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Susanne Seyda IW-Kurzbericht Nr. 65 20. September 2019 Gesundheits- und Sozialwesen profitiert von digitalen Lernangeboten

In der Gesundheits- und Sozialbranche hat die Digitalisierung zwar eine geringere strategische Bedeutung für den Unternehmenserfolg. Im Arbeitsalltag ist die Nutzung digitaler Geräte jedoch weit verbreitet. Die Unternehmen sehen einen stark wachsenden Weiterbildungsbedarf durch die Digitalisierung und greifen häufig auf digitale Lernangebote zurück.

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Gesundheits- und Sozialwesen profitiert von digitalen Lernangeboten
Susanne Seyda IW-Kurzbericht Nr. 65 20. September 2019

Gesundheits- und Sozialwesen profitiert von digitalen Lernangeboten

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

In der Gesundheits- und Sozialbranche hat die Digitalisierung zwar eine geringere strategische Bedeutung für den Unternehmenserfolg. Im Arbeitsalltag ist die Nutzung digitaler Geräte jedoch weit verbreitet. Die Unternehmen sehen einen stark wachsenden Weiterbildungsbedarf durch die Digitalisierung und greifen häufig auf digitale Lernangebote zurück.

Das Gesundheits- und Sozialwesen zählt zu den gesellschaftsnahen Dienstleistern und umfasst unter anderem Krankenhäuser, Arztpraxen, Pflege- und Behindertenwohnheime sowie die soziale Betreuung Älterer. Die Interaktion zwischen Menschen spielt eine herausragende Rolle, aber auch der technische Fortschritt mit neuen Diagnostik- und Behandlungsmethoden. Welche Bedeutung hat die Digitalisierung für die Weiterbildung in dieser Branche? Im Folgenden werden im Wesentlichen Ergebnisse einer Sonderauswertung der neunten IW-Weiterbildungserhebung (Seyda/Placke, 2017) dargestellt, die 181 Unternehmen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen umfasst. In diesen Unternehmen waren Ende 2016 127.981 Beschäftigte tätig. Die Daten wurden anhand der Mitarbeiterzahl repräsentativ hochgerechnet.

Betrachtet man die in den Unternehmen genutzten neuen digitalen Technologien, zeigt sich für das Gesundheits- und Sozialwesen eine unterdurchschnittliche Nutzung. Am häufigsten setzen die Unternehmen den digitalen Datenaustausch mit Lieferanten, Dienstleistern oder Kunden ein. Die Gesundheits- und Sozialbranche nutzt von acht abgefragten Technologien 2,0 und damit etwa so viel wie das Verarbeitende Gewerbe mit 2,1. Bei den gesellschaftsnahen Dienstleistern, worunter neben dem Bereich Gesundheit und Soziales auch Erziehung und Unterricht sowie die öffentliche Verwaltung zählen, sind es 2,3, bei den unternehmensnahen Dienstleistern sogar 2,4 Technologien (IW-Weiterbildungserhebung). Beim Wirtschaftsindex DIGITAL landet die Gesundheitsbranche (ohne Soziales) auf dem letzten Platz von elf Branchen (BMWi, 2018). Betrachtet man die Einzelindizes, so erkennt man, dass die schlechte Platzierung vor allem daher stammt, dass die Digitalisierung in der Gesundheitsbranche eine geringere strategische Bedeutung hat als in anderen Branchen.

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Ein anderes Bild zeigt sich, wenn man betrachtet, wie intensiv die Mitarbeiter digitale Technologien am Arbeitsplatz nutzen (BMWi, 2018): In 70 Prozent der Gesundheitsunternehmen nutzen alle Mitarbeiter stationäre digitale Geräte wie Computer, in 62 Prozent nutzen alle Mitarbeiter digitale Infrastruktur wie Internet oder interne Netzwerke (jeweils Platz 4 von 11) und in 37 Prozent der Unternehmen nutzen alle Mitarbeiter mobile digitale Geräte (Platz 6 von 11). Mit anderen Worten: Auf der Arbeitsebene ist die Digitalisierung angekommen. Das reicht beispielsweise von der elektronischen Patientendokumentation über die Anwendung von digitalen diagnostischen Geräten bis hin zur Telemedizin und digitalen Vernetzung von Verwaltungsabläufen.

Gleichzeitig scheint die Gesundheitsbranche mit Blick auf die Digitalisierung deutlich heterogener zu sein als andere Branchen. So ist zwar der Anteil der Unternehmen, in denen alle Mitarbeiter mit digitalen Geräten oder Infrastruktur arbeiten, relativ hoch, gleichzeitig ist aber auch der Anteil der Unternehmen, in denen kein Mitarbeiter beispielsweise mobile digitale Geräte nutzt, mit 39 Prozent am höchsten. Ähnlich verhält es sich mit den Chancen und Risiken, die die Unternehmen in der Digitalisierung sehen (IW-Weiterbildungserhebung): Insgesamt sieht die Branche relativ geringe Chancen. Insbesondere Unternehmen, die bisher keine digitalen Technologien nutzen, sehen deutlich weniger Chancen in der Digitalisierung als Unternehmen anderer Branchen. Viele Unternehmen aus dem Gesundheitswesen sehen zudem keine Notwendigkeit für die Digitalisierung des Unternehmens (BMWi, 2018).

In Unternehmen, die digitale Technologien nutzen, ist der Weiterbildungsbedarf deutlich gestiegen (Seyda et al., 2018). Das gilt im Gesundheits- und Sozialwesen ähnlich wie in der Gesamtwirtschaft. Doch trotz der geringeren Bedeutung digitaler Technologien ist die Weiterbildungsaktivität im Gesundheits- und Sozialwesen mit 100 Prozent höher als in der Gesamtwirtschaft (85 Prozent). Alle befragten Unternehmen im Gesundheits- und Sozialwesen ermöglichen ihren Mitarbeitern Weiterbildung. Dieses gute Ergebnis dürfte sowohl dadurch begründet sein, dass diese Unternehmen der Weiterbildung eine höhere Bedeutung beimessen als andere Unternehmen, als auch durch Weiterbildungspflichten, wie sie beispielsweise für Ärzte gelten.

Die Zeit, die je Mitarbeiter für Weiterbildung aufgewendet wird, liegt im Gesundheits- und Sozialwesen mit 16,3 Stunden nur leicht unter dem Gesamtdurchschnitt von 17,3 Stunden, während die Pro-Kopf-Kosten mit 812 Euro deutlich unter dem Gesamtdurchschnitt von 1.067 Euro liegen. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Möglicherweise führt die Regulierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu geringeren finanziellen Spielräumen für Weiterbildung. Auch ist denkbar, dass Weiterbildungen im Gesundheits- und Sozialbereich kostengünstiger angeboten werden als in anderen Bereichen. Zudem könnten insbesondere informelle Weiterbildungsaktivitäten, wie das Lesen von Fachzeitschriften, die bei Freiberuflern fest im beruflichen Selbstverständnis verankert sind, untererfasst sein. Zugleich zeigt sich, dass die Digitalisierung keinen Einfluss auf Umfang und Kosten der Weiterbildung hat. Während im Gesamtdurchschnitt aller Unternehmen digitalisierte Unternehmen mehr Zeit und Geld in Weiterbildung investieren als weniger digitalisierte Unternehmen, trifft dieser Zusammenhang im Gesundheits- und Sozialwesen nicht zu. Auch hier mag die starke Regulierung eine Rolle spielen.

Bei den Inhalten der Weiterbildung setzt die Gesundheits- und Sozialbranche eigene Schwerpunkte: Zwar werden auch hier vor allem berufliche Kompetenzen vermittelt, zudem werden aber signifikant häufiger Führungskompetenzen und Soft Skills wie Selbstständigkeit und Organisationsfähigkeit sowie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit vermittelt. Betrachtet man die Vermittlung von IT-Kenntnissen, so erfolgt diese im Gesundheits- und Sozialwesen seltener bei ausgewählten Mitarbeitern und etwa genauso häufig bei größeren Gruppen an Mitarbeitern wie in anderen Branchen.

Digitale Weiterbildungsformen spielen im Bereich Gesundheit und Soziales eine große Rolle. Der geübte Umgang mit und eine große Aufgeschlossenheit gegenüber der Digitalisierung zeigt sich darin, dass für die Weiterbildung sehr häufig digitale Lernangebote genutzt werden. In 88 Prozent der Gesundheits- und Sozialunternehmen werden digitale Lernformen eingesetzt (Gesamtwirtschaft: 84 Prozent). Insbesondere werden häufiger firmeninterne kooperative Lernplattformen und Wissensbibliotheken sowie digitale Arbeitsmittel gezielt als Lernmedium verwendet. Letzteres spricht für die große Bedeutung arbeitsplatznaher Formen von Weiterbildung. Seltener werden computer– oder webbasierte Selbstlernprogramme verwendet.

Bei den Gründen, warum digitale Lernangebote genutzt werden, unterscheidet sich die Gesundheits- und Sozialbranche ebenfalls vom Durchschnitt aller Unternehmen: Die gute Integration in den Arbeitsalltag wird zwar als wichtigster Grund angegeben, jedoch seltener als von anderen Unternehmen. Der Unterschied kann dadurch erklärt werden, dass die Arbeitsauslastung im Gesundheits- und Sozialwesen nicht konjunkturabhängig ist, sodass sich geringere Schwankungen in der Auslastung ergeben, die für Weiterbildung genutzt werden können, als in anderen Branchen. Damit lassen sich auch digitale Weiterbildungsformen weniger leicht in den Arbeitsalltag integrieren.

Die didaktisch-methodischen Vorteile des digitalen Lernens werden im Gesundheits- und Sozialwesen positiver eingeschätzt als in anderen Branchen. So geben mehr Unternehmen an, dass digitale Lernmedien besser an den individuellen Lernbedarf der Mitarbeiter angepasst sind als herkömmliche Formate und dass sie die interaktiven Möglichkeiten der Lernfortschrittsmessung schätzen. Auch findet ein größerer Anteil der Gesundheits- und Sozialunternehmen, dass digitale Lernangebote zu besseren und nachhaltigeren Lernergebnissen führen. Insgesamt lässt das Weiterbildungsverhalten im Gesundheits- und Sozialwesen darauf schließen, dass die Digitalisierung in dieser Branche eine hohe Anwendungsrelevanz hat.

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