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Christina Anger / Sarah Berger / Oliver Koppel / Axel Plünnecke Gutachten 16. November 2017 MINT-Herbstreport 2017: Herausforderungen in Deutschland meistern

Erfolgreiche Innovationspolitik ist in erster Linie gleichbedeutend mit einer erfolgreichen Fachkräftesicherungspolitik, konkret im Bereich der besonders innovationsrelevanten MINT-Qualifikationen. Hier hat die Arbeitskräftelücke einen neuen Allzeit-Höchststand erreicht und lag Ende September 2017 bei 290.900 Personen, 42,9 Prozent höher als im Vorjahr.

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Gutachten
Herausforderungen in Deutschland meistern
Christina Anger / Sarah Berger / Oliver Koppel / Axel Plünnecke Gutachten 16. November 2017

MINT-Herbstreport 2017: Herausforderungen in Deutschland meistern

Gutachten für BDA, BDI, MINT Zukunft schaffen und Gesamtmetall

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Erfolgreiche Innovationspolitik ist in erster Linie gleichbedeutend mit einer erfolgreichen Fachkräftesicherungspolitik, konkret im Bereich der besonders innovationsrelevanten MINT-Qualifikationen. Hier hat die Arbeitskräftelücke einen neuen Allzeit-Höchststand erreicht und lag Ende September 2017 bei 290.900 Personen, 42,9 Prozent höher als im Vorjahr.

290.900 – Die MINT-Arbeitskräftelücke erreicht neuen Rekordwert

Ende September 2017 waren in den MINT-Berufen insgesamt 469.300 Stellen zu besetzen. Dies ist ein neuer Allzeit-Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen. Im Vergleich zum September 2016 nahm damit die Anzahl der offenen Stellen in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen insgesamt um 71.300 oder 17,9 Prozent zu. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit in den MINT-Berufen im Vorjahresvergleich in sämtlichen Berufsgruppen gesunken und lag bei insgesamt 183.002 Personen – rund 21.900 oder 10,7 Prozent weniger im Vergleich zum September des Vorjahres. Dies ist der niedrigste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen. Unter Berücksichtigung des qualifikatorischen Mismatches resultiert für Ende September 2017 eine über sämtliche 36 MINT-Berufskategorien aggregierte Arbeitskräftelücke in Höhe von 290.900 Personen. Die Lücke hat damit einen neuen Allzeit-Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2011 erreicht und liegt um 42,9 Prozent höher als noch im September des Vorjahres.

In den zurückliegenden Jahren hat sich die Struktur der MINT-Lücke verändert. Der Anteil der nichtakademischen Berufskategorien (Facharbeiter, Meister, Techniker) an der gesamten MINT-Arbeitskräftelücke ist in den letzten Jahren gestiegen und liegt im aktuellen Berichtsmonat bei 66 Prozent, der Anteil der akademischen MINT-Berufe entsprechend bei 34 Prozent. Ferner ist die Binnenstruktur der MINT-(Experten-) Arbeitskräftelücke in den letzten Jahren IT-lastiger geworden. So hat sich die Lücke bei den IT-Experten in den letzten drei Jahren von 17.300 im September 2014 auf 37.000 im September 2017 mehr als verdoppelt.

118.100 – Fachkräftesicherungsbeitrag durch ausländische MINT-Arbeitskräfte

Die Engpässe im MINT-Bereich würden jedoch noch größer ausfallen, wenn nicht das MINT-Beschäftigungswachstum von ausländischen Arbeitnehmern im Zeitraum vom 4. Quartal 2012 bis zum 1. Quartal 2017 überproportional hoch ausgefallen wäre. Die Beschäftigungsdynamik ausländischer MINT-Arbeitskräfte lag im Vergleich zu ihren deutschen Pendants in sämtlichen MINT-Berufsaggregaten um ein Vielfaches höher. Der Beitrag ausländischer MINT-Arbeitskräfte zur Fachkräftesicherung in Deutschland reicht folglich vom Elektriker bis zum Ingenieur. Wäre die Beschäftigung von Ausländern seit Anfang 2013 nur in der geringen Dynamik wie die Beschäftigung von Deutschen gestiegen, würde die Fachkräftelücke heute um rund 118.100 höher ausfallen und damit einen Wert von rund 409.000 erreichen. Vor allem in akademischen MINT-Berufen hat die Zuwanderung stark zur Fachkräftesicherung beigetragen – die Lücke in den akademischen MINT-Berufen ist seit Ende 2012 dadurch nur langsam gestiegen.

Indien: Erfolge der qualifizierten Zuwanderung aus Drittstaaten

Aus strategischer Sicht ist es wichtig, MINT-Kräfte aus demografiestarken Drittstaaten für das Leben und Arbeiten in Deutschland zu gewinnen. Seit 2012 richtet sich beispielsweise das Portal „Make-it-in-Germany“ vor allem gezielt an MINT-Akademiker aus Drittstaaten wie Indien. Die Beschäftigung von Ausländern in akademischen MINT-Berufen hat zwischen dem 31.12.2012 und dem 31.03.2017 um 51,6 Prozent bzw. um knapp 36.000 Personen zugenommen. Im ersten Quartal 2017 waren gut 7.700 Inder in akademischen MINT-Berufen sozialversicherungspflichtig beschäftigt – seit dem 31.12.2012 ist die Anzahl der Inder in akademischen MINT-Berufen von 3.750 um rund 106 Prozent gestiegen.

Erste Impulse für MINT aus der Flüchtlingsmigration

Ebenfalls dynamisch angestiegen ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in MINT-Berufen von Personen mit einer Nationalität aus Eritrea, Irak, Afghanistan und Syrien. Kamen aus diesen vier Hauptherkunftsländern der Flüchtlinge im vierten Quartal 2012 erst 2.711 Beschäftigte in MINT-Berufen, so waren es im ersten Quartal 2016 schon 5.348. Bis zum ersten Quartal 2017 stieg diese Zahl noch einmal auf bemerkenswerte 10.133. Der Anteil der MINT-Beschäftigten an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg unter den Personen aus den Hauptherkunftsländern der Flüchtlinge von 8,0 Prozent (Ende 2012) auf 11,7 Prozent im ersten Quartal 2017.

Bis zum Jahr 2020 dürfte auf Basis verschiedener Szenarien zur weiteren Zuwanderungsdynamik und zur Integration der Flüchtlinge davon ausgegangen werden, dass die Beschäftigung in den MINT-Berufen durch die Flüchtlingsmigration auf 27.600 bis 46.800 zunimmt.

Baden-Württemberg versus Sachsen-Anhalt: 12,3 zu 2,3 – Sorge um Perspektiven in den neuen Ländern

Zum 31. März 2017 waren 12,3 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in MINT-Berufen in Baden-Württemberg Ausländer. Hohe Ausländeranteile weisen auch das Saarland mit 11,3 Prozent, Berlin mit 10,5 Prozent, Hessen mit 10,2 Prozent und Bayern mit 10,0 Prozent auf. Am Ende der Skala rangieren die ostdeutschen Bundesländer mit Werten zwischen 2,3 Prozent in Sachsen-Anhalt und 3,3 Prozent in Brandenburg. Positiv ist dabei zu bewerten, dass in fast allen Bundesländern und vor allem auch in den neuen Ländern die Ausländeranteile im letzten halben Jahr um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte gestiegen sind. Für die neuen Länder ist die geringe Attraktivität für ausländische Fachkräfte perspektivisch ein gravierendes Problem, denn dort ist der Anteil der Beschäftigten im Alter ab 55 Jahren an allen Beschäftigten besonders groß. Da bestehende Netzwerke für qualifizierte Zuwanderung besonders wichtig sind und die Beschäftigungsdynamik und Fachkräftesicherung vor allem von den Erfolgen bei ausländischen Beschäftigten getragen werden, sind die Chancen der neuen Länder, die Innovationskraft über ein Wachstum der MINT-Beschäftigung zu stärken, weiterhin kritisch einzuschätzen.

Fazit 1: mehr Zuwanderer insbesondere auch für die neuen Länder gewinnen

Die Zuwanderung über das Bildungssystem stellt einen Königsweg der Zuwanderung dar. Die Hochschulabsolventen bleiben zu etwa der Hälfte in Deutschland, sind zu einem hohen Anteil erwerbstätig und arbeiten qualifikationsadäquat als Experten häufig in den MINT-Engpassberufen. Dazu stellt die Zuwanderung über die Hochschulen gerade für die ostdeutschen Regionen, die ansonsten weniger über Netzwerke zu Herkunftsregionen potenzieller Zuwanderer verfügen, eine Möglichkeit dar, qualifizierte Zuwanderer zu gewinnen. Die öffentliche Hand sollte Hochschulkapazitäten für weitere 100.000 internationale Studierende schaffen.

Ein konkretes Arbeitsplatzangebot sollte weiterhin die Grundlage der Fachkräftezuwanderung bleiben. Mit einem Zuwanderungsgesetz sollten die bestehenden zuwanderungsrechtlichen Regelungen noch besser strukturiert und das Zuwanderungsrecht transparenter und klarer gestaltet werden. Notwendig ist auch als zusätzlicher Baustein eine Weiterentwicklung der arbeitsplatzunabhängigen Potenzialzuwanderung.

Digitalisierung: West-Ost-Gefälle beim Breitbandinternet

Die Verfügbarkeit von Breitband-Internet ist entscheidend, um die Herausforderungen der Digitalisierung erfolgreich meistern zu können. Deutschlandweit stand Mitte 2017 insgesamt 31,3 Millionen oder 76,9 Prozent aller Haushalte ein Zugang zum Breitband-Internet zur Verfügung, also eine Internetverbindung mit mindestens 50 Mbit/s. In Ostdeutschland (ohne Berlin) kommt der Netzausbau in den vergangenen zwei Jahren gut voran. Hier ist die Versorgungsquote um 12,1 Prozentpunkte auf 59,5 Prozent gestiegen, in Westdeutschland (ohne Berlin) um 7,8 Prozentpunkte auf 79,6 Prozent. Es bleibt bundesweit Nachholbedarf vor allem in ländlichen Regionen. Ein Großteil des Unterschieds zwischen Ost und West ist der Tatsache geschuldet, dass Ostdeutschland deutlich stärker ländlich geprägt ist, was die Erschließung mit Breitband-Internet erschwert.

Digitalisierung: deutlicher Aufholbedarf bei Digitalisierungspatenten im internationalen Vergleich – in Deutschland starke Konzentration beobachtbar

Deutschland weist insgesamt eine hohe Innovationskraft auf und glänzt im europäischen Vergleich in der Spitzengruppe der Innovation Leaders. Dies lässt sich beispielsweise aus dem internationalen Vergleich der Patentanmeldungen am Europäischen Patentamt (EPO) ablesen. Hinsichtlich der Spezialisierung auf Digitalisierungstechnologien bleibt für Deutschland jedoch noch viel Luft nach oben. So entfällt in Deutschland gerade einmal jedes neunte angemeldete Patent bei der EPO auf den Bereich der Digitalisierungstechnologien, wohingegen beispielsweise China oder Korea bereits weit über 40 Prozent ihrer Patente in diesem Bereich anmelden. Auch einige andere Industrienationen übertreffen den Wert Deutschlands um das Zwei- bis Dreifache, unter anderem die nordeuropäischen Staaten Finnland und Schweden, in denen jedes dritte angemeldete Patent einen Digitalisierungsbezug hat.

Der Innovationserfolg Deutschlands wird von wenigen Branchen und Regionen getragen. Allen voran Baden-Württemberg und Bayern sind im Bundesländervergleich die unangefochtenen Spitzenreiter bei der allgemeinen Patentleistung. Der Abstand zu den nachfolgenden Bundesländern erweist sich als derart groß, dass letztere allesamt eine Patentleistung unterhalb des Bundesdurchschnitts erbringen. Betrachtet man die Digitalisierungspatente im Speziellen, zeigt sich noch einmal eine stärkere regionale Konzentration. Von den 12 Kreisen mit der höchsten Zahl an Digitalisierungspatenten pro 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stammen acht Kreise aus Bayern, zwei aus Baden-Württemberg, ein Kreis aus Niedersachsen und ein Kreis aus NRW. Knapp 69 Prozent der Digitalisierungspatente wurden in Bayern oder Baden-Württemberg angemeldet.

Digitalisierung: West-Ost-Gefälle bei Verfügbarkeit von IT-Experten

Wird die regionale Verteilung von beschäftigten IT-Experten näher betrachtet, so zeigt sich im Unterschied zu Ingenieuren, dass IT-Experten sehr stark auf Städte konzentriert sind. Von 10.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind zum 31.03.2017 in kreisfreien Großstädten 125 in IT-Experten-Berufen tätig, in städtischen Kreisen sind es 68, in ländlichen Kreisen mit Verdichtungsansätzen nur 30 und in dünn besiedelten ländlichen Kreisen 24 IT-Experten je 10.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Insgesamt gibt es eine deutlich höhere Beschäftigungsdichte in Bayern mit 112, Baden-Württemberg mit 100 und Hessen mit 93 als in Sachsen-Anhalt mit 28, Brandenburg mit 26 und Mecklenburg-Vorpommern mit 22. Die Anteile sind in den Stadtstaaten Hamburg mit 129, Berlin mit 117 und Bremen mit 103 hoch, jedoch niedriger als in den kreisfreien Großstädten in Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen.

Digitalisierung: West-Ost-Gefälle auch bei Ausbildungsleistung

Des Weiteren zeigt sich, dass die Ausbildungsleistung der Hochschulen bei den IT-Absolventen regional ebenfalls unterschiedlich ausfällt. Unter den Bundesländern liegt Bremen mit 105 IT-Hochschulabsolventen pro 100.000 Erwerbstätigen zusammen mit Baden-Württemberg mit 97, dem Saarland mit 92 sowie Berlin mit 84 an der Spitze der Länder. Die fünf neuen Bundesländer rangieren alle unter dem Bundesdurchschnittswert von 73.

Fazit 2: Investitionen in Digitalisierung insbesondere im Osten ausbauen

Wenngleich die ländlichen Regionen in puncto Verfügbarkeit von Breitbandinternet in den zurückliegenden Jahren um einiges aufgeholt haben, bleibt es eine der größten Herausforderungen für die regionalen Wirtschaftsplaner, diese mit einer adäquaten kabelgebundenen GlasfaserInfrastruktur zu erschließen.

Im Jahr 2015 haben 145 von 401 deutschen Kreisen keinerlei Patentanmeldungen im Bereich der Digitalisierung hervorgebracht. Um die vielen weißen Flecken der Digitalisierung in Deutschland zu verringern, sollte eine steuerliche FuE-Förderung eingeführt werden. Diese käme auch den Digitalisierungsbemühungen der KMU zugute und könnte somit einen Beitrag dazu leisten, die eher von kleineren Unternehmen geprägten Wirtschaftsstrukturen in Ostdeutschland bei ihren Innovationsbemühungen zu unterstützen.

Daneben ist die Ausbildungsleistung der Hochschulen bezüglich der IT-Experten auszubauen. Vor allem die Hochschulen in den neuen Bundesländern könnten hiermit ihr Profil deutlich stärken.
Zur Stärkung der digitalen Bildung insgesamt wäre es wichtig, den bereits in der letzten Legislaturperiode angekündigten Digitalpakt der Bundesregierung umzusetzen, um die Schüler gut auf die Digitalisierung der Gesellschaft vorzubereiten. Der Pakt sollte ursprünglich die digitale Infrastruktur an Schulen mit einem Gesamtbetrag von 5 Milliarden Euro in den kommenden Jahren stärken. Entscheidend für die Wirkung der Maßnahmen sind eine umfassende Lehreraus- und fortbildung zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Es müssen Konzepte erarbeitet werden, wie Informations- und Kommunikationstechnologien zielführend im Unterricht eingesetzt werden können. Zusätzlich sollten die Länder eine gleich hohe Summe bereitstellen sowie zusätzliches Personal für IT-Administration vorhalten und ab dem Jahr 2023 in der Verantwortung stehen, für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Ressourcen zu sorgen. Der Digitalpakt sollte ferner allgemeinbildende und berufliche Schulen gleichermaßen unterstützen.

OECD-Hinweis ist zu relativieren: Höchster MINT-Anteil an den Absolventen, aber nur Durchschnitt bei MINT-Absolventen je 1.000 Erwerbstätige

Die OECD hebt in ihrem Bericht „Bildung auf einen Blick 2017“ hervor, dass Deutschland im internationalen Vergleich über einen sehr hohen Anteil an Hochschulabsolventen in den MINT-Fächern verfügt. Mit 37 Prozent erreicht Deutschland hier den höchsten Wert aller OECD-Länder. Dieses Ergebnis spiegelt den Erfolg vieler MINT-Initiativen wieder.

Es muss bei der Interpretation der Ergebnisse jedoch berücksichtigt werden, dass der Anteil der Studierenden insgesamt in Deutschland geringer ist als in anderen Ländern. Bei der Studienabsolventenquote erreicht Deutschland im Vergleich mit anderen OECD-Ländern nur einen hinteren Platz. Insgesamt resultiert aus dem hohen MINT-Anteil und der geringen Studienabsolventenquote ein durchschnittliches Gesamtbild: Deutschland erreicht bei der Anzahl der MINT-Absolventen pro 1.000 Erwerbstätige nur einen mittleren Platz innerhalb der OECD.

Nur noch 18,8 Prozent – Anteil der 30-34-Jährigen mit einer beruflichen MINT-Qualifikation als höchstem Abschluss ist auf Rekordtiefstand gesunken

Im Unterschied zur insgesamt positiven Entwicklung bei den Akademikerquoten im MINT-Bereich ist der Anteil 35- bis 39-jährigen Personen mit einer MINT-Berufsausbildung als höchstem Abschluss von 24,0 Prozent im Jahr 2005 auf 20,5 Prozent im Jahr 2014 gesunken. Bei den 30- bis 34-Jährigen sank der entsprechende Anteil im selben Zeitraum von 22,3 auf 18,8 Prozent. Vor allem in den MINT-Ausbildungsberufen wird es in der Zukunft darauf ankommen, mehr junge Menschen für diese Berufe zu gewinnen und weitere Potenziale zu erschließen. Vor allem für die Industrie sind MINT-Facharbeiter eine entscheidende Säule des Geschäftsmodells.

Attraktive MINT-Ausbildungsberufe

Bei der Entwicklung der Löhne spiegelt sich die in den vergangenen Jahren hohe Nachfrage nach MINT-Akademikern und beruflich qualifizierten MINT-Kräften wider. Gemessen an der Stundenlohnprämie verdienten MINT-Akademiker im Jahr 2015 rund 92,3 Prozent mehr als Geringqualifizierte. Die Lohnprämie liegt damit höher als bei Wirtschaftswissenschaftlern mit 86,5 Prozent. Beruflich qualifizierte Personen in MINT-Berufen weisen im Jahr 2015 eine Lohnprämie von 66,7 Prozent auf, die in etwa der Lohnprämie einer Reihe an akademischen Fachrichtungen entspricht (Durchschnitt Akademiker ohne Medizin, Jura, MINT und WiWi). Aufgrund der kürzeren Ausbildungsphase und der damit verbundenen geringeren entgangenen Löhne sind die Bildungsrenditen einer beruflichen MINT-Qualifikation also deutlich attraktiver als die vieler Studiengänge. In sonstigen Ausbildungsberufen beträgt die Lohnprämie 26,2 Prozent. Auffällig ist dabei, dass die Lohnprämie in den MINT-Berufen von 2005 bis 2015 von 55,1 Prozent auf 66,7 Prozent gestiegen ist. Nur bei MINT-Akademikern gab es einen größeren Zuwachs.

Förderung von MINT-Kompetenzen

Um vor allem den Engpässen bei der beruflichen Bildung entgegenzuwirken, ist die MINT-Bildung in der Breite zu stärken. Durch Analysen mit den PISA-Daten aus dem Jahr 2015 lassen sich die folgenden Punkte hervorheben:

  • Verfügbarkeit von Lehrpersonal: Fehlendes Lehrpersonal führt zu signifikant schlechteren PISA-Ergebnissen. Jedoch geben lediglich 10,9 Prozent der Schulen an, dass der Unterricht nicht durch fehlendes Personal beeinträchtig wird. Bei 29,9 Prozent treten Beeinträchtigungen in sehr geringem Ausmaß auf. Problematisch ist die Lage bei den übrigen Schulen einzuschätzen: 41,2 Prozent dieser Schulen spüren teilweise eine Beeinträchtigung des Unterrichts und 18 Prozent tun dies in starkem Umfang.
  • Freude an Naturwissenschaften: Es zeigt sich, dass die Freude am naturwissenschaftlichen Unterricht – gemessen über verschiedene Aussagen der Schüler – einen stark signifikanten Einfluss auf die naturwissenschaftlichen Kompetenzen hat. Geschlechtsspezifisch zeigt sich, dass Jungen in Deutschland häufiger Spaß daran haben, naturwissenschaftliche Inhalte zu erlernen als Mädchen (65 versus 52 Prozent) und sich häufiger vor-stellen können, später in einem naturwissenschaftlichen Beruf zu arbeiten. Freude und Relevanz der MINT-Fächer wiederum führen auch dazu, später einen MINT-Beruf ergrei-fen zu wollen. MINT-Mentoren-Programme können folglich über mehrere Wirkungskanäle helfen, MINT-Bildung und MINT-Nachwuchs zu fördern.
  • MINT-Profil der Schule: Das MINT-Profil der Schule selbst hat einen signifikanten Einfluss auf die MINT-Kompetenzen der Schüler. Die Teilnahme der Schule an naturwissenschaftlichen Wettbewerben (plus 36,3 Punkte) sowie die Möglichkeit der Schüler, an einem Science-Club teilzunehmen (plus 13,7 Punkte), wirken sich signifikant auf die Kompetenzen aus. MINT-Initiativen der Wirtschaft, MINT-EC-Schulen, MINT-Schulen und MINT-freundliche Schulen stärken das MINT-Profil der Schulen.

Fazit 3: MINT-Bildung und Berufsorientierung stärken

Wichtig ist vor diesem Hintergrund eine Stärkung der Berufsorientierung an allen Schulformen der Sekundarstufe, um auch über Einkommens- und Karriereperspektiven der beruflichen Bildungswege zu informieren. Aufstiegsfortbildung und duale Studiengänge sind dabei wichtige Bildungswege.
Viele Initiativen von Politik und Wirtschaft haben geholfen, zusätzliche junge Menschen für ein MINT-Studium oder eine Ausbildung zu gewinnen. Diese Anstrengungen sind auszubauen durch die Stärkung des Technikunterrichts und von MINT-Profilen. Wichtig ist es darüber hin-aus, Maßnahmen zu entwickeln, die die Verfügbarkeit von MINT-Lehrern sichern. Daneben gilt es, die hohen Studienabbruchquoten deutlich zu senken und Personen, die das Studium ohne Abschluss beenden, alternative Ausbildungswege aufzuzeigen.

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