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Oliver Koppel / Ruth Maria Schüler IW-Kurzbericht Nr. 66 12. Oktober 2018 Akademikerberufe: Nicht nur die Nachfrage bestimmt den Preis

Die Auswertung der Bruttomonatsentgelte von 15 Akademikerberufsgruppen liefert eine eindeutige Tendenz: Je gefragter am Arbeitsmarkt, je höher die Beschäftigungsanteile in der Industrie und je weniger im öffentlichen Dienst tätig, desto höher sind die Löhne. Arzt- und Ingenieurberufe nehmen die vorderen Plätze ein, Sprach- und Gesellschaftswissenschaftler hingegen bilden die Schlussgruppe.

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Nicht nur die Nachfrage bestimmt den Preis
Oliver Koppel / Ruth Maria Schüler IW-Kurzbericht Nr. 66 12. Oktober 2018

Akademikerberufe: Nicht nur die Nachfrage bestimmt den Preis

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Auswertung der Bruttomonatsentgelte von 15 Akademikerberufsgruppen liefert eine eindeutige Tendenz: Je gefragter am Arbeitsmarkt, je höher die Beschäftigungsanteile in der Industrie und je weniger im öffentlichen Dienst tätig, desto höher sind die Löhne. Arzt- und Ingenieurberufe nehmen die vorderen Plätze ein, Sprach- und Gesellschaftswissenschaftler hingegen bilden die Schlussgruppe.

Welche Verdienstmöglichkeiten habe ich nach meinem Studium in welchen Berufen? Diese Frage stellen sich zum diesjährigen Semesterstart wieder viele Erstsemester. Eine Sonderauswertung der Beschäftigungsstatistik beinhaltet alle sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten (exklusive Beamte und Selbstständige) und zeigt den Median des Vollzeit-Bruttomonatsentgelts von 15 Akademikerberufsgruppen, das heißt, 50 Prozent der Beschäftigten verdienen mehr, 50 Prozent weniger als diesen Wert. Ergänzend abgebildet ist der Beschäftigtenanteil, dessen Verdienst oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze Ost liegt. Hintergrund: Die amtliche Lohnstatistik wird an dieser Stelle gekappt, so dass höhere Werte nicht ausgewiesen werden. Abgerundet wird die Darstellung durch den Frauenanteil der Beschäftigten.

An der Spitze der Vollzeit-Verdienste liegen Arztberufe, wobei in der Statistik der BA nur angestellte Ärzte erfasst werden. In Arztberufen liegt der Medianwert der Verdienste bereits jenseits der im Jahr 2017 gültigen Beitragsbemessungsgrenze Ost von 5.700 Euro. Stolze 68,6 Prozent aller Beschäftigten verdienen einen solchen Bruttomonatslohn - und das trotz eines im Vergleich zu anderen Berufsgruppen mit besonders hohen Entgelten nur moderaten Arbeitskräfteengpasses (39 offene Stellen je 100 Arbeitslosen). Hinweis: Da der Bundesagentur für Arbeit in Akademikerberufen je nach Berufsgruppe nur rund jede dritte bis vierte Stelle gemeldet wird, ist die Engpassgrenze in Akademikerberufen spätestens ab einem Verhältnis von 35 offenen Stellen je 100 Arbeitslosen überschritten.

Knapp hinter den Ärzten folgen die industrienah tätigen Ingenieurberufe, die ebenfalls im Median ein Einkommen jenseits der Beitragsbemessungsgrenze Ost erzielen. Im Gegensatz zu den Arztberufen mit ihrem nahezu paritätischen Geschlechterverhältnis liegt ein hoher Arbeitskräfteengpass vor und der Frauenanteil bei nicht einmal 10 Prozent. Im Gegensatz hierzu kommen die baunahen Ingenieurberufe trotz einer ebenfalls sehr hohen Arbeitsmarktnachfrage (106 offene Stellen je 100 Arbeitslosen) lediglich auf ein Medianeinkommen von 4.453 Euro. Viele dieser Beschäftigten sind im öffentlichen Dienst angestellt, der vergleichsweise schlechte finanzielle Konditionen bietet.

In allen bisher genannten Berufsgruppen rekrutieren sich die Beschäftigten in der Regel aus Absolventen der entsprechenden Fachrichtungen: Im Arztberuf arbeiten studierte Ärzte, in Ingenieurberufen studierte Ingenieure. Anders stellt sich die Situation bei den wirtschaftswissenschaftlichen Akademikerberufen dar. Unabhängig von der Fachrichtung münden viele Beschäftigte im Rahmen der Karriereentwicklung irgendwann in einer Management- oder Geschäftsführungstätigkeit, die in der Arbeitsmarktlogik zu den wirtschaftswissenschaftlichen Akademikerberufen gezählt werden. Der hohe Durchschnittsverdienst in dieser Berufsgruppe ist folglich nicht primär auf Absolventen wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtungen zurückzuführen, sondern auf Karrierepositionen anderer Fächer.

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Beschäftigte in Juristenberufen verdienen mit einem Bruttomonatsentgelt von 5.545 Euro (Median) im Schnitt nur knapp unter der Beitragsbemessungsgrenze Ost, wobei die Gruppe der Beamten nicht inbegriffen ist. Wie auch bei den wirtschaftswissenschaftlichen Berufen steht aktuell gemessen am Bedarf ein ausreichendes Arbeitskräftepotenzial zur Verfügung.

Informatikberufe folgen mit einem Medianentgelt von 5.283 Euro auf dem sechsten Platz. Diese Berufsgruppe ist mit 116 offenen Stellen je 100 Arbeitslosen extrem gefragt, was nicht zuletzt dem Megatrend Digitalisierung geschuldet ist. Da Informatik eine noch junge Fachrichtung ist, sind auch die Beschäftigten in den Informatikberufen mit einem Durchschnittsalter von 40,7 Jahren eher jung (fünfeinhalb Jahre jünger als jene in der ältesten Gruppe der geisteswissenschaftlichen Berufe). Korrigiert um drei Jahre Altersrückstand auf die Ingenieurberufe dürften auch die Beschäftigten in Informatikberufen in der Spitzengruppe beim Gehalt liegen.

Die sonstigen naturwissenschaftlich-technischen Akademikerberufe zeigen, dass nicht jedes MINT-Studium automatisch zu einem besonders hohen Entgelt führt. Wie der Engpassindikator von 17 offenen Stellen je 100 Arbeitslosen zeigt, steht in diesen Berufen gemessen am Arbeitsmarktbedarf ein großes Arbeitskräftepotenzial zur Verfügung. Gerade Biologen konkurrieren mit vielen anderen um eine Stelle und sind oft im öffentlichen Dienst oder in Dienstleistungsbranchen beschäftigt, was sich nachteilig auf ihr Gehalt auswirkt.

Unter den Lehrberufen (Medianentgelt: 4.597 Euro) finden sich angestellte Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und Hochschulen sowie Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung. Nicht enthalten sind verbeamtete Lehrkräfte. Der Engpassindikator von 20 offenen Stellen je 100 Arbeitslosen muss vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass Stellen im Schuldienst oft direkt den Schulämtern bzw. -ministerien gemeldet werden und seltener der Bundesagentur für Arbeit.

Dicht hinter den Lehrberufen folgen die Geisteswissenschaftler mit einem Medianentgelt von 4.582 Euro. Die Gruppe der Geisteswissenschaftler enthält Redakteure und Journalisten, bei denen ein Anstellungsverhältnis mit einem für diese Berufsgruppe überdurchschnittlichen Entgelt einhergeht. Zudem zeichnet sich diese Berufsgruppe durch das höchste Durchschnittsalter aller akademischen Berufsgruppen aus (46,3 Jahre). Das Medianentgelt in dieser Gruppe spiegelt also zudem einen Senioritätseffekt wider und ist somit nach oben verzerrt. Der Engpassindikator von 12 offenen Stellen je 100 Arbeitslosen zeigt die aktuell begrenzte Nachfrage nach dieser Berufsgruppe gemessen an der Personenzahl, die gerne in ihr arbeiten würde.

Auf Rang 11 folgen die sonstigen Akademikerberufe in der Gesundheit, die im Median ein Bruttomonatsentgelt von 4.177 Euro erreichen. In diese Gruppe fallen viele therapeutische Berufe sowie Akademikerberufe in der Altenpflege und in der Pharmazie. Der Bedarf von 44 offenen Stellen je 100 arbeitslosen Bewerbern verdeutlicht, dass sich der Arbeitsmarkt in diesem Berufssegment aktuell angespannt zeigt.

Es folgen die künstlerischen Akademikerberufe mit einem Medianentgelt von 3.875 Euro im Monat. Ähnlich wie bei den Geisteswissenschaftlern ist die Gruppe der Angestellten positiv selektiert - der Großteil der künstlerischen Berufe ist freiberuflich tätig und verdient weniger als im Angestelltenverhältnis - und auch hier ist die Nachfrage mit 13 offenen Stellen je 100 Arbeitslosen relativ gering.

Die sozialen Akademikerberufe (Heimleiter, Streetworker, etc.) erreichen nur einen Platz im unteren Mittelfeld. Obwohl die Nachfrage nach diesen Berufen durch die Zuwanderung von Geflüchteten stark angestiegen ist, wie der Engpassindikator von 92 offenen Stellen je 100 Arbeitslosen zeigt, spiegelt das erreichte Medianentgelt von 3.748 Euro diesen Engpass nur unzureichend wider, da viele Beschäftigte dieser Berufsgruppe im öffentlichen Dienst beschäftigt sind.

Die Schlussplätze nehmen die beiden Berufsgruppen der sprach- und gesellschaftswissenschaftlichen Akademikerberufe mit einem Vollzeit-Medianentgelt von knapp unter 3.400 Euro ein. Besonders für die Sprachwissenschaftler, bei denen lediglich vier offene Stellen auf 100 Arbeitslose kommen, kann davon ausgegangen werden, dass das niedrige Entgelt auch die Tatsache reflektiert, dass eine Vielzahl an Bewerbern um eine der raren Stellen konkurriert.

Zusammenfassend bestimmen viele Faktoren das Gehalt. Eine gemessen am Arbeitskräfteangebot hohe Arbeitsmarktnachfrage wirkt sich besonders in industrienahen Berufen positiv auf das Gehaltsniveau aus. Finanziell weniger vorteilhaft ist für Angestellte eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst, dessen unflexible Löhne nicht ausreichend auf Engpässe am Arbeitsmarkt (etwa bei Bauingenieuren oder Sozialarbeitern) reagieren. Männer wählen deutlich häufiger als Frauen Studiengänge, die in sehr gut bezahlte Beschäftigungsverhältnisse münden. Arzt- und Juristenberufe zeigen, dass es Frauen sehr wohl gelingt, in gut bezahlten Jobs zu landen. Der im Durchschnitt aller akademischen Berufe vorhandene Gehaltsrückstand zu den Männern würde sich drastisch reduzieren, würden Frauen stärker in industrie- und techniknahe Akademikerberufe streben.

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Oliver Koppel / Ruth Maria Schüler: Akademikerberufe – Nicht nur die Nachfrage bestimmt den Preis

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