1. Home
  2. Studien
  3. Innovationen: Deutschlands Hochburgen der Digitalisierung
Sarah Berger / Oliver Koppel / Enno Röben IW-Kurzbericht Nr. 42 13. Juni 2017 Innovationen: Deutschlands Hochburgen der Digitalisierung

Eine Big-Data-Analyse von Patentanmeldungen zeigt die Entstehungsorte deutscher Digitalisierungstechnologie. Leistungsstarke Cluster für Innovationen sind die süddeutschen Großstädte. Allein München bringt hierzulande jedes vierte Digitalisierungspatent hervor, mehr als jeder dritte Landkreis hingegen kein einziges. Nachholbedarf besteht noch in Ostdeutschland sowie im Nordwesten.

PDF herunterladen
Deutschlands Hochburgen der Digitalisierung
Sarah Berger / Oliver Koppel / Enno Röben IW-Kurzbericht Nr. 42 13. Juni 2017

Innovationen: Deutschlands Hochburgen der Digitalisierung

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Eine Big-Data-Analyse von Patentanmeldungen zeigt die Entstehungsorte deutscher Digitalisierungstechnologie. Leistungsstarke Cluster für Innovationen sind die süddeutschen Großstädte. Allein München bringt hierzulande jedes vierte Digitalisierungspatent hervor, mehr als jeder dritte Landkreis hingegen kein einziges. Nachholbedarf besteht noch in Ostdeutschland sowie im Nordwesten.

Wo in Deutschland liegt der Ursprung digitaler Transformation? Wo befinden sich die „digital labs“, die den digitalen Wandel vorantreiben? Und welche Regionen repräsentieren noch weiße Flecken auf der Entstehungslandkarte der Digitalisierung? Als Inputfaktoren, welche die Digitalisierung entscheidend beeinflussen, können die Beschäftigung hochqualifizierter technisch-naturwissenschaftlicher Arbeitskräfte sowie die internen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen (FuE) der Wirtschaft herangezogen werden. Ergebnis der entsprechenden Regionalanalysen ist eine große Dominanz des Südens Deutschlands (Berger et al., 2017) sowie eine fünfmal höhere Informatikerdichte der Großstädte gegenüber ländlichen Kreisen (Koppel, 2016). Die Outputfaktoren der Digitalisierung sind hingegen bisher noch wenig erforscht.

Methodik

Für die Outputmessung von Digitalisierung werden die Patentanmeldungen aus digitalisierungsaffinen Technologieklassen von Anmeldern mit Sitz in Deutschland sowie deren Postleitzahl herangezogen, die im Rahmen einer Big-Data-Analyse mittels eines Algorithmus ausgelesen werden. Somit lassen sich Digitalisierungspatente identifizieren und regional zuordnen. Zur Vermeidung von Doppelzählungen werden nur Erstanmeldungen des aktuellsten Prioritätsjahres berücksichtigt. In die Analyse fließt dabei die Gesamtheit aller Patente ein, die Schutzwirkung für Deutschland (DPMA), den europäischen Raum (EPA) beziehungsweise darüber hinaus (WIPO) anstreben. Da Patentinformationen erst 18 Monate nach der Anmeldung offengelegt werden, bildet 2014 den aktuellsten verfügbaren Datenstand eines vollständigen Jahres. Die Abgrenzung digitalisierungsaffiner Technologieklassen orientiert sich an vbw (2015), wurde jedoch durch die seitdem neu geschaffenen Unterklassen mit Digitalisierungsbezug ergänzt. Diese Neuerung betrifft insbesondere Patente aus dem Bereich 3D-Druck und der computerunterstützten Chirurgie. Ein Patent wird dann als Digitalisierungspatent gewertet, wenn es mindestens einer dieser Technologieklassen zugeordnet ist. Für die regionale Zuordnung innerhalb Deutschlands wird ein solches Patent gemäß der Postleitzahl des Anmelders erfasst beziehungsweise im Fall mehrerer deutscher Anmelder anteilig zugeordnet, in jedem Fall jedoch exklusive der ausländischen Anmeldern zuordenbaren Patentanteile.

Viele weiße Flecken auf der Landkarte

Angemeldete Digitalisierungspatente je 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2014

<iframe allowfullscreen frameborder="0" height="670" mozallowfullscreen msallowfullscreen oallowfullscreen src="https://www.iwkoeln.de/_storage/asset/345121/storage/master/carto.html" webkitallowfullscreen width="100%"></iframe>

Keine Färbung: keine Digitalisierungspatente; Quellen: Eigene Auswertung auf Basis von depatisnet, Beschäftigungsstatistik der BA

Embed-Code für diese Karte

<iframe width="100%" height="670" frameborder="0" src="https://www.iwkoeln.de/_storage/asset/345121/storage/master/carto.html" allowfullscreen webkitallowfullscreen mozallowfullscreen oallowfullscreen msallowfullscreen></iframe>

Jede zehnte Patentanmeldung aus dem Bereich Digitalisierung

Nach dieser Methode konnten für das aktuellste verfügbare Jahr 2014 insgesamt 42.694 Patentanmeldungen von Anmeldern mit Sitz in Deutschland gezählt werden. Gut 4.100 davon konnten als Digitalisierungspatente identifiziert werden, was einem Anteil von knapp 10 Prozent entspricht. Unangefochtener Spitzenreiter der Digitalisierung sind Unternehmen aus der Stadt München, auf die alleine knapp ein Viertel aller Digitalisierungspatente entfallen. Dort werden damit mehr Digitalisierungspatente angemeldet als in jedem einzelnen Bundesland außerhalb Bayerns, beispielsweise doppelt so viele wie in NRW. Auffällig ist darüber hinaus, dass der Anteil der Digitalisierungspatente an allen Patenten mit dem Internationalisierungsgrad der Anmeldung deutlich steigt. Innerhalb der Klasse der DPMA-Anmeldungen lag diese Spezialisierungsquote bei 9 Prozent, bei EPA- und WIPO-Anmeldungen wurden Anteile von 15 respektive 23 Prozent gemessen. Da es sich bei Digitalisierungspatenten um Innovationen aus einem vergleichsweise jungen Technologiefeld handelt, ist dieses Muster überaus plausibel. Je disruptiver eine Erfindung, umso größer der Anreiz und die Notwendigkeit aus Sicht des anmeldenden Unternehmens, seine Innovation möglichst global schützen zu lassen.

Digitalisierung hat ihren Ursprung in den süddeutschen Großstädten …

Um die Leistung im Bereich der Digitalisierung vergleichbar zu machen, werden die Digitalisierungspatente mit den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ins Verhältnis gesetzt (Grafik). Bayern weist mit einem Wert von 37 Patentanmeldungen je 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die mit Abstand höchste Patentleistung im Bereich Digitalisierung auf und übertrifft damit den Bundesdurchschnitt um nahezu das Dreifache. Eine ebenfalls beachtliche Leistung erzielt Baden-Württemberg mit einem Wert von 23. Die Gesamtleistung in pucto Digitalisierungspatente lässt sich unterteilen in eine generelle Patentneigung (Patente insgesamt je Beschäftigten) und eine Spezialisierung (Digitalisierungspatente je Patenten insgesamt). Berlin zeigt dabei im Bundesländervergleich die stärkste Spezialisierung mit einem Wert von über 15 Digitalisierungspatenten je 100 Patentanmeldungen insgesamt, gefolgt von Bayern (14) und Thüringen (13). Bayern kombiniert eine hohe generelle Patentleistung mit einem hohen Spezialisierungsgrad auf Digitalisierung zu einem Spitzenplatz im Bundesländervergleich. Baden-Württemberg weist mit knapp 8 Prozent nur eine unterdurchschnittliche Spezialisierung auf, profitiert jedoch von seinem Spitzenplatz bei der generellen Patentleistung. Sämtliche anderen Bundesländer schaffen es selbst im Falle einer Spezialisierung in Folge nur unterdurchschnittlicher genereller Patentleistungen nicht, die große Lücke zu den südlichen Flächenländern zu schließen.

<script src="//cloud.highcharts.com/inject/yrozero" defer="defer"></script>

Embed-Code für diese Grafik

<div id="highcharts-yrozero"><script src="//cloud.highcharts.com/inject/yrozero" defer="defer"></script></div>

… und wird überwiegend von Großkonzernen vorangetrieben

Insgesamt sind die Großstädte, die bezogen auf die Beschäftigten 25 und damit achtmal so viele Digitalisierungspatente anmelden wie ländliche Regionen, Ausgangspunkt der Digitalisierung. Die Top-5-Kreise Regensburg (224), Stuttgart (137), München (129), Ingolstadt (112) sowie der Landkreis München (95) führen das Kreisranking mit Abstand an und vereinen zudem rund 50 Prozent der gesamten Digitalisierungspatente auf sich. Besonders auffallend ist, dass die Triebkraft der Digitalisierung in den Spitzenregionen von den dortigen Großkonzernen ausgeht. Analysen zur Digitalisierung im Mittelstand zeigen, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zwar in der Breite die Bedeutung der Digitalisierung erkannt haben, bestätigen aber auch, dass bei der Umsetzung noch deutlicher Nachholbedarf besteht (Demary et al., 2016). Insgesamt liegt die allgemeine Patentleistung von KMU deutlich hinter der von Großunternehmen zurück, was unter anderem daran liegt, dass KMU bei FuE-Aufwendungen häufig Finanzierungsrestriktionen unterliegen. Die Expertenkommission Forschung und Innovation kommt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass staatliche Innovationsförderung bisher zu wenige KMU erreicht (EFI, 2017). Eine gezielte Förderung von Technologieclustern hätte das Potenzial, insbesondere ländliche Regionen mit dort ansässigen Unternehmen zu erreichen und die Innovationskraft zu steigern. Dass auf Innovation ausgerichtete staatliche Förderprogramme Wirkung erzielen, lässt sich am Beispiel Thüringen erkennen. Trotz einer niedrigen allgemeinen Patentneigung hat sich Thüringen dank seiner hohen Spezialisierung auf digitale Technologien im vorderen Drittel des Bundesländervergleichs etabliert. Speziell eine steuerliche FuE-Förderung käme auch den Digitalisierungsbemühungen der KMU zugute und könnte somit einen Beitrag dazu leisten, die weißen Flecken der Digitalisierung in Deutschland zu verringern. Im Jahr 2014 haben 140 von 402 deutschen Kreisen keinerlei Patentanmeldungen im Bereich der Digitalisierung hervorgebracht.

PDF herunterladen
Deutschlands Hochburgen der Digitalisierung
Sarah Berger / Oliver Koppel / Enno Röben IW-Kurzbericht Nr. 42 13. Juni 2017

Sarah Berger / Oliver Koppel / Enno Röben: Deutschlands Hochburgen der Digitalisierung

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Der Innovationsbeitrag von Migration nach Branchen
Maike Haag / Enno Kohlisch / Oliver Koppel IW-Kurzbericht Nr. 16 16. März 2024

Der Innovationsbeitrag von Migration nach Branchen

Migration leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur Innovationskraft Deutschlands: Ein Rekordwert von 13 Prozent und damit mehr als jede achte aller hierzulande entwickelten Patentanmeldungen geht inzwischen auf Erfindende mit ausländischen Wurzeln zurück. ...

IW

Artikel lesen
Maike Haag / Simon Schumacher IW-Kurzbericht Nr. 13 7. März 2024

Erfinderinnen in der pharmazeutischen Forschung

Die innovative Pharmaindustrie baut auf weibliche Expertise. So nehmen Frauen in der Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel eine immer bedeutendere Rolle ein: Im Jahr 2020 war jede fünfte Patentanmeldung pharmazeutisch tätiger Unternehmen am Standort ...

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880