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Michael Grömling IW-Kurzbericht Nr. 2 2. Januar 2019 Ostdeutschland: Rückstand bei Investitionen und Beschäftigung

Die Unternehmen in Ost- und Westdeutschland gehen mit nahezu identischen Produktionserwartungen in das Jahr 2019. Die Wachstumsperspektiven sind derzeit in beiden Regionen jedoch spürbar moderater als im Frühjahr 2018 – die Abwärtskorrektur fällt im Westen erheblich stärker aus. Bei den Exporten, Investitionen und bei der Beschäftigung bleiben die ostdeutschen Erwartungen deutlich hinter jenen im Westen zurück.

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Rückstand bei Investitionen und Beschäftigung
Michael Grömling IW-Kurzbericht Nr. 2 2. Januar 2019

Ostdeutschland: Rückstand bei Investitionen und Beschäftigung

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Unternehmen in Ost- und Westdeutschland gehen mit nahezu identischen Produktionserwartungen in das Jahr 2019. Die Wachstumsperspektiven sind derzeit in beiden Regionen jedoch spürbar moderater als im Frühjahr 2018 – die Abwärtskorrektur fällt im Westen erheblich stärker aus. Bei den Exporten, Investitionen und bei der Beschäftigung bleiben die ostdeutschen Erwartungen deutlich hinter jenen im Westen zurück.

Stockende Konvergenz

Im ersten Halbjahr 2018 legten Ost- und Westdeutschland mit identischer Schlagzahl zu. Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag jeweils um 1,9 Prozent über dem entsprechenden Vorjahreswert. Damit setzte sich die in den beiden Vorjahren gezeigte ökonomische Divergenz nicht weiter fort. In den Jahren 2016 und 2017 legte die reale Wirtschaftsleistung im Westen Deutschlands wieder leicht stärker zu als in den ostdeutschen Bundesländern (einschließlich Berlin). Damit öffnete sich auch die Schere zwischen der Wirtschaftsleistung je Erwerbstätigen in West und Ost wieder, nachdem sie sich in den Vorjahren etwas geschlossen hatte. Ungeachtet dieser moderaten Auf- und Abwärtsbewegungen hat sich seit der Jahrtausendwende insgesamt wenig an dieser Produktivitätsdifferenz getan. Die Wirtschaftsleistung je Erwerbstätigen ist im Osten mehr oder weniger hartnäckig um rund 14.000 Euro niedriger als im Westen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Zulassungsstockungen von Personenkraftwagen und die damit verbundenen Produktionsrückgänge die westdeutsche Wirtschaft im zweiten Halbjahr 2018 stärker beeinträchtigt haben als die Unternehmenslandschaft im Osten.

An dem mehr oder weniger stockenden Aufholprozess in Ostdeutschland wird sich voraussichtlich auch im kommenden Jahr wenig ändern. Die Konjunkturumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) vom Oktober und November 2018 signalisiert für das Jahr 2019 – zumindest bei der Geschäftstätigkeit – eine weiterhin ähnliche wirtschaftliche Schrittfolge in Ost und West. An der aktuellen Umfrage, die das IW bereits seit dem Jahr 1992 in Ostdeutschland und seit 2002 in Westdeutschland durchführt (Grömling, 2018), nahmen 429 Unternehmen im Osten und 1.823 Firmen im Westen teil.

Identische Produktionserwartungen 2019

Das Wachstumstempo hat in Deutschland im Jahresverlauf 2018 deutlich nachgelassen (IW-Forschungsgruppe Gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunktur, 2018). Vor allem im dritten Quartal 2018 gab es einen deutlichen Dämpfer. Der Grund hierfür waren Produktionsrückgänge im Automobilsektor infolge von Zulassungsstockungen. Die Verlangsamung liegt aber auch an der nachlassenden Dynamik der Weltwirtschaft. Der Protektionismus vonseiten der USA, die schwächere Gangart der Schwellenländer, die Ungewissheiten infolge des anstehenden Brexits und der italienischen Regierungsführung belasten die Erwartungshaltung der Unternehmen. Diese gesamtwirtschaftliche Eintrübung spiegelt sich auch in der IW-Konjunkturumfrage vom Herbst 2018 wider. Demnach gehen 38,5 Prozent der insgesamt über 2.250 in Deutschland befragten Unternehmen davon aus, dass ihre Produktion im kommenden Jahr höher ausfallen wird als in diesem Jahr. Dagegen erwarten gut 14 Prozent einen Rückgang. Der Anteil der Optimisten ist im Vergleich zur Frühjahrsumfrage des IW um 13 Prozentpunkte zurückgegangen, der Anteil der Pessimisten um 6 Prozentpunkte gestiegen. Der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen ist zwar nach wie vor deutlich im Plus. Er liegt jedoch erheblich niedriger als im Frühjahr 2018 und auf dem Niveau von früheren Jahren mit schwachem Wachstum.

Der Saldo aus positiven und negativen Produktionserwartungen hat sich sowohl in Ostdeutschland als auch in Westdeutschland zurückgebildet. Die Abwärtskorrektur fiel allerdings im Westen erheblich stärker aus. Während dieser Saldo im Osten seit dem Frühjahr 2017 von 37 auf gut 26 Prozentpunkte sank, brach er im Westen von 44,5 auf nur noch gut 24 Prozentpunkte ein. Die Abbildung liefert die zugrunde liegenden Details: Im Herbst 2018 erwarten in Westdeutschland 38 Prozent der Betriebe eine höhere Geschäftstätigkeit im kommenden Jahr, in Ostdeutschland sind es sogar 40 Prozent. Der Anteil der Firmen, die mit einer schwächeren Produktion in 2019 rechnen, steigt in beiden Wirtschaftsräumen auf jeweils rund 14 Prozent an.

Vorwiegend Industriekorrekturen

Die stärksten Korrekturen gab es im ost- und westdeutschen Investitionsgütersektor. Während im Osten der Saldo aus positiven und negativen Produktionserwartungen vom Frühjahr bis Herbst 2018 um 31 Prozentpunkte einbrach, belief sich der Absturz im Westen sogar auf 37 Prozentpunkte. Auch in der westdeutschen Vorleistungs- und Konsumgüterindustrie gab es eine starke Abkühlung der Geschäftserwartungen. Dagegen sind die Einschnitte bei den Dienstleistern relativ moderat. Am wenigsten Korrekturbedarf sah die Bauwirtschaft im Westen. Während es bei den ostdeutschen Baufirmen eine starke Eintrübung gab, waren dort die Abwärtskorrekturen bei den Konsumgüterfirmen und bei den Dienstleistern kaum merklich.

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Schwache Exporterwartungen

Die Stimmungseintrübung ist in erster Linie in der westdeutschen Industrie zu verorten. Das spiegelt sich auch in den Exporterwartungen wider. Im Gefolge der bereits angesprochenen Eintrübung der Weltwirtschaft haben sich diese im Jahresverlauf 2018 markant zurückgebildet. Wegen ihrer höheren Handelsintensität trifft die schwächere globale Expansion die westdeutschen Unternehmen offensichtlich stärker. Der Optimismus ging im Westen deutlicher zurück und der Pessimismus stieg dort stärker an als in Ostdeutschland. Trotz dieser insgesamt markanteren Abwärtskorrektur im Westen, dominieren dort immer noch die zuversichtlichen Unternehmen: Während 24 Prozent der Firmen eine Export­steigerung im nächsten Jahr erwarten, gehen 13 Prozent von einem Rückgang aus. Dagegen ist im Osten der Anteil der Pessimisten sogar leicht höher als der Anteil der Optimisten. Bei der Analyse der Exporterwartungen ist gleichwohl zu beachten, dass der Anteil der exportierenden Unternehmen in Ostdeutschland geringer ausfällt. Zudem dürften dort nach wie vor die eingeschränkten Handelsmöglichkeiten mit Russland stärker zu Buche schlagen.

Divergierende Produktionspotenziale

Trotz der fast identischen Produktionserwartungen in Ost- und Westdeutschland gibt es deutlich unterschiedliche Perspektiven hinsichtlich der Investitionen und Beschäftigung im kommenden Jahr. In beiden Teilregionen sind diejenigen Firmen, die bei Investitionen und Beschäftigung in 2019 mehr einplanen als in diesem Jahr, stärker vertreten als die Betriebe mit schlechteren Erwartungen. Dies signalisiert, dass der Investitions- und Beschäftigungszyklus hierzulande nicht abreißen dürfte. Sowohl bei den Investitionen als auch bei der Erwerbstätigkeit sind die Anteile der pessimistisch gestimmten Unternehmen in Ost und West mit rund einem Siebtel gleich hoch. Merkliche Differenzen gibt es jedoch bei den Optimisten. Demnach dürfte die Investitions- und Beschäftigungsentwicklung im kommenden Jahr in Westdeutschland ein weiteres Mal spürbar besser ausfallen.

Damit dürften sich auch die Wachstumspotenziale beider Teilregionen weiter auseinanderentwickeln. Seit 2010 war die Investitionstätigkeit in Westdeutschland insgesamt stärker ausgeprägt als in Ostdeutschland. Auch die tatsächliche Beschäftigungsentwicklung war seit 2010 im Westen erheblich besser. Die Einbeziehung von Gesamtberlin in den Osten hat die Investitions- und Beschäftigungsbilanz Ostdeutschlands dabei sogar noch deutlich verbessert.

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