Seit Jahrzehnten sinkt die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen. Während zuletzt rund 90 Prozent der Belgier ihre Stimme abgaben, interessierte sich die Slowakei kaum für die EU – nur 13 Prozent der Bürger gingen wählen. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) geht dem europäischen Desinteresse auf den Grund.

Europawahl: Der unbeliebte Gang zur Urne
In den Tagen vor der Europawahl kommt kaum jemand an Wahlplakaten, TV-Spots und Diskussionsrunden vorbei. Bei der Wahl im Jahr 2014 war das ähnlich – dennoch sind etwa sechs von zehn EU-Bürgern nicht wählen gegangen. Vor 40 Jahren sah das anders aus: In den damals neun Mitgliedstaaten sind 62 Prozent der Bürger wählen gegangen.
Die Gründe für den Rückgang der Wahlbeteiligung sind vielfältig: Beispielsweise spielt die Landesgröße eine Rolle, in kleineren Ländern lässt sich eine höhere Wahlbeteiligung beobachten als in größeren. Auch die Art des Wahlsystems und auf den ersten Blick banale Faktoren wie die Geografie wirken sich auf die Wahlbeteiligung aus: In Belgien und Luxemburg war die Wahlbeteiligung 2014 am höchsten – sicherlich vor allem aufgrund der bestehenden Wahlpflicht. Ein weiterer Effekt war in Litauen zu beobachten: Zeitgleich zur Europawahl fand dort die Präsidentschaftswahl statt – 47 Prozent der Litauer gaben ihre Stimme für Europa ab, in den Nachbarländern Estland und Lettland taten das nur 36 bzw. 30 Prozent der Bürger.
Principal-Agent-Problem
Grundsätzlich kämpft die EU mit den Folgen des sogenannten Principal-Agent-Problems: Die EU-Bürger (Principals) beauftragen europäische Institutionen (Agenten) damit, in ihrem Interesse zu handeln. Allerdings vertreten die Institutionen eigene Interessen, die nicht immer den Wünschen der Bürger entsprechen. Hinzu kommt: Viele Europäer sind nur schlecht informiert und haben darüber hinaus das Gefühl, keinen Einfluss auf die politischen Prozesse der EU zu haben. Die Europäische Kommission befragt zwei Mal jährlich die Bürger, ob sie das Gefühl haben, dass ihre Stimme in der EU zählt. Bei der letzten Europawahl waren gerade einmal 42 Prozent der Meinung, dass die eigene Stimme Gewicht hat. Das hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Ende 2018 gaben sogar mit 49 Prozent mehr Befragte an, das Gefühl zu haben, dass ihre Stimme in der EU zählt, als umgekehrt (47 Prozent).
Europäisches Desinteresse
In Deutschland stellt die Europawahl 2004 bei der Wahlbeteiligung den bisherigen Tiefpunkt dar: Gerade einmal 43 Prozent der Bürger gaben ihre Stimme ab. Im Jahr 2014 waren es schon 48 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl 2017 lag die Wahlbeteiligung bei 76 Prozent. Nationale Politik interessiert offenbar mehr als EU-Angelegenheiten.
"Es ist eine Aufgabe von Politik und Gesellschaft, die Bedeutung der EU und ihrer Institutionen zu kommunizieren", sagt Studienautorin Galina Kolev. "Nur so kann gegen Europa-Skepsis und Ressentiments vorgegangen werden."
Galina Kolev: Wahlbeteiligung in Europa
IW-Report

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