternehmen). Dieses Ergebnis überrascht, deckt sich aber mit anderen Studien (Evans/Gawer, 2016). Insgesamt haben 65 Prozent der untersuchten digitalen Plattformen ihren Hauptsitz in Asien. 30 Prozent sind in Nord- und Südamerika verortet. Lediglich 5 Prozent liegen in Europa und keine in Deutschland.

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Die schlechte Verfügbarkeit von Venture Capital in Europa ist eine Erklärung für dieses Resultat (Röhl, 2016). Diese kann Gründungen und Wachstum von Plattformen in Europa beschränken. Daneben sind gerade die US-amerikanischen Plattformen auch auf dem europäischen Markt aktiv, was die geringe Bedeutung europäischer Plattformen unter den Einhörnern erklären könnte, da sie sich gegen die großen Konkurrenten durchsetzen müssen. Im Vergleich dazu werden die asiatischen Märkte, insbesondere der chinesische, primär von asiatischen Plattformen bedient.

Grundsätzlich gibt es neben der Verfügbarkeit von Venture Capital andere mögliche Gründe für die regionale Verteilung von großen digitalen Plattformen (Demary/Rusche, 2018):

  • Rahmenbedingungen: Ist der administrative Aufwand für eine Firmengründung niedrig, kann dies die Entwicklung digitaler Plattformen befördern.
  • Größe des Marktes: Digitale Plattformen können die notwendige kritische Masse an Nutzern in großen Märkten leichter erreichen als in kleinen.
  • Reife des Marktes: In reiferen Märkten findet oftmals nach intensivem Wettbewerb mehrerer Plattformen eine Konzentration statt (etwa durch Zusammenschlüsse), die größere Unternehmen zur Folge hat.
  • Skalenerträge und Verbundeffekte: Je besser das Ökosystem, etwa im Hinblick auf Infrastruktur und Humankapitalverfügbarkeit, aber auch in Bezug auf Kooperation, desto leichter ist die Gründung einer digitalen Plattform.
  • Art des Geschäftsmodells: Eine Plattform, deren Service eine breite Masse anspricht, wird eher wachsen als eine, die eine Nische bedient.
  • Pfadabhängigkeit von Gründungen: Erfolgreiche Startup-Regionen ziehen weitere Gründungen an.

Die Marktkapitalisierung der digitalen Plattformen ist sehr heterogen. Diese wird bei nicht börsennotierten Unternehmen aus der Höhe der erzielten Einnahmen in den Finanzierungsrunden abgeleitet. Im Durchschnitt liegen dabei die US-amerikanischen Plattformen mit 5,8 Milliarden US-Dollar knapp vor den chinesischen (5,1 Milliarden US-Dollar).

Die Marktkapitalisierung eines Unternehmens kann einen Hinweis auf die (finanziellen) Erwartungen der Investoren hinsichtlich zukünftiger Gewinne geben. Gleichzeitig gibt es gerade in den USA einen Trend hin zu zunehmend umfangreicheren Venture-Capital-Investitionen (Brorsen, 2017), welche die Bewertung von Unternehmen in die Höhe treiben können. Zum anderen wird die Bewertung schnell wieder obsolet. Dies zeigt zum Beispiel die aktuelle Finanzierungsrunde der chinesischen Plattform ANT Financial, die alleine 14 Milliarden US-Dollar einbrachte (Chen, 2018; in den Daten der Abbildung noch nicht enthalten). Investitionen in solchen Größenordnungen führen zu deutlichen Verschiebungen innerhalb von Ranglisten, so dass zuvor noch hohe Bewertungen anschließend relativ gering sein können. Vor diesem Hintergrund erscheint der Unterschied in der durchschnittlichen Marktkapitalisierung zwischen den US-amerikanischen und den chinesischen Plattformen kaum relevant.

Besonders hoch bewertete digitale Plattformen bilden nur einen kleinen Teil aller Plattformen ab. Gleichzeitig tendieren Plattformen zu einem starken Wachstum, so dass aus dem Blick auf die Einhörner durchaus Schlüsse gezogen werden können.

Europäische Plattform-Unternehmen stehen bislang primär mit US-amerikanischen Unternehmen in Konkurrenz. Dies kann sich ändern, sollten die großen asiatischen Plattformen den europäischen Markt in den Fokus nehmen. Um die Gründung von digitalen Plattformen in Europa zu fördern, gilt es daher zunächst, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Dazu zählt neben der Finanzierung auch die Verringerung des bürokratischen Aufwands bei Gründungen wie auch die Heranführung von Jugendlichen an Gründungsaktivitäten, um eine Gründungskultur zu schaffen (Röhl, 2016). Auch das weitere Vorantreiben des Digitalen Binnenmarktes in Europa kann positive Auswirkungen haben, weil einheitliche Rahmenbedingungen in Europa das Wachstum von digitalen Plattformen über Ländergrenzen hinaus vereinfachen.

Noch unklar sind die Auswirkungen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auf die Aktivitäten von digitalen Plattformen in Europa. Die DSGVO legt in Europa tätigen Unternehmen im Umgang mit personenbezogenen Daten strenge Regeln auf, welche die individuelle Selbstbestimmung der Verbraucher im Umgang mit den eigenen Daten gewährleisten sollen. Damit wird Datenschutz und der Umgang mit Daten in Europa zu einem Wettbewerbsfaktor, den gerade die US-amerikanischen Plattformen bislang in der Form noch nicht berücksichtigt haben. Auch für Plattformen aus China, wo der Staat möglicherweise leicht Zugriff auf Daten der Plattformen erhalten kann, könnte dies ein Hemmnis für Aktivitäten in Europa sein. Gleichzeitig schafft die DSGVO aber auch für europäische Plattformen zusätzlichen Aufwand, weil etwa die Portabilität von Daten ermöglicht werden muss oder es nun weitreichende Auskunftspflichten gibt. Gerade für neue Marktteilnehmer und kleine Unternehmen werden dadurch Hürden geschaffen.

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Vera Demary / Christian Rusche: Digitale Plattformen – China dominiert

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