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Mathias Winde / Christiane Konegen-Grenier IW-Kurzbericht Nr. 49 18. Juli 2017 Duales Studium: Konkurrenz zur Berufsausbildung?

Das duale Studium findet große Anerkennung, da es Theorie und Praxis miteinander verbindet. Allerdings haben sich zuletzt Stimmen gemehrt, die über zu wenig beruflich qualifizierte Absolventen hinweisen. Können sich duale Studiengänge langfristig etablieren, oder ziehen sich die Unternehmen zugunsten der betrieblichen Ausbildung zurück?

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Konkurrenz zur Berufsausbildung?
Mathias Winde / Christiane Konegen-Grenier IW-Kurzbericht Nr. 49 18. Juli 2017

Duales Studium: Konkurrenz zur Berufsausbildung?

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Das duale Studium findet große Anerkennung, da es Theorie und Praxis miteinander verbindet. Allerdings haben sich zuletzt Stimmen gemehrt, die über zu wenig beruflich qualifizierte Absolventen hinweisen. Können sich duale Studiengänge langfristig etablieren, oder ziehen sich die Unternehmen zugunsten der betrieblichen Ausbildung zurück?

Das duale Studium wird vielfach als Königsweg einer akademischen Ausbildung bezeichnet, da es ein wissenschaftliches Studium mit regelmäßigen Anwendungsphasen in Unternehmen verbindet. Allerdings haben sich zuletzt Stimmen gemehrt, die auf ein Überangebot von Hochschulabsolventen und einen Mangel an beruflich Qualifizierten hinweisen. Können sich duale Studiengänge an der Schnittstelle zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung langfristig etablieren oder ziehen sich die Unternehmen zugunsten der betrieblichen Ausbildung zurück?

Die aktuellen statistischen Zahlen deuten zunächst darauf hin, dass das Wachstum des dualen Studienmodells an sein Ende gekommen sein könnte. Die Entwicklung der dual Studierenden war jahrelang von einem starken Aufwärtstrend gekennzeichnet. Die Anzahl der dual Studierenden stieg nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes von 49.000 (2009) auf 85.000 Studierende (2014) an. Die Datenbank AusbildungPlus, die größte Datenbank für duale Studiengänge in Deutschland, gibt die Anzahl der dual Studierenden sogar mit 95.000 für das Jahr 2014 an (BiBB 2015). Doch 2015 bricht das Wachstum ab: Das Statistische Bundesamt meldet für das Jahr einen Rückgang um rund 5.000 dual Studierende, die Datenbank AusbildungPlus geht von einer Stagnation aus. Zeitgleich nimmt in den Medien eine Debatte um einen „Akademisierungswahn“ Fahrt auf und die Arbeitsmarktstatistiken zeigen einen besonders gravierenden Mangel an Absolventen des Berufsbildungssystems. Schichten Unternehmen ihre Mittel zugunsten der beruflichen Bildung um?

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Eine aktuelle Studie von Stifterverband und IW Köln (Konegen-Grenier, Winde 2017) zeigt, dass Unternehmen auch vor dem Hintergrund zunehmender Engpässe bei der Rekrutierung beruflich qualifizierter Absolventen nicht beabsichtigen, ihre Investitionen in die akademische Bildung in den kommenden zwei Jahren abzusenken. Lediglich ein sehr geringer Anteil von knapp drei Prozent der Unternehmen äußerte bei der Befragung im Frühjahr 2016 eine solche Absicht. Die große Mehrheit von im Durchschnitt 71 Prozent der Unternehmen beabsichtigt, ihre Investitionen in die akademische Bildung in den nächsten zwei Jahren auf dem gleichen Niveau zu halten. Von einer Steigerung der Investitionen geht ein gutes Viertel der Befragten aus. Dass die Unternehmen ebenfalls beabsichtigen, ihre Investitionen in die betriebliche Bildung zu erhöhen, ist nicht mit einer Verringerung des Engagements für die akademische Ausbildung verbunden. Der Großteil der Unternehmen (77 Prozent) gab an, dass es keine Verschiebung des Investitionsschwerpunktes zu Gunsten der betrieblichen oder umgekehrt zu Gunsten der akademischen Bildung geben werde.

Dies gilt insbesondere für das duale Studium. Hinter dem kurzfristigen Rückgang der Anzahl der dual Studierenden im Jahr 2015 verbirgt sich ein robuster, langfristiger Wachstumstrend des dualen Sektors. Das duale Studium ist der Bereich, der von allen Investitionen am stärksten wächst, wie eine Betrachtung der Befragungsergebnisse von Unternehmen seit 2010 zeigt (Konegen-Grenier/Winde 2011, 2013, 2017). Seit 2009 haben sich die Investitionen in duale Studiengänge mehr als verdoppelt. Wurden 2009 noch 675 Millionen Euro für das duale Studium aufgewendet, waren es 2015 rund 1,4 Milliarden Euro. Gründe dafür sind eine steigende Anzahl an dual Studierenden ebenso wie höhere Investitionen je Kopf. Die Anzahl an dual Studierenden steigt von knapp 50.000 im Jahr 2009 auf rund 87.000 im Jahr 2015. Immer mehr Unternehmen bieten duale Studiengänge an, ihr Anteil ist von 22 Prozent (2009) über 25 Prozent (2012) auf 28 Prozent (2015) gestiegen. Dies ist vor allem auf einen Zuwachs bei Dienstleistungsunternehmen zurückzuführen. Im gleichen Zeitraum sind auch die Investitionen pro dual Studierenden deutlich erhöht worden, und zwar von 13.734 auf 16.267 Euro. Ein wesentlicher Teil des Anstiegs ist auf höhere Vergütungen zurückzuführen.

Für den Erfolg des dualen Studiums lassen sich unterschiedliche Gründe identifizieren. Duale Studiengänge bieten Unternehmen die Möglichkeit, frühzeitig mit Studierenden in Kontakt zu kommen und diese während des Studiums mit dem Unternehmen vertraut zu machen und an sich zu binden (Meyer-Guckel et al. 2015). Diese Form der Bindung ist besonders attraktiv für Rekrutierungsstrategien in Mangelfächern wie den Ingenieurwissenschaften oder der Informatik.

Die Ergebnisse der vorliegenden Erhebung zeigen auf, dass vor allem Dienstleistungsunternehmen das duale Studium in den vergangenen Jahren verstärkt für sich entdeckt haben. Der Anteil der mittelgroßen Dienstleistungsunternehmen, welche duale Studiengänge anbieten, steigt von 18 auf 23 Prozent, der Anteil der großen Dienstleistungsunternehmen mit dualen Studiengängen steigt ebenfalls um 5 Prozentpunkte auf 50 Prozent. Im Industriesektor bleibt der Anteil der mittelgroßen Unternehmen mit einem dualen Studienangebot konstant, bei den großen Industrieunternehmen kann sogar ein leichter Rückgang konstatiert werden.

Diese unterschiedliche Entwicklung lässt sich zumindest teilweise darauf zurückführen, dass Industrieunternehmen die Vorreiter für das duale Studium waren und es an wichtigen Industriestandorten, wie beispielsweise im Südwesten Deutschlands, schon großflächig verbreitet ist. Das duale Studium hat sich seit den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts in Baden-Württemberg zunächst als Kooperation zwischen der Metall- und Elektroindustrie und Berufsakademien entwickelt. Noch heute sind Industriebranchen, die Automobil- und die Elektroindustrie sowie der Maschinen- und Anlagenbau besonders wichtig für das duale Studium, wie eine Erhebung für Bayern zeigt. Im Dienstleistungsbereich hat sich das duale Studium etwas später verbreitet. Vor allem drei Branchen sind dabei relevant: Banken und Versicherungen, Gesundheits- und Sozialwesen sowie IT und Telekommunikation (Gensch 2014).

Die mit Abstand meisten dual Studierenden sind in den Wirtschaftswissenschaften eingeschrieben. Etwa 8 Prozent der Wirtschaftswissenschaftler studieren mittlerweile dual, das entspricht rund 36.000 Studierenden. Das zweitwichtigste Fach sind die Gesundheitswissenschaften, in denen sich knapp 12.000 dual Studierende eingeschrieben haben. Überdurchschnittlich gewachsen ist die Anzahl der dual Studierenden in der Informatik. Hier haben sich die Studierendenzahlen seit 2009 knapp verdoppelt. Auf den Plätzen 4 und 5 der Studiengänge mit den meisten dual Studierenden folgen die klassischen Technikstudiengänge Maschinenbau, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen mit ingenieurwissenschaftlichem Schwerpunkt. Die letztgenannten Fächer bilden jene Bereiche ab, in denen der akademische Fachkräftemangel besonders ausgeprägt ist. Hier werden Rekrutierungsstrategien zur Deckung des Personalbedarfs durch verstärkte Investitionen in duale Studiengänge sichtbar.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass duale Studiengänge weiterhin das Erfolgsmodell im deutschen Bildungssystem sind. Es gibt den Unternehmen frühzeitig die Möglichkeit, mit Studierenden in Kontakt zu kommen und gute Studierende an sich zu binden. Duale Studiengänge sind ein wichtiges Instrument im Wettbewerb um Fachkräfte. Sie ermöglichen eine Verzahnung von Theorie und Praxis, die sowohl von den Studierenden als auch von den Unternehmen gewünscht wird.

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