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Andrea Hammermann IW-Kurzbericht Nr. 41 27. Juni 2019 Resilienz stärken mit Zielvereinbarungen

Arbeit sollte einen Sinn ergeben – das ist keine neue Erkenntnis der jungen Generation, sondern schon immer ein wichtiger Antrieb, um sich im Job zu engagieren. Die Empirie zeigt: Beschäftigte, die über Ziele geführt werden, haben ein besseres Verständnis für die strategische Ausrichtung ihres Betriebs.

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Resilienz stärken mit Zielvereinbarungen
Andrea Hammermann IW-Kurzbericht Nr. 41 27. Juni 2019

Resilienz stärken mit Zielvereinbarungen

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Arbeit sollte einen Sinn ergeben – das ist keine neue Erkenntnis der jungen Generation, sondern schon immer ein wichtiger Antrieb, um sich im Job zu engagieren. Die Empirie zeigt: Beschäftigte, die über Ziele geführt werden, haben ein besseres Verständnis für die strategische Ausrichtung ihres Betriebs.

Führen über Ziele

In resilienten Organisationen – also Organisationen, die Krisen leichter unbeschadet überstehen und sich schneller von (finanziellen) Rückschlägen erholen oder sogar gestärkt daraus hervorgehen – bekommen Mitarbeiter häufiger Leistungsfeedback als in anderen weniger resilienten Organisationen. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Analyse zur organisationalen und individuellen Resilienz des Instituts der deutschen Wirtschaft (Flüter-Hoffmann et al., 2018, 73). Der positive Zusammenhang zwischen der Überwindung einer existenzbedrohenden Situation und einem strukturierten Leistungsmanagement deutet auf dessen hohe strategische Relevanz in der Mitarbeiterführung hin.

Führungskräfte können in Mitarbeitergesprächen Leistungsfeedback geben und ihre Erwartungen an den Mitarbeiter im Sinne der Unternehmensziele klar formulieren. Mitarbeitergespräche sind zudem ein wichtiges Element der Personalentwicklung, in dem Mitarbeitern ihre Stärken und Potenziale aufgezeigt werden. Mit fordernden, aber realistische Zielen werden die Beschäftigten motiviert, ihr Bestes zu geben und sich weiterzuentwickeln. Führungskräfte, die Aufgaben delegieren, indem sie diese in den Gesamtkontext der unternehmerischen Wertschöpfung stellen, geben der Arbeitsleistung des Einzelnen eine übergeordnete Bedeutung und machen deutlich, was der Organisation wichtig ist. Für diese positiven Effekte von Mitarbeitergesprächen mit Zielvereinbarungen sprechen auch empirische Befunde auf Basis des Linked Personnel Panels:

Mitarbeiter, die in den letzten zwölf Monaten mit ihrer Führungskraft ein Mitarbeitergespräch geführt haben, sind signifikant häufiger der Meinung, dass die Pläne und Ziele des Betriebs allen Mitarbeitern bekannt sind und jeder ein klares Verständnis darüber hat, was der Betrieb erreichen will. Während 77 Prozent der Beschäftigten mit einem Zielvereinbarungsgespräch im letzten Jahr der Belegschaft ein hohes Verständnis für die betrieblichen Ziele attestieren, sind es unter den Beschäftigten ohne ein Mitarbeitergespräch mit 65 Prozent zwar immer noch die überwiegende Mehrheit, aber signifikant weniger. Auch das Führungsverhalten durch die Vorgesetzten wird unterschiedlich gut bewertet. So geben Beschäftigte, die im letzten Jahr ein Mitarbeitergespräch hatten, deutlich häufiger an, dass die Vorgesetzten im Betrieb Mitarbeiter gut anleiten, Ziele und Anforderungen klar kommunizieren und Verständnis für ihre Mitarbeiter aufbringen (siehe Abbildung). Beschäftigte, die kein Mitarbeitergespräch geführt haben, sehen die Transparenz der Unternehmensziele und die Führungskompetenz deutlich seltener gegeben. Die Befunde weisen zudem darauf hin, dass ein schriftlich vereinbartes Ziel die Klarheit und Verbindlichkeit von Weisungen und strategischen Zielsetzungen weiter stärkt.

Die abweichenden Einschätzungen differenziert nach dem Führen von Mitarbeitergesprächen sind erheblich und robust signifikant, wenn für eine Reihe von individuellen und organisationalen Merkmalen kontrolliert wird. Eine Prüfung auf Kausalität ist hingegen nicht möglich. Dennoch weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Beschäftigte, die ihren eigenen Wertschöpfungsbeitrag über Ziele reflektieren, die Unternehmensstrategie besser nachvollziehen können. Zudem deuten unterschiedliche Wahrnehmungen über das Verständnis der Führungskräfte für ihre Mitarbeiter darauf hin, dass Mitarbeitergespräche dieses befördern. Ein logischer Schluss, denn Mitarbeitergespräche bieten in der Regel eine gute Möglichkeit für Mitarbeiter, ihre Sichtweise und beruflichen Vorstellungen zu äußern.

Verständnis für das große Ganze kann Resilienz stärken

Die Verstehbarkeit als Fähigkeit, Informationen einordnen und verarbeiten zu können, ist eine Dimension des Kohärenzgefühls nach Antonovsky (Antonovsky, 1996). Menschen mit einem ausgeprägten Kohärenzgefühl wissen, dass sie darauf vertrauen können, ihre Umwelt richtig einzuschätzen und Herausforderungen aus eigener Kraft meistern zu können. Mitarbeitergespräche können über das im Gespräch vermittelte Verständnis von Zusammenhängen, dem Leistungsfeedback und der Sinnstiftung mittels Zielvorgaben diese positive Grundhaltung fördern. Dies kann dem Einzelnen helfen, stressreiche Situationen im Arbeitsalltag besser zu meistern und die individuelle Resilienz zu fördern.

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Trend zu mehr Teamanreizen

Die Mehrheit der Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten führt Zielvereinbarungen mit ihren Mitarbeitern durch. Der Wert hat allerdings von 65 Prozent im Jahr 2012 auf 62 Prozent im Jahr 2016 leicht abgenommen (Kampkötter et al., 2018, 18). Der rückläufige Trend trifft insbesondere auf Betriebe im Dienstleistungsbereich und dem Kommunikationssektor zu. Dabei zeigt die Untersuchung, dass neu eingeführte Zielvereinbarungen auch einen positiven Effekt auf die Arbeitszufriedenheit haben – allerdings mit der Einschränkung, dass daran keine Vergütungsbestandteile geknüpft sind. Auf den ersten Blick hört sich eine Bewertung ohne Konsequenz widersinnig an. Beschäftigte stehen neuen Anreizen im Leistungsmanagement jedoch häufig erst einmal kritisch gegenüber. Zudem zeigt sich in der Anwendung, dass individuelle Leistungsanreize die Leistungsbereitschaft zwar fördern, aber gleichzeitig auch die Kooperationsbereitschaft reduzieren und Sabotage auslösen können (Berger et al., 2013, 65). Statt die individuelle Leistung zu entlohnen, knüpfen Unternehmen die Vergütung daher immer häufiger an den Erfolg eines Arbeitsteams, einer Organisationseinheit oder auch des gesamten Unternehmens.

Anders als bei individueller Leistungsvergütung verstärken Teamanreize kooperatives Handeln. Gleichzeitig wird auch gefördert, dass sich die Ziele des Einzelnen mit den Unternehmenszielen decken – besonders deutlich wird dies bei einer am Unternehmenserfolg orientierten Kompensation. Durch die monetären Anreize werden die (zeitlichen) Ressourcen der Beschäftigten in Aufgaben kanalisiert, die einen hohen und übergeordneten Nutzen für die Organisation haben.

Das Linked Personnel Panel

Die Datengrundlage dieses Beitrags bildet das Linked Personnel Panel (LPP), Welle 2014/2015 (Broszeit et al., 2016). Der Datenzugang erfolgte über einen Gastaufenthalt (fdz1516) am GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften und anschließend mittels kontrollierter Datenfernverarbeitung beim Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (FDZ). Das LPP ist eine Spiegelbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Panelformat, die aus einer Betriebsbefragung und einer Befragung ausgewählter Beschäftigten dieser Betriebe besteht. Die Grundgesamtheit bilden Betriebe mit mindestens 50 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Für die hier verwendete zweite Welle des LPP wurden 7.109 Beschäftigte aus 777 Betrieben befragt.

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