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Hagen Lesch IW-Kurzbericht Nr. 71 27. September 2017 Internationaler Arbeitskampfvergleich

In einer globalisierten Wirtschaft bedrohen Streiks die Lieferpünktlichkeit und damit auch Kundenbeziehungen. Je weniger Arbeitstage durch Arbeitskämpfe verloren gehen, desto besser ist das für die Planungssicherheit der Unternehmen. Der Soziale Friede ist deshalb ein wichtiger Standortfaktor. Ein internationaler Arbeitskampfvergleich unter 22 OECD-Ländern für den Zeitraum 2007 bis 2016 zeigt, dass es um die Qualität der Arbeitsbeziehungen recht unterschiedlich bestellt ist.

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Hagen Lesch IW-Kurzbericht Nr. 71 27. September 2017

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Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

In einer globalisierten Wirtschaft bedrohen Streiks die Lieferpünktlichkeit und damit auch Kundenbeziehungen. Je weniger Arbeitstage durch Arbeitskämpfe verloren gehen, desto besser ist das für die Planungssicherheit der Unternehmen. Der Soziale Friede ist deshalb ein wichtiger Standortfaktor. Ein internationaler Arbeitskampfvergleich unter 22 OECD-Ländern für den Zeitraum 2007 bis 2016 zeigt, dass es um die Qualität der Arbeitsbeziehungen recht unterschiedlich bestellt ist.

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Während in Frankreich pro Jahr durchschnittlich 123 Arbeitstage je 1.000 Arbeitnehmer verloren gingen, waren es in Deutschland 7 und in Japan 0,2 Tage (Grafik). Zu den streikfreudigsten Ländern gehören neben Frankreich noch Dänemark mit 118, Kanada mit 87 und Belgien mit 79 Ausfalltagen. Leider liegen für Länder wie Italien und Griechenland, in denen traditionell oft gestreikt wird, keine Daten vor. Das untere Mittelfeld umfasst Länder mit 40 bis 59 Ausfalltagen. Hierzu zählen Spanien, Norwegen und Finnland. Zum oberen Mittelfeld gehören Irland, das Vereinigte Königreich, Portugal und Australien. In diesen Ländern fielen zwischen 14 und 32 Tage aus. Interessant ist, dass die Liste der Länder, in denen wenig ge­streikt wird, recht lang ist. Weniger als 10 Tage gingen in Neuseeland, den Niederlanden, Deutschland, den USA, Polen, Schweden, Ungarn, Österreich, der Schweiz sowie in Japan und in der Slowakei verloren. In Japan und in der Slowakei ging es fast gänzlich konfliktfrei zu. Dass Deutschland in diesem Ranking gerade mal den neunten Platz belegt, hängt mit dem Ausnahmejahr 2015 zusammen. Damals summierten sich die Ausfalltage auf mehr als eine Million. Das entspricht 31 Ausfalltagen je 1.000 Arbeitnehmern. Einzelne Jahre, die deutlich vom langjährigen Trend abweichen, treten allerdings auch in anderen Ländern auf. So erlebte Belgien 2014 ein Streikrekordjahr mit 196 Ausfalltagen je 1.000 Arbeitnehmer, Norwegen 2010 eines mit 217 oder Dänemark 2013 eines mit 381 Ausfalltagen.

Aufgrund solcher Ausnahmejahre ist es bei internationalen Arbeitskampfvergleichen üblich, längere Zeiträume miteinander zu vergleichen (Lesch, 2015; Dribbusch, 2015). Dadurch werden Ausreißerjahre statistisch geglättet und Länder besser miteinander vergleichbar. Trotzdem ist bei der Interpretation der Daten zu berücksichtigen, dass sie auf unterschiedliche Weise erhoben werden (Lesch, 2010, 21. f). Ein besonderes Problem sind die unterschiedlichen Erfassungsschwellen. In Deutschland veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit Daten für alle Ausstände, bei denen mindestens 10 Arbeitnehmer beteiligt sind und die eine Mindestdauer von einem Tag haben oder bei denen mindestens 100 Arbeitstage ausfallen (Bundesagentur für Arbeit, 2016). Seit 2008 werden aber auch Bagatellstreiks erfasst und statistisch ausgewiesen. Sie sind auch in dem hier vorgenommenen Vergleich enthalten. In den USA werden hingegen nur Streiks statistisch berücksichtigt, bei denen mindestens 1.000 Arbeitnehmer beschäftigt sind und die wenigstens eine Schicht (oder einen Arbeitstag) dauern. Durch diese Schwelle wird die Anzahl der tatsächlich ausgefallenen Arbeitstage unterzeichnet. In Spanien wird die ausgewiesene Zahl dadurch unterschätzt, dass große Generalstreiks nicht erfasst wurden. In Frankreich werden unabhängig voneinander Daten für den privaten und für den öffentlichen Sektor veröffentlicht. Dabei kommt es zu Überschneidungen, die sich nur grob bereinigen lassen (ETUI, 2016).

Dass die Unterschiede zwischen den Ländern so groß sind, hängt vor allem mit der historisch gewachsenen Streikkultur zusammen. Im Vergleich zu früheren Zeiträumen ist zwar in fast allen Ländern ein merklicher Rückgang der Ausfalltage zu beobachten. Gleichzeitig besteht aber eine große Pfadabhängigkeit: Länder, die wie Belgien, Dänemark, Frankreich, Kanada oder Spanien aktuell die meisten Ausfalltage zu verzeichnen haben, gehörten auch in den 2000er oder 1990er-Jahren zu den streikanfälligen Volkswirtschaften. So fielen in Kanada zwischen 2000 und 2009 pro Jahr durchschnittlich 150 und in Spanien 153 Arbeitstage durch Arbeitskämpfe aus. Ein weiterer Erklärungsfaktor sind politische Streiks. Während die Ausfalltage durch tarifpolitische Konflikte tendenziell sinken, gab es seit 2008 vor allem in Ländern wie Griechenland, Frankreich, Belgien oder Spanien eine Renaissance des politischen Streiks (Gallas/Nowak, 2012). Da die Mobilisierung bei solchen Generalstreiks in der Regel sehr hoch ist, schlagen sie sich auch in der Streikbilanz spürbar nieder. In Ländern wie der Schweiz oder Japan, in denen politische Streiks unüblich – oder wie in Deutschland – gar verboten sind, fallen deutlich weniger Arbeitstage durch Arbeitskämpfe aus.

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