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Thomas Puls IW-Kurzbericht Nr. 22 19. März 2018 Fachkräftemangel wird zum Problem in der Logistik

Die Anforderungen an die Logistik nehmen laufend zu. Gleichzeitig ist die Branche aber auch mit einem erheblichen Fachkräftemangel konfrontiert. Egal ob Lokführer oder Trucker, es fehlt schon heute an Personal, um die offenen Stellen besetzen zu können. Es kommt hinzu, dass die Altersstruktur der heute in Arbeit Befindlichen eine drastische Problemverschärfung in den kommenden Jahren verspricht.

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Fachkräftemangel wird zum Problem in der Logistik
Thomas Puls IW-Kurzbericht Nr. 22 19. März 2018

Fachkräftemangel wird zum Problem in der Logistik

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Anforderungen an die Logistik nehmen laufend zu. Gleichzeitig ist die Branche aber auch mit einem erheblichen Fachkräftemangel konfrontiert. Egal ob Lokführer oder Trucker, es fehlt schon heute an Personal, um die offenen Stellen besetzen zu können. Es kommt hinzu, dass die Altersstruktur der heute in Arbeit Befindlichen eine drastische Problemverschärfung in den kommenden Jahren verspricht.

Auch in Zukunft wird mit einer weiteren Zunahme des Güterverkehrs gerechnet. Aktuelle Prognosen sagen für den Zeitraum von 2010 bis 2030 eine Zunahme der Güterverkehrsleistung im Straßenverkehr in Deutschland und Europa um etwa 25 Prozent voraus. Der Schienengüterverkehr soll sogar um fast 50 Prozent zulegen (Prognos, 2017). Es ist zu betonen, dass ein wachsender Beitrag der Bahn unverzichtbar ist, denn Lkw und Bahn sind auf unterschiedliche Transportmärkte fokussiert. Der Lkw beherrscht die Kurzstrecke, wobei Bau- und Lebensmittelindustrie seine wichtigsten Kunden sind. Die Bahn hingegen transportiert vor allem große Gütermengen über große Distanzen. Beide Verkehrsträger müssen zusammenarbeiten, wenn eine Chance bestehen soll die künftigen Gütermengen effizient zu transportieren.

Aber es mehren sich die Anzeichen dafür, dass beide Verkehrsträger mit erheblichen Problemen konfrontiert sind, welche die Aufnahmefähigkeit für künftigen Mehrverkehr in Frage stellen. Das offensichtliche und bereits breit diskutierte Problem stellen dabei Kapazität und Zustand der Verkehrsinfrastruktur dar. Aber daneben gibt es gerade in Deutschland noch ein weiteres Problem, welches bisher eher wenig beachtet wurde: Der Logistikbranche gehen die Fachkräfte aus, was die Transportkapazitäten bereits heute einschränkt. Ohne Lokführer, Fahrdienstleister, Disponenten und Trucker kann die immer komplexer werdende Versorgungskette nicht mehr aufrechterhalten werden und bei all diesen Berufen greift der Mangel um sich.

Nach Auswertungen der Arbeitsmarktstatistik durch das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (www.kofa.de) waren im Jahr 2017 26 relevante Berufe mit einer mindestens zweijährigen Ausbildungszeit dem Verkehrs- und Logistikbereich zuzurechnen. In 16 dieser Berufe kommen derzeit auf 100 der Bundesanstalt für Arbeit gemeldete offene Stellen weniger als 200 Arbeitslose mit entsprechendem Berufswunsch. Der Wert von 200 ist dabei als Schwellenwert anzusehen, ab dem ein Fachkräfteengpass zu vermuten ist. Hintergrund für diese Annahme sind Auswertungen des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB, 2015). Für Berufe der genannten Qualifikationsstufe wurde etwa die Hälfte aller offenen Stellen auch an die BA gemeldet. Die Mehrheit der relevanten Ausbildungsberufe im Verkehrs- und Logistikbereich dürfte also bereits mit Engpässen konfrontiert sein. Besonders drastisch wird dies aber bei den fünf Berufen mit dem kritischsten Verhältnis von offenen Stellen zu Arbeitslosen, die in Abbildung 1 für Gesamt-, West- und Ostdeutschland dargestellt werden. Bei vier Berufen sind sogar weniger Arbeitslose gemeldet als offene Stellen. Hier kann man eindeutig von einem heute bestehenden Fachkräftemangel sprechen.

Die Daten legen nahe, dass insbesondere die Bahn mit massiven Fachkräfteengpässe zu kämpfen hat, wobei der Beruf des Triebwagenführers mit lediglich 35 Arbeitslosen auf 100 offene Stellen heraussticht. Das führt dazu, dass eine offene Stelle für Lokführer im Schnitt erst nach fast 200 Tagen besetzt werden kann. Das ist eine der längsten Vakanzzeiten, welche die Statistik kennt. Bei der Interpretation dieser Zahlen ist zu beachten, dass nicht gesagt ist, dass diese Personen auch wirklich derzeit ein entsprechendes Angebot annehmen wollen oder können. Es kann sich um friktionelle Arbeitslosigkeit handeln oder Angebot und Bewerber passen räumlich nicht zueinander. Andererseits gibt es Hinweise darauf, dass die Meldequote der offenen Stellen im Bahnbereich überdurchschnittlich ist, da das wichtigste Unternehmen sich im Besitz des Bundes befindet und seine Vakanzen eher meldet als kleine Speditionen. In zentralen Berufen des Schienenverkehrs mangelt es also schon heute an qualifizierten Arbeitskräften.Das gilt für die Abwicklung des Verkehrs (Lokführer), die Verkehrssteuerung (Fahrdienstleitung) und für die Wartung der Infrastruktur. Dabei sind in Ostdeutschland eher noch Kräfte verfügbar, aber auch dort ist eindeutig ein Mangel vorhanden. Dieser ist flächendeckend in Deutschland.

Auch bei Berufskraftfahrern im Güterverkehr und Logistikkaufleuten stehen die Zeichen eindeutig auf Mangel, wobei die Lage bei den Berufskraftfahrern je nach Bundesland abweichen kann. So herrscht in Baden-Württemberg mit 77 Arbeitslosen auf 100 offene Stellen ein eindeutiger Mangel, während in Berlin 296 Arbeitslose auf 100 offene Stellen kommen und somit nicht einmal ein Engpass besteht. Diese regionale Unwucht spricht dafür, dass man die Anstrengungen zur überregionalen Rekrutierung verstärken sollte.

Das Bild verschärft sich beim Blick in die Zukunft, denn die Altersstruktur der Personalbestände und die Ausbildungszahlen verheißen nichts Gutes (BAG, 2017). Dies sei exemplarisch an den Berufen des Triebwagenführers und des Berufskraftfahrers verdeutlicht.

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Derzeit gibt es etwa 30.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Triebwagenführer in Deutschland. Hinzu kommen 5.000 Beamte, die im Folgenden nicht eingerechnet werden, bei denen aber klar ist, dass sie vor 1994 ihre Ausbildung abgeschlossen hatten. Etwa 18 Prozent der heutigen Lokführer sind älter als 55 Jahre, aber nur 5,7 Prozent sind jünger als 25 Jahre. Pro Jahr schließen etwa 500 Personen die dreijährige Ausbildung ab. Anzumerken ist, dass die Lösungsquote bei Ausbildungen zum Eisenbahner gering ist – nur etwa halb so hoch wie im Durchschnitt über alle Berufe. Zudem wurde die Attraktivität des Berufes durch überdurchschnittliche Tarifabschlüsse gesteigert. Dennoch ist zweifelhaft, dass sich die Lage bei diesem Beruf entspannt. Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass viele Lokführer vorzeitig aus dem Beruf ausscheiden, wobei die psychische Belastung, die aus jährlich 800-900 Selbstmorden auf Bahngleisen resultiert, oftmals eine große Rolle spielt. Potenziale für die Gewinnung weiterer Lokführer könnten in der verstärkten Rekrutierung von Frauen und mehr Teilzeitangeboten bestehen. Beide Optionen werden derzeit kaum genutzt. So liegt der Frauenanteil bei etwa 3,8 Prozent und nur etwas mehr als 4 Prozent der Triebwagenführer arbeiten in Teilzeit.

Die Hauptlast des Verkehrs hat aber der Lkw zu tragen, weshalb ein Mangel an Fahrern schneller sichtbar wird, als bei den Berufen der Eisenbahner. In Deutschland waren zuletzt 550.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Lkw-Fahrer gemeldet. Davon waren 60 Prozent im Nahverkehr eingesetzt. Für diesen Beruf deutet alles auf eine drastische Verschärfung der Mangellage hin. Hierfür spricht vor allem die dramatische Altersstruktur im Fahrerbestand. 28 Prozent der Fahrer sind heute älter als 55 Jahre. Da das durchschnittliche Renteneintrittsalter in diesem Beruf bei 60 Jahren liegt, ist zu befürchten, dass die Mehrzahl der heutigen Fahrer in den kommenden zehn Jahren in Rente gehen wird. Mit Nachwuchs sieht es hingegen schlecht aus. Gerade einmal 2,5 Prozent der Fahrer sind unter 25. Und die Ausbildungszahlen zeigen keine Verbesserung. Jedes Jahr bestehen etwa 1.800 Personen die Ausbildung, weniger als in Rente gehen. Zum Vergleich: Früher bildete allein die Bundeswehr jedes Jahr 15.000 potentielle Fahrer aus. Heute kommen auf jeden Azubi mehr als zwei Lehrstellen und die Lösungsquote der Ausbildungsverhältnisse ist extrem hoch – bei über 40 Prozent.

Bei Truckern sind die weiteren Rekrutierungspotenziale bereits stark ausgereizt. Der Anteil ausländischer Fahrer beträgt fast 16 Prozent und die Teilzeitquote hat gut 25 Prozent erreicht. Lediglich bei der Beschäftigung von Frauen ist noch viel Luft nach oben, da weniger als 2 Prozent der Fahrer weiblich sind.

In Summe ist festzuhalten, dass der Fachkräftemangel immer mehr zum Engpassfaktor für die Logistikbranche werden dürfte. Technische Lösungen wie Lang-Lkw, Platooning oder längere Züge können das Problem bestenfalls lindern. Selbstfahrende Fahrzeuge werden noch lange brauchen, bis sie in den Markt kommen. Für die Zwischenzeit kann der Weg nur über eine stetige Verbesserung der Arbeitsbedingungen führen. Das wird sich auch im Preis für Logistikleistungen niederschlagen, aber eine Verteuerung ist fehlenden Kapazitäten eindeutig vorzuziehen.

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