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Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 18 16. März 2021 Chinesische Beteiligungen und Übernahmen 2020 in Deutschland

Wirtschaftskrisen können auch Auswirkungen auf Übernahmen und Beteiligungen in Deutschland haben. Zu Beginn der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen Wirtschaftseinbruch wurde daher befürchtet, dass ein „Ausverkauf“ resultiert und entsprechend Wissen und Technologie beispielsweise an chinesische Investoren fällt. Dieses Szenario ist bisher nicht eingetreten.

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Chinesische Beteiligungen und Übernahmen 2020 in Deutschland
Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 18 16. März 2021

Chinesische Beteiligungen und Übernahmen 2020 in Deutschland

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Wirtschaftskrisen können auch Auswirkungen auf Übernahmen und Beteiligungen in Deutschland haben. Zu Beginn der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen Wirtschaftseinbruch wurde daher befürchtet, dass ein „Ausverkauf“ resultiert und entsprechend Wissen und Technologie beispielsweise an chinesische Investoren fällt. Dieses Szenario ist bisher nicht eingetreten.

Durch den Wirtschaftseinbruch zu Beginn der Pandemie in Deutschland sind einerseits die Bewertungen von Unternehmen an den Finanzmärkten gesunken. Andererseits bestand die Gefahr, dass Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage geraten. Beide Entwicklungen können Übernahmen und Beteiligungen erleichtern. Die Pandemie selbst hat zudem zu einer Neubewertung der Wichtigkeit einzelner Branchen geführt, indem sie insbesondere die Bedeutung von Schutzausrüstung und Pharmaforschung aufgezeigt hat. Vor diesem Hintergrund wurden in der Bundesregierung Befürchtungen laut, dass die Pandemie zu vermehrten Übernahmen insbesondere in kritischen Bereichen führen würde. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sagte diesbezüglich „Wir haben nicht nur einen viralen Angriff. Wir könnten auch einen Wirtschaftsangriff danach erleben." (Bayrischer Rundfunk, 2020). Die wirtschaftlichen Hilfen der Bundesregierung hatten laut Bundesfinanzminister Olaf Scholz entsprechend auch das Ziel, diese Entwicklungen zu begrenzen (ebenda).

Staatliche Maßnahmen

Die Wirtschaftshilfen waren jedoch nicht die einzige Maßnahme, die 2020 ergriffen wurde, um ausländische Übernahmen und Beteiligungen zu kontrollieren. Im Bereich der Gesetzgebung wurde das Außenwirtschaftsgesetz novelliert und es kam 2020 bereits zu zwei Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung, während eine weitere angekündigt wurde (BMWi, 2020). Diese Anpassungen haben zum Ziel, EU-Vorgaben zum Screening von ausländischen Übernahmen und Beteiligungen, die auch auf Betreiben der Bundesrepublik zurückzuführen sind (Rusche, 2020, 144), umzusetzen und die Kompetenzen allgemein zu erweitern. Des Weiteren sollte in diesem Zusammenhang auch der Gesundheitssektor besser geschützt werden (BMWi, 2020).

Doch die bestehenden Möglichkeiten, die das Außenwirtschaftsrecht bietet, kamen 2020 ebenfalls zur Anwendung. Mit Blick auf chinesische Investoren wurde so die Übernahme des Kommunikationsunternehmens IMST GmbH verhindert (Deutsche Welle, 2020). Zusätzlich wurde sogar der Verkauf von Produkten der Mynaric AG nach China untersagt (Mynaric, 2020).

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Chinesische Transaktionen

Die staatlichen Maßnahmen, die ergriffen wurden, dürften auch einen Einfluss auf die Entwicklung chinesischer Übernahmen und Beteiligungen im Jahr 2020 in Deutschland gehabt haben. Mit Blick auf die Fallzahlen wird deutlich, dass sich der negative Trend der vergangenen Jahre fortgesetzt hat (Abbildung). So werden im Jahr 2020 nur noch 23 Übernahmen und Beteiligungen verzeichnet, die die Kriterien einer Direktinvestition erfüllen (vgl. Rusche, 2020, 144). Seit dem Höhepunkt mit 44 Transaktionen im Jahr 2016 hat sich die Anzahl somit nahezu halbiert. Der Rückgang vollzog sich seit 2017 kontinuierlich. Allerdings waren die Jahre 2016 und 2017 Ausnahmeerscheinungen. Mit 23 Transaktionen ist die Aktivität chinesischer Investoren 2020 wieder auf dem Niveau der Jahre 2011 bis 2015 angelangt.

Noch deutlicher ist der Rückgang bei den veröffentlichten Transaktionswerten. Mit 12,1 Milliarden Euro konnte 2017 der Höchstwert verzeichnet werden. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 707 Millionen Euro und damit weniger als sechs Prozent des Wertes von 2017. Die 707 Millionen Euro lagen ebenfalls ungefähr auf dem Niveau der Jahre 2011 bis 2015. Bei den Transaktionswerten in der Abbildung muss beachtet werden, dass insbesondere bei kleineren Transaktionen die Werte nicht veröffentlicht werden und die tatsächlichen Summen höher liegen. Zudem wurden die hohen Summen der vergangenen Jahre durch große Einzeltransaktionen getrieben (Rusche, 2020, 146). Solche konnten 2020 aus der Volksrepublik China und Hongkong nicht verzeichnet werden. Jedoch gab es eine mittlerweile erfolgreiche große Übernahme durch ein taiwanesisches Unternehmen. Die Übernahme der Münchener Siltronic AG durch die taiwanesische GlobalWafers Co., Ltd. hat auf Basis des Übernahmeangebots (Siltronic, 2020) gemäß eigenen Berechnungen einen Wert von rund 3,7 Milliarden Euro. Diese Übernahme wurde aufgrund der politischen Gegebenheiten nicht in die Analyse chinesischer Übernahmen und Beteiligungen aufgenommen. Ebenfalls nicht aufgenommen wurde die Beteiligung des chinesischen Unternehmens Fosun am Impfstoffentwickler BioNTech (Reuters, 2020), da der übernommene Anteil mit 0,67 Prozent die 10-Prozent-Schwelle einer Direktinvestition weit unterschreitet.

Relative Bedeutung

Trotz der gesunkenen Anzahl an Transaktionen sowie Transaktionswerten kann die relative Bedeutung chinesischer Investoren zugenommen haben, wenn die Aktivitäten anderer Investoren - auch durch Corona bedingt - stärker gesunken ist. Anhand von Zahlen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC, 2020) wird jedoch deutlich, dass auch dies nicht der Fall ist. So betrug der Anteil von Übernahmen und Beteiligungen aus der Volksrepublik China und Hongkong an allen ausländischen Übernahmen und Beteiligungen gemäß eigener Berechnung auf Basis der PwC-Zahlen (2020, 5) 2020 lediglich 4,6 Prozent. Dieser Anteil ist damit seit 2017, wo ein Wert von 6,6 Prozent verzeichnet wurde (Rusche, 2020, 146), ebenfalls kontinuierlich gesunken. Auf Basis der Transaktionswerte lag der Anteil von Investoren aus der VR China und Hongkong 2020 lediglich bei 1,3 Prozent (2017: 6,3 Prozent). Somit hat die Bedeutung chinesischer Investoren auch relativ gesehen 2020 abgenommen.

Fazit

Das Jahr 2020 war im Bereich der chinesischen Übernahmen und Beteiligungen durch verstärkte Aktivitäten der Bundesrepublik zum Schutz der ansässigen Unternehmen geprägt. Die Aktivitäten von chinesischen Investoren waren demgegenüber weiter rückläufig. Dies wird sich jedoch in Zukunft vermutlich ändern, denn die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung der Volksrepublik in der Weltwirtschaft wird auch die Expansion chinesischer Unternehmen nach Deutschland begünstigen. Neben Übernahmen und Beteiligungen kommen dafür jedoch auch Neugründungen in Frage. Doch vermutlich werden auch mehr Übernahmen und Kooperationen verzeichnet werden.

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Christian Rusche: Chinesische Beteiligungen und Übernahmen 2020 in Deutschland

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