1. Home
  2. Studien
  3. Corona behindert auch die Exportwirtschaft
Hubertus Bardt / Michael Grömling IW-Kurzbericht Nr. 27 6. Mai 2021 Corona behindert auch die Exportwirtschaft

Die Lockdown-Maßnahmen in Deutschland konzentrieren sich seit November 2020 stark auf die Unternehmen aus Handel und Dienstleistungen. Dagegen konnte sich die Industrie robust behaupten. Ihre Geschäftsabläufe werden jedoch auch behindert. Vor allem die Exportwirtschaft hat derzeit mit spezifischen Einschränkungen zu kämpfen, was die Erholung deutscher Unternehmen auf den internationalen Märkten zurückhält.

PDF herunterladen
Corona behindert auch die Exportwirtschaft
Hubertus Bardt / Michael Grömling IW-Kurzbericht Nr. 27 6. Mai 2021

Corona behindert auch die Exportwirtschaft

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Lockdown-Maßnahmen in Deutschland konzentrieren sich seit November 2020 stark auf die Unternehmen aus Handel und Dienstleistungen. Dagegen konnte sich die Industrie robust behaupten. Ihre Geschäftsabläufe werden jedoch auch behindert. Vor allem die Exportwirtschaft hat derzeit mit spezifischen Einschränkungen zu kämpfen, was die Erholung deutscher Unternehmen auf den internationalen Märkten zurückhält.

Im Gefolge der zweiten Infektionswelle ab Herbst 2020 zeichnet sich eine tiefe Spaltung in der deutschen Wirtschaft ab. Dies reflektiert sich auch in den Ergebnissen der Konjunkturumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bezüglich der Lage im Frühjahr 2021 (Grömling, 2021): Während sich im Durchschnitt der Industrieunternehmen ein deutlich positiver Saldo zwischen den optimistischen und pessimistischen Bewertungen der aktuellen Produktionslage in Höhe von 9 Prozentpunkten ergibt, zeigt sich im Dienstleistungssektor ein hoher Negativsaldo von –18 Prozentpunkten. Bei den Produktionsperspektiven für das gesamte Jahr 2021 dominieren sowohl in der Industrie als auch bei den Dienstleistern die Optimisten – die Erwartungshaltung in der Industrie ist jedoch erheblich besser.

Richtet sich der Blick auf die exportorientierten Unternehmen aus allen Branchen – eine Differenzierung, die im Rahmen der IW-Konjunkturumfrage erstmals vorgenommen wird (Grömling, 2021) – dann schneiden die auf globale Märkte ausgerichteten Firmen bei der Lagebewertung im Frühjahr 2021 (gegenüber Frühjahr 2020) etwas schlechter ab als die Industrie insgesamt, jedoch deutlich besser als die Dienstleister. Für das gesamte Jahr 2021 ist das Erwartungsbild der Exportwirtschaft etwas besser als in der Industrie insgesamt und vor allem im Vergleich mit den Dienstleistern. Das bedeutet jedoch nicht, dass in diesem Teil der Volkswirtschaft alles rund läuft. Die exportierenden Unternehmen sind vielmehr noch zusätzlichen Risiken ausgesetzt.

Um die aktuellen Belastungen der deutschen Unternehmen im Frühjahr 2021 zu vermessen, wurden im Zeitraum Ende März bis Mitte April 2021 im Rahmen der IW-Konjunkturumfrage über 2.800 Unternehmen in Deutschland nach den aktuellen Risiken für ihre Geschäftsabläufe befragt. Die IW-Umfrage liefert ein differenziertes Risikoprofil der deutschen Industrie-, Bau- und Dienstleistungsunternehmen hinsichtlich diverser angebotsseitiger Störungen und nachfrageseitiger Risiken (Grömling et al., 2021).

Unter den international relevanten Problemen werden von den Firmen der Exportwirtschaft am häufigsten die Beschränkungen der internationalen Arbeitstätigkeit genannt (Abbildung). Die damit verbundenen Probleme stehen oftmals nur am Rand der öffentlichen Diskussion, sind für diese Unternehmen aber hoch relevant. Durch die Einschränkungen von internationalen Dienstreisen können neue Kontakte nur schlecht geknüpft werden, der Aufbau von Anlagen oder schnelle Reparaturen durch eigenes Personal wird erschwert. Auch die Schulung von Lieferanten, die internationale Qualitätssicherung oder die Kontrolle von Umwelt- und Sozialstandards bei Zulieferern können ohne Besuche vor Ort nur eingeschränkt stattfinden. 36 Prozent der Exportunternehmen sehen deshalb ihre Geschäftstätigkeit auch noch bis zur Jahresmitte 2021 stark eingeschränkt, weitere fast 37 Prozent dieser Firmen sprechen von weniger großen Beeinträchtigungen. In der gesamten Indus­trie sind es 28 Prozent der Firmen, die starke, und knapp 30 Prozent, die weniger starke Belastungen erkennen. Zum Befragungszeitraum Ende März/Anfang April 2021 wurden diese Beschränkungen in den exportorientierten Firmen sogar noch stärker wahrgenommen, so dass bis zur Jahresmitte 2021 eine leichte Entspannung bei der Infektionslage und den damit einhergehenden Beschränkungen angenommen wird.

Inhaltselement mit der ID 9314
Inhaltselement mit der ID 9315
Inhaltselement mit der ID 9317

Eng verbunden mit dem internationalen Geschäft sind Risiken der Logistik, die sich ebenfalls als überdurchschnittlich hoch für die Exportwirtschaft darstellen. Hier sind fehlende Transportkapazitäten und zum Teil die Nachwirkungen des globalen Einbruchs und der Störungen im Frühjahr letzten Jahres weiter zu spüren. Gut 22 Prozent der auf globale Märkte ausgerichteten Unternehmen sehen sich bis Mitte 2021 durch Logistik-Probleme in ihren Geschäftsabläufen stark beeinträchtigt, in der Industrie sind dies knapp 14 Prozent. Am aktuellen Rand sind die Werte noch etwas höher, was aber auch mit den zusätzlichen kurzfristigen Störungen, wie besonders der zwischenzeitlichen Blockade des Suez-Kanals, zusammenhängt.

Eine weitere Beschränkung in den Produktionsprozessen resultiert aus fehlenden Vorleistungen von inländischen und ausländischen Zulieferern. Dieses aktuelle Geschäftsrisiko trifft die auf globale Märkte ausgerichteten deutschen Unternehmen jedoch nicht nennenswert stärker als die gesamte Industrie. 23 Prozent der Exportfirmen sehen sich in den nächsten Monaten dadurch stark eingeschränkt, weil Engpässe mit ausländischen Zulieferungen auftreten können. In der Industrie sind es mit 21 Prozent nicht viel weniger. Geringer, mit 17 beziehungsweise 18 Prozent, sind die Risiken in den Wertschöpfungsketten durch das Ausbleiben von inländischen Vorleistungen.

Neben diesen insgesamt stärkeren Restriktionen der Exportwirtschaft auf der Angebotsseite schätzt dieser Bereich der Volkswirtschaft die Nachfragerisiken auf den Auslandsmärkten etwas höher ein als die gesamte Industrie. Eine im Vergleich zur Industrie etwas höhere Vorsicht wird von der Exportwirtschaft bezüglich der Nachfrage aus dem Vereinigten Königreich (21 Prozent), aus der EU (20 Prozent) sowie aus den anderen Weltregionen (18 Prozent) artikuliert. Die Exportperspektiven dieser Firmen für das Jahr 2021 sind gleichwohl deutlich besser als im Blick über alle Branchen: Während 23 Prozent aller befragten Unternehmen für 2021 von steigenden Exporten ausgehen und 21 Prozent einen Rückgang erwarten, sind von jenen Firmen, die stark auf globale Märkte abzielen, 44 Prozent davon überzeugt, dass ihre Ausfuhren 2021 wachsen werden, nur 22 Prozent rechnen mit einem Minus. Die Prognosen für die Weltwirtschaften liefern insgesamt zuversichtliche Perspektiven für das Jahr 2021. Die zuletzt stark aufflammende Infektionslage in Indien führt gleichwohl deutlich vor Augen, dass die weltwirtschaftliche Dynamik kein Selbstläufer ist, sondern ebenfalls von erheblichen Störungen infolge der Pandemie begleitet werden kann.

PDF herunterladen
Corona behindert auch die Exportwirtschaft
Hubertus Bardt / Michael Grömling IW-Kurzbericht Nr. 27 6. Mai 2021

Corona behindert auch die Exportwirtschaft

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Matthias Diermeier / Christian Oberst / Samina Sultan in Aus Politik und Zeitgeschichte Externe Veröffentlichung 25. März 2024

Europa der Regionen?: Wahlbeteiligung und Euroskepsis bei den Europawahlen

Vom 6. bis 9. Juni 2024 findet die zehnte Direktwahl zum Europäischen Parlament statt. Zwar wird die Europawahl voraussichtlich auch in diesem Jahr stark von der nationalen politischen Kultur, den länderspezifischen Diskursen sowie den wirtschaftlichen ...

IW

Artikel lesen
Jürgen Matthes in der taz Interview 18. März 2024

Folgen einer zweiten Amtszeit Trumps: „Der Schaden wäre dramatischer”

Donald Trump könnte zum zweiten Mal US-Präsident werden. Das hätte große Folgen für die deutsche und globale Wirtschaft, warnt IW-Ökonom Jürgen Matthes im Interview mit der taz.

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880